Guten Abend miteinander!
Dies ist die Geschichte von der "RETHI MÜLLER", die am 5. November 1967 in Nordwales strandete, aber glücklich abgeborgen werden konnte.

Copyright: Tonya O´Donnell
Die "RETHI MÜLLER" war am 21.11.1961 bei D. W. Kremer Sohn in Elmshorn vom Stapel gelaufen. Sie trug das Unterscheidungssignal DNAA und den Heimathafen Hamburg. Die Bau-Nr. 1061 der Kremerwerft hatte 999 BRT/588 NRT bei einer Tragfähigkeit von 1.625 Tonnen. Das 2-Luken-Schiff, das kein Ladegeschirr besaß, hatte eine Länge von 68,47 m, war 11,04 m breit bei einem Tiefgang von 4,42 m. Die Luken hatten folgende Abmessungen: Luke 1 = 17,61 m x 6,80 m, Luke 2 = 16,22 m x 6,80 m. Die Diesel-Maschine mit 6 Zylinder 4 Takt hatte 1.000 PS. Die Dienstgeschwindigkeit betrug 11 kn, bei Indienststellung bestand die Gesamtbesatzung aus 15 Mann. An Bord war u. a. ein Grenzwellen-Sprechfunkgerät, ein Peilfunk-Gerät und ein Radargerät. Der Hamburger Reeder Otto A. Müller setzte das Schiff in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts insbesondere ein für den Transport von Kohle, Kies und Splitt.
Nordwales ist bekannt für seine großen Granit-, Basalt- und Schiefervorkommen. Der Granit-Steinbruch von Penmaenmawr liefert seit langer Zeit das Material. Zum Beispiel u. a. in Form von Split (engl. "chippings") für den Straßenbau. Die Schiffe wurden über die lange Verladepier des Hafens von Penmaenmawr (Conwy County Borough) beladen.
Die Pier wurde offenbar in der Zwischenzeit demontiert, da sie auf diesem GoogleEarth-Bild nicht mehr zu sehen ist:
http://maps.google.de/maps?f=q&source=s ... 7&t=h&z=15
Hier sehen wir die Verladepier von Penmaenmawr im November 1967.

Ganz hinten liegt das Küstenmotorschiff "ALCYONE". Möglicherweise ist einer von unseren Kümo-Experten in der Lage, das Schiff mit dem markanten "Versaufloch" am Vorschiff und der holzverkleideten Brücke genauer zu identifizieren und die Schiffsdaten angeben zu können. (Nachträgliche Anmerkung: Siehe weiter unten den Beitrag von Peter Schliefke mit dem Link zu den Daten der "ALCYONE".)

Aber zurück zu der Geschichte von der Strandung der "RETHI MÜLLER":
Der kleine deutsche Küstenfrachter "RETHI MÜLLER" der Hamburger Reederei Otto A. Müller sollte am Verladepier von Penmaenmawr im November 1967 insgesamt 1.500 Tonnen "Chippings", also Granitsplit mit einer Korngröße von 6 Millimeter, laden.
Das Schiff traf mittags am Sonnabend, den 4. November 1967 in Penmaenmawr ein und machte an der Westseite des Llandudno Quarry Pier fest. Die Verladepier hatte eine Länge von 184 Meter. Ladebeginn sollte am folgenden Sonntagmorgen sein, weil dann der Wasserstand ausreichend war. Das Wetter war sonnig, warm und ruhig. Doch so sollte es nicht bleiben.
Bis zum Sonntagmorgen hatte sich ein heftiger Sturm aus Nord mit Windstärke 9 bft entwickelt und trieb die See heftig an den Strand von Penmaenmawr. Warum Kapitän Franz Huntz mit seiner Mannschaft es nicht mehr schafften, die "RETHI MÜLLER" sicher hinaus auf die offene See zu bringen, ist unbekannt. Um 8 Uhr morgens schlugen schwere Brecher kräftig gegen der Rumpf des Frachters und es brachen eine 8 Zoll dicke Hanfleine und vier Drahtseile. Alle Anstrengungen, dass Schiff an der Pier zu halten, schlugen fehl. Die Mannschaft an Bord der "RETHI MÜLLER" schoss mehrere Raketen, an denen Nylon-Taue befestigt waren in Richtung Pier, damit sie dort an den Pollern befestigt werden konnten.
Das mißlang. Langsam aber sicher blies der Sturm das Schiff in Richtung Strand.
Während dieser Phase, es war jetzt 14 Uhr, erklomm der Bootsmann Hans Lucht (68) die Gangway zur Brücke. Da brach plötzlich ein weiteres Stahlseil, mit dem die "RETHI MÜLLER" noch an der Pier hing. Das zurückschnellende Seilende schlug zurück zur Brücke und traf den Bootsmann unterhalb der Knie und zerschmetterten einen Unterschenkel, der später amputiert werden musste. Mit einem herbei gerufenen Navy-Helikopter der Royal Airforce wurde der Schwerverletzte in einem halsbrecherischen Manöver von Bord der RETHI MÜLLER aus der Luft geborgen und in das Krankenhaus von Bangor gebracht, wo die walisischen Ärzte das Leben von Hans Lucht retten konnten.















