Ulsan Express 16.02.2017-22.02.2017

muschelschubser
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Ulsan Express, 16.02. – 22.02.2017, Teil IV

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Ulsan Express, 16.02. – 22.02.2017, Teil IV

Sonntag 19.02.20172, Teil 1


Noch vor dem Morgengrauen geht es für mich auf die Brücke.

Oben angekommen werde ich vom, etwas verwundert dreinschauenden, wachhabenden Offizier begrüsst und sofort mit einen leckeren Kaffee versorgt.
Zu dieser Uhrzeit hätte er mich hier oben nicht erwartet. Aber es wären gerade News bzgl. der weiteren Reiseplanung gekommen.

Bereits gestern gab es erste Meldungen, dass die Ulsan Express wohl nicht direkt nach Antwerpen einlaufen soll. Dieses ist heute Nacht bestätigt worden. Unser Liegeplatz in Antwerpen ist noch nicht frei. Somit soll die Ulsan Express nun erstmal auf der Westhinder Anchorage (Außenrede Antwerpen) vor Anker gehen.

Auf meine Frage hin wie lange wir bis dorthin noch brauchen würden, werde ich an die Navigationsbildschirme gebeten.
Dort bekomme ich, äußerst detailliert, die Reiseroute zur Westhinder Anchorage erklärt.
Weiterhin bekomme ich dort sehr interessante Informationen zu dem Verkehrstrennungsgebiet in dem wir uns gerade befinden. Auf dem Radarbildschirm zeigt mir der wachhabende Offizier die Radarechos diverser Fischer, die heute gerade hier fischen und sich nicht sonderlich um die hier geltenden Regeln kümmern.


Wieder einmal bin ich sehr begeistert mit welchem Zeitaufwand und welcher Mühe man hier meine Fragen beantwortet und mich mit Informationen zum Schiff und zu „seamans life“ füttert.

Wir „quatschen und fest“, inzwischen dämmert draußen der Morgen und es wird Zeit zum Frühstück zu gehen.


Dort treffe ich den Kapitän. Ich ergreife die Chance Ihn auf die missliche Situation gestern, beim Auslaufen, auf der Brücke – als der Lotse mich zum Fotografieren auf der Brückennock aufgefordert hatte- anzusprechen.
Der Kapitän schaut mich etwas erstaunt an. „Nein, es war völlig OK, dass sie auf die Nock gekommen sind. Das hat nicht gestört. Ansonsten hätte ich Ihnen das unmissverständlich mitgeteilt“

Einer der Auszubilden gesellt sich zu uns und wir sprechen beim Frühstück über das bevorstehende Ankermanöver und das ich dieses gerne fotografieren würde.
Der Azubi erklärt sich bereit mich hierzu zu begleiten und mir die Abläufe dort zu erläutern.


Also rein in die warmen Klamotten und auf geht’s zur Back.
Hier bekomme ich die Funktion der Festmacher- und Ankerwinden sowie der Windensteuerstände erläutert.

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Ich werde schmunzelnd gefragt ob ich nicht auch Fotos vom Vormast aus machen wolle. Schließlich hätte man dort einen wundervollen Blick auf die Accommondation und die Brücke.
Beim Blick auf den hohen Vormast und die Leiter die dort hinaufführt, verlässt mich dann doch die Motivation – und auch der Mut- dort hinaufzusteigen.

Dem Azubi sei Dank, entstehen dann von dort aus, die folgenden Bilder.
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Beste Grüße
vom Muschelschubser
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Ulsan Express 16.02.2017-22.02.2017, Teil V

Beitrag von muschelschubser »

Ulsan Express, 16.02. – 22.02.2017, Teil V

Sonntag 19.02.20172, Teil 2


Bei einem zwischenzeitlichen Aufklaren, lässt sich erkennen, dass die Außenreede Antwerpen recht gut gefüllt ist.

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Beim „Klönschnack“ auf der Back, werde ich schon mal mit den technischen Daten zum Ankerequipment „gefüttert“

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Alleine der Anker der Ulsan Express wiegt gute 18 Tonnen, bei einer Breite des Ankers von ca. 3,5 Metern und einer Höhe von 6 Metern.
So schaut der Anker, von unten betrachtet, in „Transportstellung“, aus

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Dazu kommen dann noch 14 Schäkel (ca. 400m) Ankerkette.

