Ulsan Express, 16.02. – 22.02.2017, Teil VIII
Dienstag 21.02.2017 Teil II und Mittwoch 22.02.2017
Auf der Brücke werden gerade die Seekarten für die weitere Reise der Ulsan Express bereitgelegt und sortiert.
Die Karten für den Weg bis zum Noordzee-Terminal Antwerpen liegen bereits oben auf dem Kartentisch bereit. Die aktuelle Wetterprognose ist gerade an Bord eingetroffen. Es sollen 6-7 Windstärken werden.
Das verspricht eine interessante Revierfahrt auf der Schelde und ein spannendes Anlegemanöver zu werden.
Obendrein hatte mich der Schiffs-Elektrotechniker noch zur Besichtigung „seines Reiches„ für heute nach dem Abendessen eingeladen.
Also beschließe ich schon jetzt mein Gepäck weitestmöglich zu packen, denn morgen soll es schon bald nach dem Frühstück von Bord gehen.
Beim Abendessen fragt mich der Chiefmate wann morgen mein Flug geht und ob er mir, über den Agenten, ein Taxi organisieren soll.
Dankend nehme ich dieses Angebot an.
Nun kommt auch schon einer der beiden Auszubildenden um mich zur Besichtigung der Elektrozentrale im Maschinenraum abzuholen.
Inzwischen ist der Anker aufgenommen worden und wir sind auf dem Weg in Richtung der Scheldemündung. Während der dann folgenden Revierfahrt werden der Chief und der Schiffs-Elektrotechniker ohnehin im Maschinen-Kontrollraum anwesend sein.
Als wir dort angekommen sind, stehen Chief und SET vor den Kontrollmonitoren und sind ins Gespräch vertieft. Der Azubi bittet mich kurz zu warten, er will erstmal abklären ob wir da jetzt schon „stören“ können.
Es gibt ein Problem mit den Werten eines Zylinders der Hauptmaschine welches erstmal gelöst werden muss.
Also führt der Azubi mich zunächst in den Maschinenraum um mir den Wellengenerator zu zeigen. Dieser leistet 4.500 KW und ist das „Hauptkraftwerk“ des Schiffes, liefert allerdings nur Strom wenn die Hauptmaschine in Betrieb ist.
Weiter geht es zur Besichtigung der vier weiteren Generatoren die sich, jeweils paarweise angeordnet, rechts und links der Hauptmaschine befinden. Diese liefern zusätzlich noch eine Gesamtleistung von guten 13.000 KW.
Als wir wieder zurück im Maschinenkontrollraum angekommen sind, ist das Problem mit den angezeigten Werten des Zylinders behoben und der Schiffs-Elektrotechniker bittet zum Rundgang durch sein Reich.
Dieses befindet sich unmittelbar vor dem Maschinenkontrollraum und hat beeindruckende Ausmaße.
Zunächst zeigt er mir den Hochspannungsraum. Natürlich nur von außen durch die Verglasung der Tür. Für diese Tür hat nur der STE selbst einen Schlüssel. Es hätte wohl fatale Folgen (für die Gesundheit und für das Schiff) wenn in diesem Raum jemand unbedarftes tätig werden würde.
Insgesamt hat die Ulsan Express drei unterschiedliche Spannungssysteme an Bord. Für jeden Spannungskreis gibt es eine separate Ringleitung über das gesamte Schiff. So kann, im Schadens- oder Pannenfall, leichter und einfacher repariert werden, weil man die Schadensstelle relativ einfach freischalten kann und nicht große Bereiche des Schiffes hierfür stromlos machen muss.
Der Schiffs-Elektrotechniker ist unwahrscheinlich gut und geduldig wenn es darum geht komplexe Sachverhalte, auch für einen Laien wie mich, verständlich zu erklären.
Erstmalig bekomme ich, für mich verständlich und nachvollziehbar, erklärt wie bei auftretenden extremen Lastspitzen (wie z.B. dem Einschalten der Bugstrahrudern) die benötigte Leistung in Sekundenbruchteilen zur Verfügung gestellt werden kann, ohne das es einen Blackout gibt.
Augenzwinkernd bekomme ich hierzu noch berichtet, dass dieses u.a. ein Grund dafür sei, dass der SET auf Manöverfahrt hier unten vor Ort sei.
Danach folgt noch ein Rundgang durch die endlosen Reihen der Schaltschränke.
Die zwei Stunden sie wir nun schon hier unten sind, sind wie im Fluge vergangen und ich freue mich sehr über diese hoch interessante Führung.
