Frage an Seeleute bez. Liberia Flagge &Co.....

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Mick

Frage an Seeleute bez. Liberia Flagge &Co.....

Beitrag von Mick »

Hallo liebe Forum-Schiff-Gemeinde!
Auch wenn es ein Thema ist, dass evtl. nicht unbedingt alltäglich ist, so schreibe ich trotzdem mal meine Zeilen.

Nach mehreren Diskussionen in meinem Freundeskreis bin ich nun so verwirrt, dass ich hier einmal einige Fragen stellen muss- die hoffentlich auch jemand ziemlich genau beantworten kann.
1: Viele deutsche Reedereien (E.R.-Schiffahrt, Claus-Peter Offen, NSB, etc.) fahren unter Liberia-Flagge. Jetzt sagte man mir, dass diese Schiffe nicht unbedingt ausgeflaggt sein müssen, sondern evtl. nur unter Ausstrahlung fahren. Wo genau ist denn hier der Unterschied, bzw. was ist AUSGEFLAGGT und was ist UNTER AUSSTRAHLUNG?

2: Heftige Diskussionen hatten Freunde und ich auch bei dem Punkt bezüglich der Lohnsteuer. Angeblich sollen die Seeleute ja wenn sie mehr als 183 Tage Dienst auf Schiffen unter der Liberia Flagge nachweisen können, komplett von der Lohnsteuer entbunden sein. Heißt das jetzt wirklich, dass diese Personen KEINE Lohnsteuer zahlen, bzw. diese dann zurückerstattet bekommen (soll wohl nur mit Liberia möglich sein)? Wie sieht es denn in dem Fall mit der Krankenversicherung, der Rentenversicherung, der Arbeitslosenversicherung und den anderen Altersvorsorgemaßnahmen aus? Ein ehemaliger Arbeitskollege erzählte von seinem Sohn (fährt als Offizier bei einer der oben genannten Firmen), dass dieser mal auf deutscher Flagge eingesetzt wird und auch auf Schiffen mit liberianischer Flagge. Die Reederei achtet angeblich darauf, dass er auf die erforderliche Tage kommt, um einen Vorteil aus der "Billigflagge" zu ziehen. Sehe das nun als sehr kompliziert an, wenn man mal unter der einen, dann wieder unter der anderen Flagge fährt. Man müsste sich ja dann immer wieder um die Krankenversicherung (und die anderen Dinge) kümmern. Genauer konnte er mir das leider nicht erklären, da er selber auch keinen rechten Durchblick diesbezüglich hat. Und um das ganze "Wirrwarr" noch zu komplettieren sagte man uns dann noch, dass die Sachen mit der Krankenversicherung, Rentenversicherung, etc. auch wieder davon abhängig sind, ob man nun ausgeflaggt oder unter Ausstrahlung fährt. :?
Angeblich sollen die Leute an Bord bei einer der beiden Sachen komplett weiterversichert sein, so wie es bei der deutschen Flagge ist. :shock:

Ich hoffe nun auf fachlich- und sachlich richtige Antworten, wie sie mir bestimmt einer von euch geben kann.

Viele Grüße Mick
NP-Name
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Beiträge: 49
Registriert: Fr 11. Jan 2008, 18:14

Re: Frage an Seeleute bez. Liberia Flagge &Co.....

Beitrag von NP-Name »

Hallo,

zu Frage 1.)

Es gibt mindestens zwei Formen der Ausflaggung: vollständige Ausflaggung, also das Schiff fährt dauerhaft (zeitlich unbegrenzt) unter der Flagge und mit Registerhafen eines anderen Landes.
Bareboat - Ausflaggung: nach deutschem Recht kann ein Schiff für 2 Jahre einem "Bareboatcharterer" (Bareboat = nacktes Schiff) überlassen werden, der für diesen Zeitraum seine Nationalflagge und Landesbestimmungen auf das Schiff übertragen kann. Bareboat heißt eigentlich: Miete des Schiffes ohne Besatzung. Da aber natürlich eine solche "Vermietung" nur rechtliche Schriftformen sind, steht Nebenverträgen ja nichts im Wege. Somit gründet der Reeder mit Hilfe eines entsprechenden Anbieters eine sog. "Briefkastenfirma" im Flaggenland, welche das Schiff gemäß deutscher Auflagen "bareboat" chartert und in Nebenverträgen den Reeder aber auch mit der Sorge für Bereederung und Besatzung etc beauftragt (mal so allgemein gesagt, wie das im Detail gehandhabt wird entzieht sich meiner Kenntnis) - somit kann der Reeder vollkommen rechtens mit Genehmigung deutscher Behörden das Schiff für 2 Jahre unter der Flagge eines beliebigen Staates betreiben und ist auch nur an die dortige Gesetzgebung und Besteuerung (oder auch Mindestlöhnen) gebunden (Liberia besteuert z.B. nur die Tonnage des Schiffes, nicht die Gewinne oder Umsätze die das Schiff erziehlt).
"Unter Austrahlung" ist die Bezeichnung für eine gesetzliche Regelung, die es erlaubt das deutsche Arbeitnehmer auch auf fremden Territorien (Montage in Aarabien, Schiffe unter fremder Flagge als Beispiel) arbeiten können wie im Inland. Die deutsche Gesetzgebung "strahlt auf den Arbeitnehmer im Ausland aus". Ein in Deutschland ansässiges Unternehmen kann also bei Entsendung seines Arbeitnehmers ins Auland diesen auf Antrag so vertraglich beschäftigen als wäre er in Deutschland tätig. Das garantiert dem Arbeitnehmer die gleichen vertraglichen Umstände, also es werden die Sozialversicherungen voll bezahlt und es besteht voller Anspruch, allerdings müssen auch (erst mal) die Steuern entrichtet werden.