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Die Ankerkette hat einen Rundstahldurchmesser von 122 mm. Jedes einzelne Kettenglied hat ein Länge von guten 70 cm und ein Gewicht von ca. 200 Kg. Somit ergibt sich ein Gesamtgewicht des Ankergeschirrs von guten 150 Tonnen.
Das Ganze ist dann an Bord zweimal (Steuerbord und Backbord) vorhanden.

Über Funk meldet sich der Kapitän, dass er nun das Ankermavöver beginnen möchte.

Nachdem die ersten Kettenlängen abgelassen sind

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das Ganze ist eine äußerst laute und staubige Angelegenheit,
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prüft der Bosun (Bootsmann) die Lage der Ankerkette zur Schiffslängsachse um dieses dann, per Funk, auf die Brücke durchzugeben.
Durch die Lage der Ankerklüse ist es auf dieser Schiffsklasse mit einigen „Turnübungen“ verbunden die Ankerkette –im Bereich der Wasseroberfläche- überhaupt von der Back aus sehen zu können
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Blick von unten, zur Verdeutlichung der Lage von Ankerklüse und Back
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Nach und nach wird dann jeweils eine weitere Kettenlänge (Schäkel) abgelassen.

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Nach einiger Zeit des Wartens ob der Anker „hält“, kommt von der Brücke das Kommando den Anker wieder aufzuholen.
Langsam aber sicher wird mir das dann doch zu kalt hier vorne auf der Back und ich beschließe dann die warme Accommondation aufzusuchen. Auf dem Weg zum Deckshaus erzählt mir der Auszubildende, dass wohl gleich ein erneuter Ankerversuch gestartet werden würde. Wenn ich Lust hätte, sollte ich mir das dann doch, von der Brücke aus ansehen, dann würde sich mir auch der Sinn der soeben, auf der Back, erlebten Arbeitsabläufe besser erschließen.

Also: Sechs Stockwerke im Treppenhaus nach oben, raus aus den Winterklamotten und dann noch zwei Stockwerke nach oben auf die Brücke.

Hier begrüßt mich der Kapitän mit den Worten : „Habe ich das richtig gesehen, waren sie vorhin sogar im Vormast um zu fotografieren ?“ Als ich Ihm entgegne, dass ich angesichts der Leiter und der Masthöhe dann doch Muffensausen bekommen habe und der Azubi das übernommen hat, müssen wir beiden dann doch lachen.

Der Kapitän erzählt mir, dass beim ersten Versuch der Anker nicht gehalten hat.

Nun bekomme ich das, gerade ablaufende, zweite Ankermanöver aus Sicht der Brücke erläutert. Es gibt eine Digitalanzeige die nicht nur die Schiffsgeschwindigkeit, über Grund, angibt, sondern auch noch die Schiffsgeschwindigkeit quer zur Fahrtrichtung, jeweils am Bug und am Heck anzeigt.

Anhand der Daten vom Digitalpanel und der, vom Bootsmann, per Funk durchgegebenen Meldungen zu Winkel und ° der Ankerkette, lässt sich so ein guter Rückschluss darauf ziehen ob der Anker hält und ob ggf. noch weitere Ankerkette rausgelassen werden muss.

Nachdem ich mich für diese, äußerst interessanten, Erläuterungen bedankt habe, werde ich vom Kapitän gefragt ob ich denn die heute stattfindende „Kirche“ um ca. 12:00 an der Bar, im Hinterkopf hätte.
Ich hatte schon einiges über dieses „Sonntagstermin“ an Bord von Hapag-Lloyd-Schiffen gehört und freue mich sehr darauf, dieses nun selbst miterleben zu dürfen.

Also geht es für mich runter an die Bar, wo sich schon der größte Teil der Besatzung eingefunden hat. Wenig später kommt auch der Kapitän dazu und es entwickelt sich ein lebhafter Klönschnack über die Dinge die in der vergangenen Woche geschehen sind und das was in den nächsten Tagen so ansteht. Aktuell gehen alle davon aus, dass wir nur kurz vor Anker liegen werden und dann Nach Antwerpen einlaufen werden sobald der Liegeplatz frei ist.

