Die etwas andere Reise nach Helgoland

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Alexander
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Die etwas andere Reise nach Helgoland

Beitrag von Alexander »

Hallo zusammen,

der nachfolgend beschriebene Törn ist zwar schon deutlich mehr als ein Jahr her, dennoch möchte ich Ihn Euch nicht vorenthalten.

Geschrieben hab ich den Bericht schon im Herbst 2010 für ein anderes Forum. Inzwischen ist die "Alex" ja außer Dienst und auf ihrem Weg in die Karibik. Insofern ist der Bericht auch so was wie ein Nachruf auf die Zeit, in der die "Alex" unter deutscher Flagge segelte.

Im Herbst 2010 war ich im Rahmen eines Segeltörns auf der Nordsee mal wieder auf Helgoland. Über diese etwas andere Reise mit einem außergewöhnlichen Transportmittel auf den Roten Felsen will ich heute berichten.

Ehe ich aber mit dem eigentlichen Reisebericht beginne, will ich zunächst mal mein Transportmittel, die Bark „Alexander von Humboldt“, vorstellen. Bekannt dürfte das Schiff vor allem aus der Werbung für eine bekannte Bremer Biermarke sein.
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Hier ein paar Bilder des Schiffs. Ich werde alle Bilder hier in Vorschau/Form einstellen. Zur Grossansicht einfach draufklicken.

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Erbaut wurde die heutige „Alexander von Humboldt“ 1906 als Feuerschiff „Reserve Sonderburg“. Bis 1986 wurde sie auf unterschiedlichen Positionen als Feuerschiff eingesetzt. Danach ging sie in das Eigentum der Deutschen Stiftung Sail Training (DSST, http://www.dsst.de) über, die das Ziel hatte, sie zu einem Segelschiff umzubauen. Dieser Umbau fand von 1986 bis 1988 bei den Motorenwerken Bremerhaven statt. Seit 1988 ist das Schiff unter dem Namen „Alexander von Humboldt“ als Segelschiff unterwegs.

Wesentliche Schiffsdaten:

Gesamtlänge: 62,5 m

Rumpflänge: 53,5 m

Breite: 8,0 m

Tiefgang: 4,9 m

Verdrängung: 816 t

Höhe Fockmast: 31,0 m

Höhe Großmast: 34,0 m

Höhe Besanmast: 28,1 m

Segelfläche: 1.035 Quadratmeter, verteilt auf 25 Segel

Besatzung: 60 Mann (25 Mann Stammbesatzung, 35 zahlende Mitsegler, sog. Trainees)

Motorleistung: 510 PS

Die DSST als Eignerin des Schiffs wird getragen von 3 Stiftern: der Bremer Brauerei Beck & Co. (heute Teil des InBev-Brauereikonzern), dem Automobillogistiker E.H. Harms aus Bremerhaven (heute Teil der Bremer Lagerhausgesellschaft BLG) sowie der Sail Training Association Germany e.V. (S.T.A.G., [url]http://www.sta-g.de)[/url].

Die S.T.A.G. wurde 1984 als gemeinnütziger, nicht gewinnorientierter Verein gegründet. Mit ihren über 5.000 Mitgliedern fördert sie die Teilnahme junger Menschen an Segeltörns im Rahmen des sog. Sail Training. Unter dem Begriff Sail Training versteht man die "Entwicklung und Erziehung junger Menschen aller Nationen, Kulturen und sozialer Hintergründe durch die Erfahrung einer Segelausbildung". Der englischsprachige Begriff "Sail Training" beinhaltet dabei nicht nur die allgemeine Segelausbildung im wörtlichen Sinne, sondern bezieht sich auf eine vor allem auf Großseglern durchgeführte Segelausbildung zum Ziel der persönlichen (physischen und psychischen) Entwicklung und Charakterbildung. Hierfür vermittelt die S.T.A.G. interessierten Jugendlichen und Erwachsenen Segeltörns, an denen sie nicht als „normaler“ Passagier, sondern als Mitglied der Besatzung teilnehmen.

Der komplette Betrieb des Schiffs erfolgt auf ehrenamtlicher Basis, d.h. auch alle Mitglieder der Stammbesatzung sind dort nur ehrenamtlich und unentgeltlich aktiv, wobei die Schiffsführung aus Berufsseeleuten besteht. Kapitän, Steuerleute und Chefingenieur verfügen über die entsprechenden nautischen bzw. technischen Patente und opfern ihren Urlaub für die Fahrten auf dem Schiff. Die Deckscrew besteht aus bordintern hierfür ausgebildeten Leichtmatrosen, Matrosen und Topsmatrosen.

Mein Segeltörn sollte 27.09.10 bis zum 01.10.10 dauern. Ausgangspunkt war Bremerhaven, Zielhafen war Wilhelmshaven.

