Captain Phillips

Antworten
Hamburch
Mitglied
Beiträge: 3498
Registriert: Do 17. Jan 2013, 18:27

Captain Phillips

Beitrag von Hamburch »

Moinsen,

ich habe heute Abend den Film "Captain Phillips" mit Tom Hanks als der Kapitän der 2009 vor Somalia entführten Maersk Alabama gesehen. Nach meinem dafürhalten ist es ein großartiger Film. Zwar unterscheidet sich die Handlung des Films in Details von den wahren Begebenheiten - insbesondere das Ende war den Produzenten in Realität wohl nicht heftig genug - die Stimmung wird jedoch sehr gut eingefangen und transportiert. In dieser Annahme bestätigten mich zwei Marinesoldaten, die 2008 selbst am Horn von Afrika waren und heute abend neben mir saßen.

Dass die CMA CGM Christophe Colomb zu sehen ist, die erst 2010 gebaut wurde, fällt wohl nur ein paar Shipspottern auf...

Beinahe die Hälfte des Films spielt im Freifallrettungsboot der Maersk Alabama. Ich stelle mir den tagelangen Aufenthalt in dem Ding schon im Kreise der Crew als unerträglich vor, in Gegenwart von vier Piraten wird es extrem, selbst für den Zuschauer kaum auszuhalten.

Leider, wie das bei Amistreifen halt immer wieder so ist, ist die Darstellung etwas schwarz-weiß geraten. Versteht mich nicht falsch, ich will keinen Piraten in Schutz nehmen. Dennoch hätte ich mir gewünscht, dass die extrem Armut Somalias, nicht nur in einem Satz über die industriellen Fischtrawler in somalischen Gewässern abgespeist würden. Die Figur des Captain Phillips hat recht, wenn sie zu den Piraten sagt: "Ihr seid keinen einfachen Fischer!" Die Frage, wer sie zu dem gemacht hat, was sie sind wird leider nicht gestellt.

Ich empfinde ein sehr mulmiges Gefühl, wenn ich mir klar mache, dass jedes iPhone und beinahe jeder Flatscreen direkt am absoluten Armenhaus der Welt vorbeigeschippert wird. Diesen schier unermesslichen Reichtum direkt vor der Nase (oder dem hungrigen Bauch) und doch unerrreichbar, wäre ich mir nicht sicher, ob ich immer moralisch einwandfrei handeln würde.

Nachdenkliche Grüße aus Hamburch
Gruß

Christian

Alle von mir eingestellten Fotos tragen mein Copyright.
mooringman
Mitglied
Beiträge: 160
Registriert: Di 26. Okt 2010, 18:04

Re: Captain Phillips

Beitrag von mooringman »

Leider werden die somalischen Piraten durch die Armut der Bevölkerung,an der diese selbst mit Schuld ist,von anderen reicheren Kriminellen aus dem Ausland (Kanada,UK,Schweden,Golfstaaten)dazu angeworben,diese kriminelle Piraterie zu tun. Es geht um die Erzwingung von Lösegeld,aus dem der Waffenhandel,der Drogenhandel und sogar der Terrorismus der islamisten finanziert wird.
Die armen somalischen Fischer,die so leiden,sind ziemlich oft ein Märchen.
Das Geld landet meist nicht bei den Piraten in Somalia,oft aber in Kenia.......!
Hamburch
Mitglied
Beiträge: 3498
Registriert: Do 17. Jan 2013, 18:27

Re: Captain Phillips

Beitrag von Hamburch »

Fakt ist, dass das Land durch Bürgerkrieg, Dürreperioden und auch illegale Fischerei der EU kaum Lebensgrundlagen bietet.
Gruß

Christian

Alle von mir eingestellten Fotos tragen mein Copyright.
AnkerM
Mitglied
Beiträge: 239
Registriert: Mo 28. Dez 2009, 17:55

Re: Captain Phillips

Beitrag von AnkerM »

Hamburch hat geschrieben:Fakt ist, dass das Land durch Bürgerkrieg, Dürreperioden und auch illegale Fischerei der EU kaum Lebensgrundlagen bietet.

So? Welche EU-Fischerei wird denn da betrieben? Das klingt mir doch sehr nach "die können doch eigentlich nichts dafür"-Romantik.

Fischdampfer müssen sehr auf die Verderblichkeit des Fanges und die Wirtschaftlichkeit der An- und Abreise zum/vom Fangplatz achten ... irgendwie schwer vorzustellen, daß die Erträge durch den Fischfang so groß sein sollen, daß eine wochenlange An- und Abreise sich lohnt (einschließlich der sauteuren SUCAN-Passage).