Die „Kirche“ ist also ein, völlig informelles, Zusammenkommen, Sonntags an der Bar, kurz vor dem Mittagessen. Natürlich gibt es auch einen frischgezapften Gerstensaft dazu.

Die Stimmung hier an Bord ist, trotzdem alle schon seit mind. ca. 3 Monaten an Bord sind, ausgezeichnet gut. Man merkt sehr schnell, dass hier eine Crew an Bord ist die sich respektiert und gleichzeitig gut versteht. Ich selbst profitiere sehr davon. Egal wen ich an Bord mit meinen Fragen löchere, jeder nimmt sich viel Zeit um mir diese zu beantworten und füttert mich dann meist noch mit interessanten Zusatzinformationen.


Nach dem Mittagessen begebe ich mich auf meine Kammer, sortiere die Fotos und schreibe etwas am Reisebericht weiter. Die letzten Tage waren derart vollgestopft mit Eindrücken und Erlebnissen, dass ich mir heute mal einen ausgiebigen Mittagsschlaf gönne.


Zum Abendessen geht es wieder hinunter in die Offiziersmesse. Soeben ist die Information an Bord eingetroffen, dass wir nun doch noch länger auf Reede liegenbleiben sollen. Ein Schwesterschiff ist auf dem Weg nach Asien und soll in Antwerpen auf den, für uns reservierten, Liegeplatz gehen. Die Ulsan Express soll dann erst nach Antwerpen einlaufen, wenn das Schwesterschiff dort abgefertigt worden ist. Diese Info sorgt dann doch für einige „lange Gesichter“. Hamburg ist für die meisten Offiziere das Ende dieser Reise. Teilweise hat man schon die Heim- bzw. Urlaubflüge gebucht und man ist, schon heute, um einige Tage hinter dem geplanten Fahrplan zurück.


Am Abend schauen wir in der Lounge der Offiziersmesse,

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gemeinsam einen Film. Ich verabschiede mich dann recht früh und freue mich auf eine Nacht mit viel Schlaf.
Beste Grüße
vom Muschelschubser
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Ulsan Express, 16.02. – 22.02.2017, Teil VI

Beitrag von muschelschubser »

Ulsan Express, 16.02. – 22.02.2017, Teil VI

Montag 20.02.2017

Morgens beim Frühstück erfahre ich, dass „unser“ Liegeplatz in Antwerpen immer noch frei ist und dass unser Schwesterschiff wohl erst in ca. einer Stunde dort festmachen würde. Alle gehen davon aus, dass wir, wenn wir gestern nach Antwerpen durchgefahren wären, jetzt schon mit den Ladearbeiten fertig und schon wieder unterwegs gen Hamburg wären. Dementsprechend gedrückt ist die Stimmung.

Ich fühle mich ganz stark an viele Situation erinnert die ich an Land erlebte. Immer dann, wenn Planungen zu Arbeits- oder Fertigungsabläufen nicht vor Ort, sondern an einer zentralen Stelle gemacht werden, sorgen diese Planungen doch oft für Unverständnis / Verwunderung bei den Menschen die diese Planungen dann umsetzen sollen ;-)

Die Kommunikationskultur hier an Bord ist so „offen“, dass ich mich dann doch traue von meinen diesbezüglichen Erlebnissen „im Landjob“ zu berichten. Ich habe in meinem Berufsleben beide Seiten der Medaille intensiv erleben dürfen und hoffe somit weiterhin einen unverstellten Blick auf beide Sichtweisen einer Aufgabe zu haben.
Es entspinnt sich ein langer und intensiver Meinungsaustausch zu diesem Thema.


Draußen klart sich der Dunst ein wenig auf

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und ich beschließe mich mit der Kamera zu bewaffnen und an Deck zu gehen.

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Die Außenreede von Antwerpen ist voll mit Schiffen, egal in welche Himmelsrichtung man blickt.

