Tag 5, 27.12. , Teil 1
Noch ziemlich schlaftrunken begebe ich mich gegen 0:45 auf die Brücke.
Eine absolut faszinierende Stimmung empfängt mich. Außer der gedimmten Leuchte über dem Navigationstisch spenden nur die Bildschirme von Radar, elektronischer Seekarte und der Hauptmaschinenüberwachung ein wenig Licht. Draußen funkeln tausende von Sternen über den, nur schemenhaft erkennbaren, Schären.
Die, an dieser Stelle weiß blitzenden, Fahrwassertonnen markieren die Route zur Lotsenstation von Hamina/Kotka. Am Horizont kann man schon schwach den Lichtschein des Hafens von Kotka erkennen.
Nachdem meine Augen sich an die Lichtverhältnisse gewöhnt haben, lasse diese einmalige Stimmung auf mich wirken und erschrecke ziemlich als der 2. Offizier mir einen Kaffee anbietet. Mit einem dampfenden Kaffee in der Hand ziehe ich mich nun erstmal auf das „Gästesofa“ an der Backbordnock zurück.
Wenig später kommt der Lotse an Bord welcher nun, gemeinsam mit dem Captain, die Revierfahrt durch den Schärengürtel nach Hamina übernehmen wird.
Die Elektronische Seekarte hatte am Vorabend nicht zu viel versprochen. Hunderte von kleinen und kleinsten Schäreninseln, meist bewaldet, teilweise aber auch nur nackter Granit.
Ein verwinkeltes und teils sehr enges Fahrwasser welches in einem wilden „Zickzackmuster“ zwischen den Inseln hindurch führt. Der Lotse entscheidet sich für die östliche Route nach Hamina.
Als ich mir diese Route auf dem Navigationstisch anschaue, staune ich nicht schlecht. An einer Stelle der Route sind dort nur 2,6 m Wassertiefe eingezeichnet. Viel zu wenig für die Ceres mit Ihren, aktuell, 8,7 m Tiefgang. Aber was mache ich mir, als Landratte, Gedanken um Dinge von denen ich keine Ahnung habe. Captain und Lotse werden schon wissen was sie tun.
Wir nähern uns mit 10 Knoten Geschwindigkeit der, vermeintlichen, Untiefe und ich schaue gespannt auf das Echolot. An der flachsten Stelle sind es dann aber immer noch mehr als 5 m Wasser unterm Kiel. Also müssen die Finnen diese Stelle ausgebaggert haben um noch eine zweite Anfahrtsroute für größere Schiffe nach Hamina zu bekommen.
Direkt danach schaltet der Lotse den Autopiloten ab und bittet den Captain die Handsteuerung zu übernehmen.
Im ca. Minutentakt sagt der Lotse nun laut und deutlich den neuen Kurs an. Die Ansage wird vom Captain wiederholt an dann am Steuer umgesetzt. Meist handelt es sich lediglich um Kursänderungen von nur einem °. Das Fahrwasser ist hier extrem eng. Nach dieser kniffeligen Stelle wird wieder auf Autopiloten umgeschaltet und die Lichter des Hafens von Hamina liegen vor uns. Nach einem perfekten Anlegemanöver ist die Ceres nun, gegen 3:30, festgemacht und die Hauptmaschine wird abgestellt. Der Captain geht von ca. 5-6 Std. Liegezeit in Hamina aus.
Nun verziehe mich in meine Kammer und falle augenblicklich in einen sehr tiefen Schlaf. Ich bekomme es nicht Mal mit, als gegen 6:00 mit den Entladearbeiten der Containerreihe unmittelbar vor meinem Kammerfenster begonnen wird.
Gegen 8:00 steht mein Sohn lachend vor meine Koje:
„Eh Papa, wenn Du noch etwas zum Frühstück haben willst musst Du jetzt langsam mal aufstehen. Ich war übrigens schon unterwegs und habe Fotos der Entladearbeiten gemacht.