Bis vor ein paar Jahren bin ich dort noch selbst mit einem Containerschiff gefahren, natürlich gab es dort Fischerei ... so wie in allen Küstenmeeren der Welt. Allerdings war die Anzahl der Fischereifahrzeuge nicht außergewöhnlich, da war ich vom Ostchinesischen Meer und der gelben See ganz anderes gewohnt. Und Fischdampfer, gar solche unter EU-Flaggen, sah ich dort gar keine!
Hamburch
Mitglied
Beiträge: 3498
Registriert: Do 17. Jan 2013, 18:27

Re: Captain Phillips

Beitrag von Hamburch »

Ich war selber nie vor Ort und bin daher in der Diskussion mit Dir auf die Infos angewiesen, die ich von hier aus finden kann.

Die EU hat mit 16 Staaten Afrikas, der Karibik und Pazifikanreiner (z.B. Mauretanien, Sierra Leone, Senegal - 2006 gekündigt - seitdem kaufen EU Fischkonzerne die dortige Fangflotte auf, es fehlt an Speisefisch für die einheimische Bevölkerung) sogenannte FPAs (Fischerei Partnerschaftsprotokolle) geschlossen, die der EU Fangflotte das Fischen in der ausschließlichen Wirtschaftszone erlaubt. Dabei werden die Quoten weder von den betreffenden Ländern noch von der EU kontrolliert.
Die Frage der Verderblichkeit des Fisches sollte in Zeiten von schwimmenden Fischfabriken mit Tiefkühllagern keine Rolle spielen.

Doch nun zu Somalia: (Zitat aus Le Monde Diplomatique, "Europas Raubzüge zur See" von Jean-Sébastien Mora, 11.1.2013)
Recht des Stärkeren in somalischen Gewässern
Wenn ein Staat zusammengebrochen ist, wie in Somalia, fischen die Europäer im Zweifelsfall ohne Lizenzen oder mit gefälschten Dokumenten, ausgestellt von mafiaähnlichen Organisationen, die somalische Warlords in Katar aufgebaut haben. Mit diesem System arbeiten etwa der spanische Branchenriese Pescanova und die bretonische Cobrecaf,8 die zudem von der Anwesenheit der internationalen Flotte zum Schutz gegen die Piraterie profitieren. Denn die somalischen Fischer können die illegalen Konkurrenten nicht vertreiben, "aus Angst, selbst als Piraten abgestempelt und von den ausländischen Marineschiffen angegriffen zu werden", schreibt der Journalist Mohamed Abshir Waldo.9

In Kismaju, Berbera und Mogadischu wird jeden Tag im örtlichen Radio gemeldet, wenn wieder fremde Schiffe aufgetaucht sind. "Die Menge an Fischen, die dort gefangen wird, beeinträchtigt die Überlebensfähigkeit der Somalier, denn die westlichen Schiffe fangen in einer Nacht so viel wie die somalischen Fischer in einem Jahr", sagt Roger Middleton vom britischen Thinktank Chatham House. Die Welternährungsorganisation FAO schätzt, dass vor Somalias Küste 800 ausländische Schiffe Fisch im Wert von 300 bis 450 Millionen Dollar pro Jahr fangen, vor allem Thunfisch, Garnelen und Langusten.

Die somalische Übergangsregierung hat keine Chance, das zu unterbinden. Sie verfügt lediglich über einen Jahreshaushalt von 100 Millionen Dollar und über keine Marine, die entlang der 3 300 Kilometer lange Küste des Landes über die Einhaltung der Gesetze wachen könnte. Das ist der Grund, erklärt der Fischer Abdul Jama, den wir am alten Hafen von Mogadischu treffen, dass die Bewohner von Puntland die Fischerei aufgegeben haben, um ihren Lebensunterhalt durch Piraterie zu sichern.

http://de.wikipedia.org/wiki/Illegale_F ... _Fischerei

http://www.monde-diplomatique.de/pm/201 ... 0008.idx,0

Es war jedoch gar nicht meine Absicht, hier eine politische und moralische Debatte vom Zaun zu brechen, sondern viel mehr einen wirklich gelungenen Film anzupreisen. Auch hat die Fragestellung, warum Piraterie entstand - ich kenne auch die Seite der organisierten Kriminalität - nichts damit zu tun, dass ich hoffe, dass die Martyrien der Seeleute endlich aufhören.
Gruß

Christian

Alle von mir eingestellten Fotos tragen mein Copyright.
Jürgen
Mitglied
Beiträge: 726
Registriert: Fr 11. Jan 2008, 13:56
Wohnort: Brunsbüttel

Re: Captain Phillips

Beitrag von Jürgen »

Hallo,

hier mal ein WAZ Interview: Was der echte Kapitän Phillips über den Film „Captain Phillips“ denkt

http://www.derwesten.de/panorama/wochen ... 72359.html

Beste Grüße
Lieber den Anker verlieren als das ganze Schiff
Antworten