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Bauteile für die chemische Industrie an der Schelde
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Die Bay direkt vor der Accommondation ist für 45-Fuß-Container vorgesehen. Von dieser Containersorte sind allerdings nur einige wenige an Bord, also hat man diese hier dann auch oben auf 40-füßern gestaut.
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Beim Mittagessen gibt es die neuesten „Gerüchte“ zum weiteren Fahrplan

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und die Info vom Kapitän, dass das Abendessen heute ausfällt und stattdessen ein kleines Barbecue veranstaltet wird. Der Kapitän hat hierfür noch Salzbrenner Currywürdet in der Kühllast „gebunkert“.

Ich kann mein Glück kaum fassen: Die m.E, leckersten Currywürste der Welt, aus meiner Heimatstadt, auf einem Schiff was gerade erst aus Asien zurück ist.

Auf meine Frage hin, ob ich dann für heute Abend ein Fass Bier ausgeben dürfe, bekomme ich zu hören, dass dieses absolut nicht notwendig sei und ohnehin jemand anderes damit „dran wäre“ das nächste Fass Bier auszugeben. Nach einer äußerst humorvollen Diskussion zu diesem Thema wird meinem Wunsch stattgegeben. Augenzwinkern bekomme ich dann zu hören, dass ich dann auch dafür verantwortlich wäre „das Fass dann auch rechtzeitig aus dem Keller zu holen und anzuschließen“. Irgendwie fühle ich mich gerade, wohl nicht ganz zu Unrecht, mächtig „auf den Arm genommen“. Einer der Azubis erklärt sich dann, grinsend, dazu bereit mir beim finden des „Bierlagerkellers“ und dem Anschließen des Fasses behilflich zu sein.

Den Nachmittag verbringe ich damit, mir meine Rückreisemöglichkeiten, von Antwerpen aus, herauszusuchen. Meine ursprüngliche Planung, bis Hamburg mitzufahren, ist durch die Fahrplanänderung hinfällig. Leider habe ich am 24.02. daheim einen Termin der sich nicht verlegen lässt. Gottseidank liegt die Reede so in Landnähe, dass es eine schwache Mobilfunk-Internetverbindung gibt.

Eine halbe Stunde vor Barbecuebeginn gehe ich hinunter in die Offiziersmesse. In der Küche sind die beiden Azubis gerade dabei eine Currysauce nach dem „Spezialrezept“ des Kapitäns zuzubereiten. Salate werden angerichtet und Brot wird gebackten.


Draußen

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ist schon der Grill angeheizt. Durch den, inzwischen stark aufgefrischten, Wind könnte man auf dieser Glut wahrscheinlich auch Stahl zum Schmieden erhitzen.

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Wir gehen das Bierfass holen und schließen dieses an die Zapfanlage an.


Nach und nach füllt sich die Bar
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und die Auszubildenden beginnen mit dem Grillen. Sehr zu meinem Erstaunen schaffen sie es, auf dieser Höllenglut, tatsächlich punktgenau gegrillte Currywürste zuzubereiten. Die Currysauce schmeckt sensationell gut zu den Salzbrenner Würstchen.

Es wird ein langer, sehr interessanter und lustiger Abend an der Bar. Man führt intensive Gespräche zum Thema Teilchen- und Quantenphysik. Ich staune welch immensens Wissen zu diesen , für mich völlig abstrakten, Themen hier an der Bar versammelt ist. Bei einer Zigarettenpause auf dem Freideck frage ich den Chief ob es hier an Bord öfter Diskussionen zu solch komplexen Themen geben würde und erfahre, dass dieses ein Themenbereich wäre der mehrere Besatzungsmitglieder interessiert und man sich auf dieser Reise schon öfter damit beschäftigt hätte.

Ich staune ehrlich, dass sich hochspezialisierte Akademiker, dann nebenher auch noch mit völlig Seefahrts-untypischen Fachbereichen beschäftigen.
Zurück an der Bar, beisst sich die Diskussion am Thema „Ist Wissen Energie ?“ fest. Das ist dann der Punkt wo ich innerlich aus der Diskussion aussteige und mich eher mit dem leckeren Gerstensaft befasse ;-).