„Draußen ist der herrlichste Sonnenschein, also hoch mit Dir jetzt“.
Eigentlich könnte ich gut noch einige Stunden schlafen, aber die morgendlichen Eier-Variationen des Cookies möchte ich mir auch nicht entgehen lassen.
Also machen wir uns auf den Weg in die Offiziers-Messe.
Verschlafen nehme ich am Tisch Platz. Heute gibt es Rührei und dazu eine Bratwurst, Thüringer Art. Eine außergewöhnliche Kombination, aber äußerst lecker.
Dann kommt der Cookie mit einer halbierten Pampelmuse für jeden. Als ich die Pampelmusenhälfte näher in Augenschein nehme, werden Kindheitserinnerungen wach. Meine Großmutter hatte die Pampelmusen für die Enkel immer ebenso vorbereitet wie sie nun heute Morgen vor mir steht: Das Fruchtfleisch ist mit einem Messer sorgfältig aus der Schale gelöst und dann senkrecht in Form von Tortenstücken eingeschnitten. So muss selbst jetzt nur noch mit einem Teelöffel die einzelnen Stücke aus der Schale heben und sie dann essen. Ich freue mich über diesen außergewöhnlichen Service und frage mich wann der Cookie heute Morgen wohl mit den Arbeiten in der Galley begonnen hat, wenn er zusätzlich zu den normalen Tätigkeiten auch noch die Pampelmusen für die insgesamt 18 Personen an Bord so vorbereitet hat.
Wir nutzen die wenigen Tageslichtstunden um einige Impressionen des Hafenlebens in Hamina einzufangen:
Der Philippinische Bootsmann unternimmt eine Vordecksführung mit uns, erläutert den Ablauf der Stau- und Lascharbeiten und zeigt uns die riesigen Laderäume
die Manöverstationen auf der Back mit den Festmacher- sowie Ankerwischen, sowie den Farbstore und den Bugstrahlruder-Raum unterhalb der Back.
Die Ladearbeiten verlaufen nur schleppend. Es macht den Anschein als wenn in Hamina andere Arbeitsbedingungen für die Stevedores herrschen. Spätestens alle 2 Std wird eine größere Pause eingelegt und die Ladearbeiten kommen während dieser Pausenzeiten vollständig zum Erliegen. Selbst der Fahrer der Gantry verlässt seine Führerkanzel in luftiger Höhe, steigt zu Boden herab und wird, nach der Pause, durch einen anderen Kranführer ersetzt.
Vor allem beim Verladen der Oversize-Container
– wir sollen 10 Flat-Racks mit Maschinenbauteilen, es schaut nach Kraftwerksteilen aus, an Bord bekommen- zeigt sich wie sorgfältig die finnischen Hafenarbeiter mit diesen überbreiten und teils zusätzlich überhohen Containern umgehen. Unser Laderaum 3 gleicht inzwischen eher einem Projektcargo-Schiff als einem Container-Feeder. Allen Ladebemühungen zum Trotz verbleiben schlussendlich dann doch 2 Oversize-Container an der Pier von Hamina, als wir dann gegen 14:30 endlich auslaufen.
Aus geplanten 5-6 Std. Liegezeit in Hamina sind nun 11 Stunden geworden. Nach der Verzögerung vor Bremerhaven und dem schlechten Wetter zwischen Gotland und dem Gulf of Finland, haben wir inzwischen mehr als anderthalb Tage Verspätung gegenüber dem Fahrplan des Charterers.
Der Captain zeigt sich ein wenig besorgt wegen der angekündigten 9 Bft Windstärken für unserem Weg nach Helsinki.
Das „Rückwärts-Ausparken“ aus dem Hafen von Hamina

erledigt der Captain ebenso souverän wie schon das Anlegemanöver erfolgt ist.
Für mich bleibt es, wieder und wieder, faszinierend wie man einen derart großes Schiff so spielerisch und präzise manövrieren kann.
Forts. folgt