Rätsel am Schluß
Während ich mir einen Weg durch das Ufergetümmel bahne, um eine optimale Kameraposition vor dem Bug der UNO zu finden,
fällt mir auf mit welcher Teilnahmslosigkeit einige Yachten am Wrack vorüberziehen.
Da liegt ein großes Schiff im Graben, gerammt und umgekippt, so nah daß man einen Hut hinschmeißen kann, ein Mann wird vermisst –
und ihr schaut nicht mal hin. Was seit ihr für Yachtleute denn? Ich muß meine Gedanken beherrschen, darf nicht bitter werden.
Es lohnt sich nicht. Wir leben in einer Seifenschaumgesellschaft.
Da es keine Zufälle gibt, bekomme ich postwendend eine Bestätigung meiner Gedanken und werde Zeuge einer seemännischen Geste,
die ich bis heute nicht vergessen habe: In einem Pulk vorüberziehender Yachten zieht der Skipper einer englischen Fahrtenyacht den
Flaggenstock aus seiner Halterung, positioniert dabei Körper und Gesicht in aufrechter Haltung dem verunglückten Frachter zu
und hält die Flagge niedergesenkt solange sein Schiff passiert.
Danke Sir!
Schwimmkräne "Roland" und "Thor" der Hamburger Bugsier im Einsatz
Eine Woche später: Schwimmkräne haben die UNO aufgerichtet. Jetzt geht es darum an die Ladung ranzukommen.
Das Leck im Bereich des Laderaumes muß provisorisch gedichtet werden.
Dann soll das Schiff leergepumpt und nach Brunsbüttel verholt werden.
Die dänische Reederei hat das Schiff an die Versicherung übereignet.
Als Bergungsgemeinschaft wurde Bugsier und die niedreländische Wijsmuller-Group beauftragt
Was geschah eigentlich genau als die UNO aus dem Ruder lief?
Aus dem Untersuchungsbericht, verfasst von der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung
in Zusammenarbeit mit der Danish Maritime Authorotie, vom 26.5.2003
einzusehen auch hier:
http://epub.sub.uni-hamburg.de/epub/vol ... _32_02.pdf
"Der I. Offizier stellte plötzlich fest, dass die UNO nach Backbord drehte.
Der I. Offizier bemerkte, dass die Ruderanzeige 20° nach Backbord zeigte, obwohl
er den Steuerknopf nicht entsprechend betätigt hatte. Der I. Offizier drückte sofort
den Knopf zur Änderung des Kurses nach Steuerbord, als die Ruderanzeige jedoch keine
Reaktion zeigte, drückte er den Druckknopf an der Steuerkonsole. Das Ruder
reagierte jedoch nicht, und nur nach einer außerordentlich langen Zeit zeigte die
Ruderanzeige, dass das Ruder sich zurück nach Steuerbord bewegte.
Der Kapitän bemerkte beim Blick aus dem Fenster seiner Kajüte, dass das Schiff
nach Backbord gedreht hatte und weit von seinem Kurs abgewichen war. Er ging
sofort auf die Brücke, wo er bemerkte, dass das Schiff den Kanal Richtung südliches
Ufer querte und dass die Maschine volle Kraft achteraus lief. Er sah ein
entgegenkommendes Schiff in einer Entfernung von 50-70 m Bug zu Bug. Kurz
danach, um 13.31 Uhr, geschah die Kollision bei Kanal-km 21,5 in der südlichen
Hälfte des Kanals. Hälfte des Kanals. Die UNO wurde an ihrer Steuerbordseite getroffen;
der Kollisionswinkel betrug ca. 90°. Im Moment der Kollision bewegte sich die UNO noch
vorwärts. Kurz nach der Kollision kamen die beiden Schiffe wieder frei voneinander.
Der Kapitän schickte den I. Offizier nach unten, um die Schäden zu inspizieren und
alle Mann an Deck zu holen. Er löste ebenfalls den Generalalarm aus. Der I. Offizier
berichtete ihm, dass das Schiff Wassereinbruch im Laderaum hatte und alle Mann an
Deck seien. Gemeinsam mit dem Lotsen beschloss der Kapitän zu versuchen, das Schiff
am südlichen Ufer auf Grund zu setzen. Die Maschine wurde auf volle Kraft voraus
gesetzt, und der Lotse steuerte das Schiff. Der Bug des Schiffes kam am südlichen
Ufer fest, der Rest des Schiffes blieb jedoch im freien Wasser. Um das Schiff am
Ufer festzuhalten, wurde die Maschine weiter auf volle Kraft voraus gehalten und das
Ruder hart nach Backbord gelegt. Kurz darauf wurde die Maschinenkraft reduziert
und schließlich auf Stopp gebracht.
Wegen des Wassereinbruchs begann die UNO,
nach Steuerbord zu krängen; die Krängung verstärkte sich ständig, bis das Wasser
die Lukenabdeckungen und die Unterkünfte erreicht hatte. Kurz darauf sank die UNO
auf Grund, und nur der Backbordbug ragte noch aus dem Wasser.
Dem Kapitän und dem Lotsen gelang es, aus dem Ruderhaus zu entkommen und ins
Wasser zu gelangen. Als sie im Wasser waren, überprüfte der Kapitän, ob alle
Besatzungsmitglieder entkommen waren. Mit Ausnahme des I. Ingenieurs sah er sie
alle. Er wurde in das Beiboot der DETTMER TANK aufgenommen und ans Ufer
gebracht, wo er jeden informierte, dass der I. Ingenieur fehlte.
Die anderen Besatzungsmitglieder hatten ihre Rettungswesten angelegt und waren
ins Wasser gesprungen. Einer wurde von einem Segelboot aufgenommen, die
Übrigen schwammen über eine Entfernung von 20 bis 25 m an Land.
Einige der Besatzungsmitglieder an Deck hatten den I. Ingenieur nach der Kollision
auf einem Poller sitzen sehen. Einer von ihnen fragte ihn, warum er seinen Rettungsanzug
nicht anhabe, woraufhin er ihm antwortete, er könne schwimmen und dass er da bleiben werde, wo er sei.“
2237 T. Schrott werden nach Aufrichten der UNO geborgen und auf Leichter umgeladen .
Obwohl das Schiff nach Auspumpen des Wassers mehrfach durchsucht wurde,
konnte der Maschinist erst nach dem Einschleppen in Brunsbüttel in einer Kammer
auf der Backbordseite gefunden werden. Der Untersuchungsbericht schließt mit der Feststellung,
daß die Ruderanlalge der UNO keine Fehler im Steuersystem zeigt.
Weiter: „Es gibt keine Beweise für elektromagnetische Störungen des Steuersystems aus der Umgebung.
Der I. Ingenieur der UNO kam ums Leben, weil er in einer Kajüte gefangen war, als das Schiff sank.
Kurz nach der Kollision wurde er an Deck gesehen, und es war nicht möglich, herauszufinden,
warum und wie er vom Deck in die Kajüte gelangte.“
Zwei kleine, wenn man so will, Mysteriösitäten ranken sich demnach um den, an sich unspektakulären Fall der UNO:
Was bewegte den Mann bei einem schnell kenternden und nach achtern wegsackenden Schiff noch mal ins Innere zu gehen,
wenn er schon an Deck war? Welche Kräfte bewegte das Ruder ohne menschliche Einwirkung 20 Grad nach Backbord?
Mit dieser kleinen Rätsel-Aufgabe wünsche ich allen ein geruhsames Wochenende.
Vielleicht kann der Schiffsunglücksthreat von Tim S etwas dazu sagen…?
Gruß,
Jan