Im Laufe des Vormittags des 27.09.10 trafen Stammbesatzung und Trainees am Liegeplatz der „Alex“ im Neuen Hafen (heute Teil der Erlebniswelt „Havenwelten“) von Bremerhafen ein. Zunächst wurden alle Crewmitglieder auf ihre Kammern (übernachtet wird an Bord in 4er- bzw. 8er-Kammern) verteilt, danach fand die Begrüßung durch Kapitän Wolfang Sulz statt. Im Anschluß daran wurde für die Trainees eine Sicherheitseinweisung durchgeführt.

Gegen 15.30 kam vom Kapitän dann der Befehl „Klar Vorn und Achtern“ und wir legten ab. Durch die verschiedenen Hafenbecken ging es zur Nordschleuse. Die Bremerhavener Innenhäfen sind ja mit insgesamt 3 Schleusen mit der Weser verbunden. Für die Sportbootschleuse ist die „Alex“ allerdings zu groß. Und die Kaiserschleuse wird gerade vergrößert und ist daher nicht nutzbar.

Die Kaiserschleuse also: 375 m lang, 60 m breit. Eine richtig große Schleuse also. Muß aber auch sein, denn da müssen ja die großen Autotransporter durch, die in den Innenhäfen laden und löschen. Aber ganz ehrlich, auch so eine richtig große Schleuse kann einem verdammt klein vorkommen. Zum Beispiel dann, wenn man mit einem eigentlich nicht ganz kleinen Segelschiff zusammen mit einem wirklich großen Autotransporter durchschleusen muß. Ehrlich, wenn so ein Pott (wie in unserem Fall die „Hoegh Copenhagen“) mit einer Länge von mehr als 200 m neben einem liegt und man sieht, daß dessen Bordwand unsere Masten deutlich überragt, dann kommt man sich klein vor.

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Vorbei an den Umschlagseinrichtungen des Containerterminals „Wilhelm Kaisen“ ging es hinaus auf die Weser.

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Schon wenig später konnten zur Unterstützung der Maschine und zur Stabilisierung des Schiffs die ersten Segel auf unserem selbstverständlich unter deutscher Flagge fahrendem Schiff gesetzt werden.

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Schon bald waren wir draußen auf der dichtbefahrenen Außenweser.

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Unser Ziel für diesen Tag war Hohe Weg Reede, unweit der Vogelinsel Mellum. Dort, in einem geschützten Ankerbereich, wollten wir für die Nacht Anker werfen. Zum einen war das Wetter zum Segeln nicht optimal, zum anderen wollten wir den kommenden Morgen nutzen, um denjenigen Trainees, die noch nie bei uns an Bord waren, mit der Bedienung der Segel und dem Arbeiten im Rigg (wer will, darf bei uns an Bord auch ins Rigg klettern, aber keiner wird dazu gezwungen) vertraut zu machen.

Gegen 09.30 Uhr am 28.09.10 hieß es „Anker auf!“. Unsere Fahrt führte uns durch die Außenweser hinaus in die Deutsche Bucht, Kurs Nordwest, vorbei u.a. an den Leuchttürmen Mellumplate, Alte Weser und Roter Sand.

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Wir segelten also hinaus in die Nordsee, passierzen am Abend Helgoland westlich der Insel und fuhren einige Manöver, also Wenden und Halsen. Die Nacht durch waren wir unterwegs, ich selbst hatte von 08.00 bis 12.00 Uhr und dann wieder von 20.00 bis 24.00 Uhr Wache (an Bord fahren wir das klassische deutsche Wachprinzip: 4 Stunden Wache, 8 Stunden frei – außer bei „Alle Mann-Manövern“). Am nächsten Morgen, also am 29.09.10, näherten wir uns Helgoland von Norden. Der ursprüngliche Plan der Schiffsführung, unter Segeln die Reede zwischen Hauptinsel und Düne zu durchsegeln, scheiterte leider an unpassenden Winden, so daß wir die Insel umrundeten, um dann später in den Südhafen einlaufen zu können.

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Gegen 09.30 Uhr am 29.09.10 standen wir vor Einfahrt des Helgoländer Südhafens. Heraus kam gerade der kleine Dreimaster „Loth Lorien“, kurz danach die Hermann Marwede mit relativ hoher Geschwindigkeit. Sah schwer nach Einsatzfahrt aus.

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Gegen 10.00 Uhr lagen wir an der Pier in Helgoland. Wenig später machte längsseits die niederländische „Twister“ fest. Und wie zu unserer Begrüßung stiegen auch die Marineflieger mit ihrer „Sea King“ auf.

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Nach dem Mittagessen machte ich mich auf, die Insel zu erkunden. Die „Hermann Marwede“ war inzwischen zurück, so daß sich im Südhafen ein imposantes Bild bot.