Obwohl Kapitän Huntz die Anker ausgebracht hatte, warfen der Sturm und die hochgehende See die RETHI MÜLLER an den Strand, auf dem sie bei ablaufenden Hochwasser hoch und trocken liegen blieb. Das Schiff wurde Ausflugsziel für die Einwohnerschaft von Penmaenmawr. Ganze Schulklassen kamen und bestaunten den deutschen Frachter vor ihren Haustüren. Bis zum 18. November 1967 lag das Schiff auf dem Strand. Man hatte mit Bulldozern einen Kanal bis zum gestrandeten Schiff gegraben und es gelang schließlich, die "RETHI MÜLLER" bei Hochwasser in tieferes Wasser zu ziehen.
Hier endet meine Geschichte. Angaben dazu entnahm ich Berichten von Tonya O`Donnell, die die Erinnerungen ihrer Mutter aufschrieb. Weitere Informationen stammen von dem Steinbruch-Manager Mr. D. H. Jones, die ich einem Bericht von Emma Morgan entnahm, den sie auf ihrer Geschichts-Internetseite über Penmaenmawr veröffenlichte. Die vielen tollen Fotos stammen von Tonya O´Donnell, Emma Morgan und Matthew Taylor, die die Bildrechte besitzen und freundlicherweise ihre Veröffentlichungserlaubnis für meinen Beitrag im Forum-Schiff gegeben haben.
Merkwürdig ist, dass ich nichts über den weiteren Lebensweg der "RETHI MÜLLER" herausfinden konnte. Deshalb würde ich mich sehr freuen, wenn es zu der Strandung und die Zeit danach noch weitere Informationen gäbe, die diesem Beitrag hinzugefügt werden können. Dafür schon herzlichen Dank im voraus.
Die Hamburger Reederei Otto A. Müller, ehemaliger Eigner der "RETHI MÜLLER", hat ein umfangreiches historisches Kapitel auf ihre Homepage gestellt: http://www.oam.de/founding.html
Die Strandung der "RETHI MÜLLER" wird darin nicht erwähnt.
Vielleicht haben ja Dierk Bauer oder André Konietzko noch einige Ergänzungen zu diesem Beitrag.
English short version: The "Rethi Muller" was a 1.000 ton German ship. On the morning of 5th November 1967 she was driven ashore in a storm at Penmaenmawr (North-Wales) beach. Credits and many thanks to Tonya O´Donnell, Emma Morgan and Matthew Taylor. Links: http://www.tonya.me.uk/Marine/shipwreck ... wales1.asp - http://www.penmaenmawr.com/historyShipping.html - http://www.flickr.com/photos/vteclimey/ ... 673354183/
mfg Peter Hartung