Als ich mit dem Kapitän erörtere, dass ich schon in Antwerpen „abmustern“ muss, schaut dieser im Bordoffice nach ob es inzwischen eine Aktualisierung im Fahrplan gibt. Es ist aber alles noch wie gehabt. Der Kapitän empfiehlt mir den Rückflug erst dann zu buchen, wenn absolut klar ist wann wir ankerauf gehen werden.

Später machen dann Erlebnisse aus vergangenen Reisen die Runde. Manche Geschichten sind so abenteuerlich, dass ich mich unwillkürlich frage ob da nicht „Käptn Blaubär“ seine Finger in Spiel hatte.

Es ist weit nach Mitternacht als ich mich, schwerstens „angetüddelt“, auf den Weg in meine Kammer mache.
Beste Grüße
vom Muschelschubser
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Re: Ulsan Express 16.02.2017-22.02.2017, Teil VII

Beitrag von muschelschubser »

Ulsan Express, 16.02. – 22.02.2017, Teil VII, Westhinder Anchorage / Außenreede Antwerpen

Dienstag 21.02.2017
Das Frühstück lasse ich heute mal ausfallen. Die Nacht war dann doch viel zu kurz, die Ulsan Express liegt völlig ruhig vor Anker und außer dem leisen Rauschen der Lüfter der Klimatisierung meiner Kammer ist absolut nichts zu hören. Also rufe ich beim Cookie an um mich für das Frühstück abzumelden, drehe mich nochmal um und schlafe bis kurz vor dem Mittagessen.
Ein Blick nach draußen zeigt, dass zwar einiges an interessanten Schiffen neu auf der Reede eingetroffen ist, es aber viel zu dunstig ist um brauchbar Fotos zu machen.
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Beim, erneut äußerst schmackhaften, Mittagessen erfahre ich, dass wir tatsächlich heute am späten Nachmittag den Anker aufnehmen werden und das die Scheldelotsen schon bestellt sind.

Also buche ich, nach dem Mittagessen dann meinen Rückflug von Antwerpen aus.

Als ich den Rückflug gerade, online, bezahlt habe verändert sich das immerwährende Rauschen in meiner Kammer doch ganz gewaltig.
Ich kann mir da nicht so recht einen Reim auf die veränderte Geräuschkulisse machen und beschließe erstmal runter in die Offiziersmesse zu gehen um mir einen Espresso zu holen. Dort angekommen ist das Geräusch noch lauter geworden.
Inzwischen macht es den Eindruck, dass die Quelle der Geräuschentwicklung doch irgendwo draußen sein muss. Also gehe ich direkt auf dem B Deck nach draußen auf das Freideck und staune nicht schlecht:

Eine Westland Seaking MK 48 der Belgischen Luftstreitkräfte im Schwebeflug verharrend auf Höhe der Backbordnock der Ulsan Express in ca. 1-2 Kabel Abstand.

Das „schreit“ förmlich danach fotografiert zu werden. Also auf nach oben um die Kamera zu holen.

Ich glaube so schnell habe ich noch nie in meinem Leben drei Stockwerke aufwärts in einem Treppenhaus geschafft.
In meiner Kammer angekommen steckt natürlich der Kamera-Akku im Ladegerät und die „schnelle“ Speicherkarte noch im Notebook.
Ist halt „Murphys-Law“, dass nichts sofort einsatzbereit ist, dass man dringend benötigt ;-)


Also alles zusammgepfriemelt und raus aufs Freideck im E-Deck. Dort begrüßt mich schon der Bordelektriker, grinsend, mit den Worten „Das ist ja wirklich enorm, was sie auf dieser Reise alles geboten bekommen“.
Der SET wohnt ebenfalls im E-Deck und hatte sich auch über den Lärm draußen gewundert. Den Grund des Hubschraubereinsatzes kennt er auch nicht, einen Notfall an Bord gibt es nicht und für die Lotsen ist es eigentlich noch viel zu früh.