Nun geht es für mich hinauf auf die Brücke. Die beiden Lotsen sind schon an Bord.
Inzwischen ist es stockdunkel, es regnet und der Wind hat stark aufgefrischt. Wir befinden uns bereits auf der Schelde und die riesigen Chemieanlagen von Vlissingen und Terneuzen leuchten am Ufer.
Einer der Lotsen gibt fortlaufend die Ruderkommandos an den Rudergänger. Obendrein wird die Fahrgeschwindigkeit häufig angepasst, z.B. wenn es darum geht den Wellenschlag an den Chemieanlagen zu minimieren. Ich beobachte fasziniert dieses Treiben und denke bei mir, dass die Anfahrt nach Hamburg (die Elbe hoch) wahrscheinlich deutlich weniger anspruchsvoll sein muss als die Revierfahrt hier auf der Schelde.
Als hätte der Kapitän meine Gedanken gelesen, spricht er mich an und fragt mich ob ich schon mal mit nach Antwerpen eingelaufen wäre.
Als ich dieses verneine, bittet er mich an den Kartentisch, macht dort Licht und erklärt mir ausführlich die Besonderheiten und „kniffeligen Stellen“ dieser Revierfahrt.
Der Lotse bittet den Kapitän zum Gespräch um abzustimmen wie das Anlegemanöver vollzogen wird und wieviele Schlepper hierfür bestellt werden sollen. Der Wind soll noch weiter zunehmen und obendrein rechtwinklig auf die Kaimauer stehen. Nach einem längeren Gespräch, verständigt man sich darauf, dass drei Schlepper bestellt werden sollen.
Die Revierfahrt gestaltet sich höchst interessant für mich, auch weil Kapitän und Lotse mich fortlaufend mit Infos zu Besonderheiten des Reviers und interessanten Bauwerken am Ufer füttern.
Als wir am Noordzee-Terminal angekommen sind, werden alle drei Schlepper angespannt und sind gewaltig am Arbeiten, damit uns der Wind nicht zu schnell gegen die Kaimauer drückt.
Nach dem gelungenen Anlegemanöver, es ist bereits weit nach Mitternacht, begebe ich mich auf meine Kammer und falle augenblicklich in einen tiefen Schlaf.
Ich schaffe es vor dem Frühstück noch einige Fotos des Doppelspreaders zu schießen, der gerade vor der Accomondation am Arbeiten ist.
Das Frühstück nehme ich gemeinsam mit Kapitän, Chiefmate und zweitem Offizier in der Offiziersmesse zu mir. Somit habe ich dann die Möglichkeit mich noch ausdrücklich für die tolle Reise und die unglaublichen Freiheiten die mir hier an Bord gewährt wurden, zu bedanken.
Dann geht es auch schon an die Gangway, ein Shuttlebus wird gerufen und es geht ab ans Gatehouse wo das, vom Agenten organisierte, Taxi dann schon auf mich warten soll.
Dort angekommen wartet kein Taxi auf mich. Auch nach einer halben Stunde des Wartens ist noch kein Taxi gekommen.
Langsam wird es echt eng den Flieger noch zu bekommen. Nach telefonischer Rücksprache mit dem Schiff, bestelle ich mir selbst ein Taxi.
Dieses braucht dann allerdings noch fast 40 Minuten um am Noordzee-Terminal anzukommen.
Der Taxifahrer gibt alles um, unter Missachtung jeglicher Geschwindigkeitsbegrenzungen und Verkehrsvorschriften, noch rechtzeitig am Flughafen zu sein.
Gottseidank habe ich nur Handgepäck dabei (mein großes Gepäck habe ich an Bord gelassen und werde dieses dann in Hamburg von Bord holen). Somit kann ich „im Schweinsgalopp“ durch das Terminal des Antwerpener Flughafens rennen.
Ich schaffe es gerade noch so eben, vor dem Schließen des Gates, an Bord zu kommen. Unmittelbar hinter mir wird die Tür des Flugzeuges geschlossen und es geht zurück nach Hamburg.
Auch an dieser Stelle meinen herzlichsten Dank an alle Beteiligten die mir diese unvergesslichen Tage an Bord ermöglicht haben.
Danke für Unmengen an Informationen, für Gastfreundschaft im wahrsten Sinne des Wortes und für die großen Freiheiten die ich an Bord genießen durfte.
Ich habe viel gelernt und fasziniert zugeschaut wie auf der Ulsan Express miteinander umgegangen, ausgebildet und geführt wird.
Die Art und Weise wie die Azubis und jungen Offiziere dort lernen ist äußerst beeindruckend.