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Auf dem Weg in die „City“ konnte ich einen ersten Blick auf die Reede werfen. Ein trauriger Anblick. Gerade einmal drei Schiffe lagen dort. Eigentlich wollte ich ja „Seebäderschiffe“ schreiben, aber mal ehrlich, eine solche Bezeichnung passt gar nicht mal mehr auf alle. Eine Nußschale wie die „Lady von Büsum“ so zu nennen ist doch ein Frevel. Was waren das für Zeiten, als dort noch so stolze Schiffe wie die „Wappen von Hamburg“ lagen. Und heute? Neben dem Katamaran im Hafen auf Reede nur die „Atlantis“, die „Funny Girl“ und die „Lady von Büsum“, dazu der obligatorische Shuttleservice mit den Börtebooten. Aber bei der Börte herrscht nicht gerade Vollbeschäftigung, wie man sehen kann.

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Mein erstes Ziel war klar: nach oben, zum Klippenrandweg, aber auch der Weg dorthin bot schon schöne Ausblicke.

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Bald war ich oben auf dem Oberland. Mein Blick ging zunächst hinüber zum Leuchtturm, der uns schon in der vergangenen Nacht ein wichtiger Wegweiser gewesen war.

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Und dann ging ich los, einmal rund ums Oberland mit all den dort gebotenen phantastischen Aussichten.

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Nach dem Rundgang über das Oberland ging es für mich mit der „Witte Kliff“ hinüber auf die Düne. Wollte noch Seehunde bzw. Kegelrobben fotografieren. Dabei fiel mir auf, daß die Crew der „Witte Kliff“ ja teilweise recht verwegen aussieht. Würde ich denen Nachts auf offener Straße begegnen, hätte ich wohl ein ungutes Gefühl. ;-)

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Zurück auf der Hauptinsel ging ich dann noch ein wenig shoppen. Eine Flasche guten Malt Whisky für mich und ein Parfüm für meine Liebste mussten mit, wenn ich schon mal Helgoland war.

Schade, daß ich die Crew-Kameraden, mit denen ich abends etwas Trinken ging, nicht überzeugen konnte, ebenfalls den „Knieper“ anzusteuern. So blieben wir ein paar Kneipen vorher im „Düne Süd“ hängen und genossen den Abend an Land mit Bier, Cocktail oder Eiergrog. Es wurde spät an jenem Abend spät, bis wir uns auf den Weg zurück zum Südhafen machten.

Gegen 09.00 Uhr am 30.09.10 hieß es wieder „Leinen los!“. Vor uns lief aber noch die „Esprit“ aus, die ebenso wie wir unter der Flagge der S.T.A.G. fährt.

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Für uns gestaltete sich das Ablegen etwas problematisch. Selbst wenn die Segel nicht gesetzt sind, bietet eine Bark mit ihren 3 Masten und den Aufbauten eine große Angriffsfläche für den Wind. Und dieser kam aus Richtung Süd und drückte uns so gegen die Pier, daß wir trotz Motor und Bugstrahlruder nicht von der Pier wegkamen. Die Crew der „Hermann Marwede“ erklärte sich jedoch freundlicherweise bereit, uns mit ihrem Tochterboot „Verena“ Schleppunterstützung zu geben.

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Und dann begann er, der perfekte Segeltag. Strahlender Sonnenschein, ausreichend Wind, und noch dazu aus der richtigen Richtung, so daß wir Kurs gen Wilhelmshaven nehmen konnten. Durch optimalen Segeltrimm schafften wir knapp über 9 Knoten Speed, was für die „Alex“ schon ganz ordentlich. Viel zu schnell erreichten wir das Verkehrstrennungsgebiet nördlich der ostfriesischen Inseln, wo wir Fahrt rausnehmen mussten.

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Am Abend gingen wir vor Wilhelmshaven im Jadebusen auf Reede, unmittelbar vor dem Hafen der „Großen grauen Dampfercompagnie“. ;-)

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Da dies schon unser letzter Abend war, fand das traditionelle „Captain’s Dinner“ statt, mit einem besonderen Menü, der ein oder anderem Rede, einem Dankeschön für besonders verdiente Personen und jeder Menge Spaß. Und wie so oft mit der Chance, auch mal mit den Leuten zu klönen, die man die ganze Zeit auf See fast nie gesehen hatte, weil sie in einer anderen Wache waren und daher immer schliefen, wenn man selbst wach war. ;-)

Am kommenden Morgen des 01.10.10 mussten wir schon um 05.30 Uhr Ankerauf, denn um 06.00 Uhr sollten wir bereits schleusen. Danach ging die Fahrt durch den noch nachtschlafenden Marinehafen in den zivilen Teil des Wilhelmshavener Hafens, zum Bontekai, fast in der Innenstadt gelegen.

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Dort ging ein sehr schöner, aber viel zu kurzer Törn zu Ende. Die Crew ging auseinander, viele Umarmungen, teils sogar Tränen. Eins ist klar: das gemeinsame Arbeiten an Bord schweißt zusammen. Auch auf solch kurzen Törns können, wie ich bestätigen kann, Freundschaften fürs Leben entstehen. Hier kann sich keiner verstellen, hier lernt man die Menschen wirklich kennen.

Soweit mein Törnbericht.

Alexander
Meine Schiffsfotos bei Fotocommunity: http://home.fotocommunity.de/squarerigg ... 4&g=240434
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