zu 2.) nachstehend das Wesentliche. Die genauen Gesetzestexte sollten auf Grund der Angaben im Internet zu finden sein. So manches ist da auch noch komplexer oder nicht mehr ganz aktuell...

ganz kurz zusammengefasst: Das Liberia - Steuerjahr zählt von 1. Tag des Eintreffens im Hoheitsgebiet Liberias an (also wenn ich an einem 18. Febuar an Bord einsteige zählt das Steuerjahr bis zum 17. Februar des Folgejahres - in diesem Zeitraum müssen 183 "Seetage" (siehe nachstehenden Text) erfüllt sein. Wenn in diesem Steuerzeitraum zwei Schiffseinsätze stattfinden, von denen der eine unter Liberia - Flagge mehr als 183 Seetage erbringt müssen für diesen gesamten Zeitraum (einschließlich der resultierenden Urlaubsansprüche bei "Ausstrahlungs" - Vertrag) keine Steuern bezahlt werden bzw. werden diese mit dem Lohnsteuerbescheidf zurückgezahlt. Ist der zweite Einsatz deutsche Flagge müssen natürlich Steuern bezahlt werden für den Zeitrahmen dieses Einsatzes. so, nun aber der Text:

Steuerregeln / Liberia und Absatzmöglichkeiten bei Deutscher Flagge

BFM, Schreiben vom 05.01.1994, Aktenzeichen: IV C5-S-1300-197/93

Punkt 2)
Hiernach 183 Tage in einem Zeitraum von 12 Monaten. Nicht maßgeblich die Dauer der Tätigkeit, sondern die körperliche Anwesenheit im Tätigkeitsstaat. Gilt auch bei kurzfristiger Anwesenheit an einem Tage, d.h. jeder angebrochene Tag unter Liberia zählt voll.
[Erreicht oder verlässt also ein Schiff um 2355 h Ortszeit die Hoheitsgewässer eines anderen Landes als seiner Flagge zählt trotzdem noch der ganze Tag als "Seetag". Somit zählen lediglich volle 24- Stunden - Hafentage nicht als Seetage, auf Grund heutiger kurzer Liegezeiten kommen solche Tage kaum noch vor, was bedeutet das theoretisch eine jährliche Einsatzzeit von 183 Tagen ausreichen um die Bedingungen zu erfüllen. (anders gesagt: einmal 6,5 Monate durchfahren und den Rest des Jahres zu Hause verbringen]

Nach OFD Hannover, Verfügung vom 22.09.1981, Aktenzeichen S 2330-70-StO 223/S 2369-2-StH 224
entfällt unter Einkünften aus Liberia (Punkt 1b und Punkt 2) die unbeschränkte Steuerpflicht bei Erfüllung der 183 Tage.

Groetens

NP
Lieber 'ne schneidige Kollision als ein lahmes Manöver....
Kosmos
Beiträge: 8
Registriert: Sa 12. Jan 2008, 10:14

Re: Frage an Seeleute bez. Liberia Flagge &Co.....

Beitrag von Kosmos »

Hallo Mick,


ich hab das alles mehrere Jahre praktiziert:
Deutsche Reederei, Liberia-Flagge unter Ausstrahlung - Deutsche Schiffsführung und Mannschaft aus HongKong (damals noch Britisch)

"Ausstrahlung" geht natürlich nur bei einer Ausflaggung - d.h. auf einem Schiff unter ausländischer Flagge (evtl. deutscher Reeder) gelten -tlwse - deutsche Bedingungen.
zB.: Sicherheitsvorschriften der SeeBG müssen eingehalten werden, dann kann (wird) auch deutsche Sozialversicherung abgeführt; natürlich nur für die deutschen Besatzungsmitglieder, dh man fährt soz. zweigleisig: Kapt./Offz/Ings deutsch - restliche Besatzung aus einem Drittland! Sicherheitsbedingungen für das gesamte Schiff nach deutschem Recht, Sozialvorschriften - Kranken-u. Rentenvers.- nach "ausstrahlung" nur für deutsche Besatzungsmitglieder (mit Wohnsitz u. Stuerpflicht in Deutschland).

Zur Besteuerung: 183 Tage innerhalb eines Jahres ab 1. Einsatz - dh. wenn der 1. Einsatz nur 3 Monate dauert müssen die restlichen 3 Monate in den nächsten 9 Monaten durchgezogen werden, dazu gehört auch der Urlaubsanspruch (Steuererstattung gibts rückwirkend für 6 Monate!!!).
Wenn man innerhalb einer Reederei öfters von Deutscher zu ausländischer Flagge wechselt macht das jede Abrechnung kompliziert und unübersichtlich - zu jedem Schiff muss der genaue Urlaubsanspruch festgehalten werden, mal mit Steuer - mal ohne. Im r Rentennachweis der Seekasse ist dann ebenfalls jede Fahrzeit getrennt aufgeführt.
Mick

Re: Frage an Seeleute bez. Liberia Flagge &Co.....

Beitrag von Mick »

Vielen Dank für all´die schnellen und erschöpfenden Antworten!
Für eine "Landratte" eröffnen sich ja nun ganz andere Horizonte. Nun weiß ich endlich, dass "Billigflagge" nicht gleich 2billig" sein muss.


Danke Euch allen!


Mick
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