Zumindest fliegt die Seaking nun zweimal an, verharrt in schätzungsweise 1oo m Abstand zur Backbordnock der Ulsan, wincht jeweils eine Person nach unten und fliegt mit der Person am Windenseil hängend, über die Nock und lässt diese dann auf die Nock ab.
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Nachdem die Seaking dieses erledigt hat, fliegt sie davon.
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Ich beschließe nun meinen Espresso zu trinken, der immer noch in der Offiziersmesse, auf dem Kaffeevollautomaten, auf mich wartet.
Dort angekommen nehme ich am Kapitänstisch Platz, sichte die Fotos auf dem Kamerabildschirm und beschließe danach dann auf die Brücke zu gehen um mich über den Grund des Hubschraubereinsatzes zu informieren. Während ich gerade dabei bin die letzten Bilder anzuschauen, wird es draußen wieder Lauter und der Hubschrauber ist erneut im Anflug. Also raus aufs Freideck und schauen was nun geschieht.

Die Seaking holt nun die beiden Personen wieder, von der Backbordnock ab
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Und verschwindet in Richtung der tiefstehenden Sonne.

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Auf der Brücke angekommen, berichtet mir der, wachhabende, 2. Offizier, dass die ganze Aktion auch für Ihn ziemlich überraschend kam.
Die Belgische Luftwaffe hatte sich, per Funk, bei Ihm gemeldet und um Genehmigung gebeten einige Winden- und Bergungsübungen auf der Ulsan Express ausführenzu dürfen. Natürlich hatte man dem Wunsch sofort stattgegeben, wusste aber auch nicht so genau, was da nun passieren würde.

Die beiden Personen die an Bord gekommen waren hatten sich vorgestellt und nett bedankt, hatten aber sogar den angebotenen Kaffee abgelehnt weil sie schon bald wieder abgeholt werden sollten. Die Belgische Luftwaffe führt solche Trainings wohl regelmäßig durch und freut sich dann immer wenn die Westhinder Anchorage hierfür richtig voll ist, und man verschiedene Schiffstypen und –größen in einem Flug abarbeiten kann.
Zuletzt geändert von muschelschubser am So 13. Aug 2017, 22:49, insgesamt 1-mal geändert.
Beste Grüße
vom Muschelschubser
Hamburch
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Re: Ulsan Express 16.02.2017-22.02.2017

Beitrag von Hamburch »

Jetzt will ich aber wirklich wissen, ob Du es noch rechtzeitig zu Deinem Termin geschafft hast! ;)
Gruß

Christian

Alle von mir eingestellten Fotos tragen mein Copyright.
toni montana
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Re: Ulsan Express 16.02.2017-22.02.2017

Beitrag von toni montana »

Ist ja ein genialer Reisebericht!!!

Was in so wenigen Tagen alles passieren und miterlebt werden kann - klasse!!
Schöne Grüße aus dem Münsterland!

Toni
rainerx
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Re: Ulsan Express 16.02.2017-22.02.2017

Beitrag von rainerx »

danke für den sehr sehr ausführlichen Reisebericht
Reise 2018: https://forum-schiff.de/phpBB3/viewtopic.php?f=14&t=8040

Gruß Rainer
muschelschubser
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Ulsan Express 16.02.2017-22.02.2017, Teil VIII

Beitrag von muschelschubser »

Ulsan Express, 16.02. – 22.02.2017, Teil VIII

Dienstag 21.02.2017 Teil II und Mittwoch 22.02.2017

Auf der Brücke werden gerade die Seekarten für die weitere Reise der Ulsan Express bereitgelegt und sortiert.
Die Karten für den Weg bis zum Noordzee-Terminal Antwerpen liegen bereits oben auf dem Kartentisch bereit. Die aktuelle Wetterprognose ist gerade an Bord eingetroffen. Es sollen 6-7 Windstärken werden.
Das verspricht eine interessante Revierfahrt auf der Schelde und ein spannendes Anlegemanöver zu werden.

Obendrein hatte mich der Schiffs-Elektrotechniker noch zur Besichtigung „seines Reiches„ für heute nach dem Abendessen eingeladen.

Also beschließe ich schon jetzt mein Gepäck weitestmöglich zu packen, denn morgen soll es schon bald nach dem Frühstück von Bord gehen.

