"Nehmen Sie nur den Seemann", sagte er. "Er heuert auf einem neuen Schiff an. Er ist umgeben von lauter Fremden. Sie stammen nicht nur aus anderen Städten und Landesteilen, häufig auch aus ganz anderen Nationen. Aber er muss lernen, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Seine Sprache passt sich an, er lernt nicht nur neue Wörter und andere Grammatiken, er macht auch die Bekanntschaft mit ganz anderen Denkweisen. Er wird eine andere Art von Mensch als derjenige, der sein Leben lang in derselben Ackerfurche pflügt. Und solche Menschen braucht die Welt."

Photo von der Mannschaft der Viermast-Bark "EDMUND" der Hamburger Segelschiffreederei Siemers. Aus dem Album von Johannes Richters/Norbert Röth.
"Ich bin Seemann", antwortete ich. "Ja sicher. Aber warum sind Sie Seemann? Es war ja wohl kaum Gott, der auf Sie deutete und Ihnen befahl, zur See zu gehen? Sie werden es doch selbst so entschieden haben?" Ich schüttelte den Kopf. "Mein Vater war Seemann. Meine beiden Brüder sind Seeleute. Meine Schwester ist mit einem Seemann verheiratet. All meine Schulkameraden sind zur See gegangen." "War Ihnen die Ostsee nicht groß genug? Den meisten reicht sie doch eigentlich. Wieso der Stille Ozean? Was glauben Sie hier zu finden?"

Mannschaftsmitglieder der Viermast-Bark "EDMUND" der Hamburger Segelschiffreederei Siemers. Aus dem Album von Johannes Richters/Norbert Röth.
"Sieh mal, da liegt ein Dampfer. Wenn du Seemann wirst, dann fährst du bestimmt auf einem Dampfer." "Können Dampfer nicht sinken?", fragte der Junge. Albert schaute auf den schwarz bemalten Rumpf des Schiffs. ERINDRING stand in weißen Buchstaben auf dem Steven. "Doch", sagte er, "das können sie schon." Er hatte die ERINDRING in einem seiner Träume untergehen sehen. "In einem Dampfer brennt ganz unten immer ein Feuer; das ist so heiß wie eine Waschküche, wenn der Kessel angefeuert ist. Dort füttern Männer das Feuer, Tag und Nacht. Die sehen niemals die Sonne oder den Mond. Sie kommen nur herauf, um zu essen oder zu schlafen."

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"Deutschland hatte den totalen Seekrieg erklärt. In den vorausgegangenen Jahren verlor Marstal sechs Schiffe, nun waren es innerhalb eines Jahres sechzehn. Allein im April wurden sechs Schiffe versenkt. Im Monat darauf waren es vier. Die Überlebenden kehrten heim, gezeichnet von ihren Erlebnissen, nicht bereit, bei einem zufälligen Trinkgelage im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen."

Kriegsweihnacht 1917 an Bord des Linienschiffes SMS "RHEINLAND". Auf der Rückseite des Photos ist folgendes zu lesen: "Zur Erinnerung an unsere Weihnachtsfeier 1917 auf SMS "RHEINLAND". Dein Bruder Johannes." Das Kriegsschiff war an der Skagerakschlacht vom 31. Mai 1916 bis zum 1. Juni 1916 beteiligt und versenkte gemeinsam mit anderen deutschen Kriegsschiffen die britischen Zerstörer HMS "Tipperary", HMS "Ardent" und HMS "Fortune". An Bord der "Rheinland" gab es nach gegnerischen Treffern 10 Tote und mehrere Verletzte. Aus dem Album von Johannes Richters/Norbert Röth.
mfg Peter Hartung
Die Bilderstrecke wird fortgesetzt mit alten Fotos von Seeleuten, unterlegt mit Zitaten aus dem Roman "Wir Ertrunkenen" von Carsten Jensen, Kopenhagen 2006.