Beim Abendessen fragt mich der Chiefmate wann morgen mein Flug geht und ob er mir, über den Agenten, ein Taxi organisieren soll.
Dankend nehme ich dieses Angebot an.
Nun kommt auch schon einer der beiden Auszubildenden um mich zur Besichtigung der Elektrozentrale im Maschinenraum abzuholen.

Inzwischen ist der Anker aufgenommen worden und wir sind auf dem Weg in Richtung der Scheldemündung. Während der dann folgenden Revierfahrt werden der Chief und der Schiffs-Elektrotechniker ohnehin im Maschinen-Kontrollraum anwesend sein.

Als wir dort angekommen sind, stehen Chief und SET vor den Kontrollmonitoren und sind ins Gespräch vertieft. Der Azubi bittet mich kurz zu warten, er will erstmal abklären ob wir da jetzt schon „stören“ können.

Es gibt ein Problem mit den Werten eines Zylinders der Hauptmaschine welches erstmal gelöst werden muss.

Also führt der Azubi mich zunächst in den Maschinenraum um mir den Wellengenerator zu zeigen. Dieser leistet 4.500 KW und ist das „Hauptkraftwerk“ des Schiffes, liefert allerdings nur Strom wenn die Hauptmaschine in Betrieb ist.

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Weiter geht es zur Besichtigung der vier weiteren Generatoren die sich, jeweils paarweise angeordnet, rechts und links der Hauptmaschine befinden. Diese liefern zusätzlich noch eine Gesamtleistung von guten 13.000 KW.


Als wir wieder zurück im Maschinenkontrollraum angekommen sind, ist das Problem mit den angezeigten Werten des Zylinders behoben und der Schiffs-Elektrotechniker bittet zum Rundgang durch sein Reich.
Dieses befindet sich unmittelbar vor dem Maschinenkontrollraum und hat beeindruckende Ausmaße.
Zunächst zeigt er mir den Hochspannungsraum. Natürlich nur von außen durch die Verglasung der Tür. Für diese Tür hat nur der STE selbst einen Schlüssel. Es hätte wohl fatale Folgen (für die Gesundheit und für das Schiff) wenn in diesem Raum jemand unbedarftes tätig werden würde.

Insgesamt hat die Ulsan Express drei unterschiedliche Spannungssysteme an Bord. Für jeden Spannungskreis gibt es eine separate Ringleitung über das gesamte Schiff. So kann, im Schadens- oder Pannenfall, leichter und einfacher repariert werden, weil man die Schadensstelle relativ einfach freischalten kann und nicht große Bereiche des Schiffes hierfür stromlos machen muss.

Der Schiffs-Elektrotechniker ist unwahrscheinlich gut und geduldig wenn es darum geht komplexe Sachverhalte, auch für einen Laien wie mich, verständlich zu erklären.
Erstmalig bekomme ich, für mich verständlich und nachvollziehbar, erklärt wie bei auftretenden extremen Lastspitzen (wie z.B. dem Einschalten der Bugstrahrudern) die benötigte Leistung in Sekundenbruchteilen zur Verfügung gestellt werden kann, ohne das es einen Blackout gibt.
Augenzwinkernd bekomme ich hierzu noch berichtet, dass dieses u.a. ein Grund dafür sei, dass der SET auf Manöverfahrt hier unten vor Ort sei.

Danach folgt noch ein Rundgang durch die endlosen Reihen der Schaltschränke.

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Die zwei Stunden sie wir nun schon hier unten sind, sind wie im Fluge vergangen und ich freue mich sehr über diese hoch interessante Führung.


Nun geht es für mich hinauf auf die Brücke. Die beiden Lotsen sind schon an Bord.

Inzwischen ist es stockdunkel, es regnet und der Wind hat stark aufgefrischt. Wir befinden uns bereits auf der Schelde und die riesigen Chemieanlagen von Vlissingen und Terneuzen leuchten am Ufer.

Einer der Lotsen gibt fortlaufend die Ruderkommandos an den Rudergänger. Obendrein wird die Fahrgeschwindigkeit häufig angepasst, z.B. wenn es darum geht den Wellenschlag an den Chemieanlagen zu minimieren. Ich beobachte fasziniert dieses Treiben und denke bei mir, dass die Anfahrt nach Hamburg (die Elbe hoch) wahrscheinlich deutlich weniger anspruchsvoll sein muss als die Revierfahrt hier auf der Schelde.

Als hätte der Kapitän meine Gedanken gelesen, spricht er mich an und fragt mich ob ich schon mal mit nach Antwerpen eingelaufen wäre.
Als ich dieses verneine, bittet er mich an den Kartentisch, macht dort Licht und erklärt mir ausführlich die Besonderheiten und „kniffeligen Stellen“ dieser Revierfahrt.

Der Lotse bittet den Kapitän zum Gespräch um abzustimmen wie das Anlegemanöver vollzogen wird und wieviele Schlepper hierfür bestellt werden sollen. Der Wind soll noch weiter zunehmen und obendrein rechtwinklig auf die Kaimauer stehen. Nach einem längeren Gespräch, verständigt man sich darauf, dass drei Schlepper bestellt werden sollen.

Die Revierfahrt gestaltet sich höchst interessant für mich, auch weil Kapitän und Lotse mich fortlaufend mit Infos zu Besonderheiten des Reviers und interessanten Bauwerken am Ufer füttern.

Als wir am Noordzee-Terminal angekommen sind, werden alle drei Schlepper angespannt und sind gewaltig am Arbeiten, damit uns der Wind nicht zu schnell gegen die Kaimauer drückt.
Nach dem gelungenen Anlegemanöver, es ist bereits weit nach Mitternacht, begebe ich mich auf meine Kammer und falle augenblicklich in einen tiefen Schlaf.



Ich schaffe es vor dem Frühstück noch einige Fotos des Doppelspreaders zu schießen, der gerade vor der Accomondation am Arbeiten ist.

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Das Frühstück nehme ich gemeinsam mit Kapitän, Chiefmate und zweitem Offizier in der Offiziersmesse zu mir. Somit habe ich dann die Möglichkeit mich noch ausdrücklich für die tolle Reise und die unglaublichen Freiheiten die mir hier an Bord gewährt wurden, zu bedanken.


Dann geht es auch schon an die Gangway, ein Shuttlebus wird gerufen und es geht ab ans Gatehouse wo das, vom Agenten organisierte, Taxi dann schon auf mich warten soll.
Dort angekommen wartet kein Taxi auf mich. Auch nach einer halben Stunde des Wartens ist noch kein Taxi gekommen.

Langsam wird es echt eng den Flieger noch zu bekommen. Nach telefonischer Rücksprache mit dem Schiff, bestelle ich mir selbst ein Taxi.
Dieses braucht dann allerdings noch fast 40 Minuten um am Noordzee-Terminal anzukommen.
Der Taxifahrer gibt alles um, unter Missachtung jeglicher Geschwindigkeitsbegrenzungen und Verkehrsvorschriften, noch rechtzeitig am Flughafen zu sein.
Gottseidank habe ich nur Handgepäck dabei (mein großes Gepäck habe ich an Bord gelassen und werde dieses dann in Hamburg von Bord holen). Somit kann ich „im Schweinsgalopp“ durch das Terminal des Antwerpener Flughafens rennen.
Ich schaffe es gerade noch so eben, vor dem Schließen des Gates, an Bord zu kommen. Unmittelbar hinter mir wird die Tür des Flugzeuges geschlossen und es geht zurück nach Hamburg.




Auch an dieser Stelle meinen herzlichsten Dank an alle Beteiligten die mir diese unvergesslichen Tage an Bord ermöglicht haben.

Danke für Unmengen an Informationen, für Gastfreundschaft im wahrsten Sinne des Wortes und für die großen Freiheiten die ich an Bord genießen durfte.

Ich habe viel gelernt und fasziniert zugeschaut wie auf der Ulsan Express miteinander umgegangen, ausgebildet und geführt wird.
Die Art und Weise wie die Azubis und jungen Offiziere dort lernen ist äußerst beeindruckend.
Beste Grüße
vom Muschelschubser
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