Kollision MV DALI mit Francis Scott Key Bridge bei Baltimore/USA

Volker Landwehr
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Re: Kollision MV DALI mit Francis Scott Key Bridge bei Baltimore/USA

Beitrag von Volker Landwehr »

henning hat geschrieben: Sa 4. Mai 2024, 12:23 Und nochmal zu "landgebundenem" Equipment... Autokrane mit 2 kt Hublast können unter Autobahnbrücken durchfahren, max. Höhe 4,2 m. Sowas gibts auch in den USA reichlich.
Diese Krane sind meist Monate im Voraus ausgebucht. Und dann stellt sich noch die Frage nach einer passenden Barge mit einem entsprechenden Ballastierungssystem, um die Schwerpunktverschiebung beim Lastenhub in vertretbaren Grenzen zu halten.

Dazu kommt, dass z.B. die Rüstzeit vor Ort eines Liebherr Raupenkrans LR 13000 (max. 3000 t) mindestens 12 Tage beträgt.
Gruß, Volker
Volker Landwehr
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Re: Kollision MV DALI mit Francis Scott Key Bridge bei Baltimore/USA

Beitrag von Volker Landwehr »

Das die DALI bis zum 10.Mai freigeschleppt werden soll, ist ja schon in den vorigen Posts angeklungen. Danach soll das 35 ft tiefe temporäre Fahrwasser im Fort McHenty Channel erneut freigegeben werden, jetzt aber mit einer Tiefe von 45 ft. Zum Vergleich haben die Neopanamax-Schleusen eine Tiefe von 44 ft.
Quelle (April 30, 2024): https://gcaptain.com/baltimore-bridge-s ... egathread/
Gruß, Volker
henning
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Re: Kollision MV DALI mit Francis Scott Key Bridge bei Baltimore/USA

Beitrag von henning »

Also, ich habe nach wie vor meine Zweifel.

Den Termin 10.05. mit Gewalt halten zu wollen, riskiert Menschenleben.
So ein völlig verbogenes Tragwerk ist wie ein Konglomerat aus gespannten Federn!
An der falschen Stelle geschnitten, ist jeder im Umkreis wegen der Federwirkung gefährdet.
Diese Wirkungen vorausberechnen zu wollen, wäre ein schlechter Witz.

Die großen Fachwerke sollten mit Hydraulikscheren zerschnitten werden - die Leute im Bagger sind
dabei maximal geschützt, im Gegensatz zu den armen Kreaturen, die mit der Sauerstofflanze direkt
und ohne Fluchtmöglichkeit daneben stehen, wenn es knallt.

An Land sind selbstverständlich solche Hydraulikscheren an Baggern im Einsatz.
Ziel müßte es sein, die völlig verbogenen Fachwerke als Ganzes anzuheben - dann sind sie
immerhin frei von äußeren Einwirkungen und damit leichter zu berechnen.

Daß die Zeit für bessere Lösungen jetzt nicht mehr reicht... das ändert nichts an den Fakten.
Und wenn man keine Raupenkrane schnell genug beibringen kann - es täten auch Mobilkrane,
in ähnlichen Abmessungen und Traglasten. Ihr Vorteil der Schwenkbarkeit ist gegenüber bspw.
der Chesapeake 1000 ständig zu beobachten.
Jan F.
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Re: Kollision MV DALI mit Francis Scott Key Bridge bei Baltimore/USA

Beitrag von Jan F. »

Hallo Henning,

wir sollten etwas mehr Vertrauen in die Kompetenz der Bergungsunternehmen und dem US Army Corps of Engineers haben. Die werden schon wissen wie solch eine Operation sicher und zuverlässig durchgeführt werden muss. Insbesondere in den USA sind Gefährdungsbeurteilen und Method Statements wichtiger Bestandteil von Hebeoperationen. Es ist auf jeden Fall eine herausfordernde Operation.

Ein Autokran bringt hier keinen Vorteil. Selbst ein 1200t Autokran kann auf 25m Auslage nur noch maximal 150t heben. Für den Autokran benötigt man eine entsprechende Barge mit Ballastierungssystem. Ansonsten kann man schon mal nicht 360 Grad drehen. Der Kran muss außerdem auf der Barge gesichert werden.

Jan
henning
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Re: Kollision MV DALI mit Francis Scott Key Bridge bei Baltimore/USA

Beitrag von henning »

Moin Jan!

Du hast natürlich recht, und ich gehe auch nicht davon aus, daß es "einfach" ist. Letztlich bin ich froh, daß ich da nix entscheiden muß!

Die Auslegerschwenkbarkeit bedeutet eigentlich nur, daß weder die Schrottbarge noch der Kranponton bei jedem Umladen manövriert werden muß. Die Chesapeak ist da - wie viele andere Schwimmkrane natürlich auch - im Nachteil.

Man macht sich halt Gedanken... wie immer, wenn das Interesse sehr hoch ist. Geduld ist eh die größte und wichtigste Tugend bei solchen Projekten.

Gruß,

Henning
Volker Landwehr
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Re: Kollision MV DALI mit Francis Scott Key Bridge bei Baltimore/USA

Beitrag von Volker Landwehr »

In einer Pressekonferenz des Büros des Gouverneurs wurde nach dem Zerlegen gefragt. In der der Antwort war von "precision cutting technology" die Rede und dass alle Trennungen "simultanously" und ohne Gefährdung von Personal erfolgen soll.

"Precision cutting technology" wird in den USA für viele Techniken verwendet. Hier könnte es im Zusammenhang mit "simultanously" auf Schneidladungen hindeuten.
Quelle: https://youtu.be/Z2rToCpwAhc?t=351
Regards, Volker
Volker Landwehr
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Re: Kollision MV DALI mit Francis Scott Key Bridge bei Baltimore/USA

Beitrag von Volker Landwehr »

Jan F. hat geschrieben: Mo 6. Mai 2024, 09:46 Hallo Henning,
Ein Autokran bringt hier keinen Vorteil. Selbst ein 1200t Autokran kann auf 25m Auslage nur noch maximal 150t heben. Für den Autokran benötigt man eine entsprechende Barge mit Ballastierungssystem. Ansonsten kann man schon mal nicht 360 Grad drehen. Der Kran muss außerdem auf der Barge gesichert werden.

Jan
Nur zur Ergänzung: Chesapeake 1000 hat eine maximale Hublast von 910 t (1000 short tons) bei einer Ausladung von 19,20 m (63 ft) von Vorderkante Barge. http://www.donjon.com/ches1000.htm

Der Liebherr 1200 t Mobilkran muss mit dem Drehkranz ca. 7 m von der Vorderkante stehen und hat bei gleicher Ausladung (19,2 + 7) und Hubhöhe (ca. 67 m) etwa die 106 t bei maximaler Aufrüstung.

Beim Liebherr Gittermast-Raupenkran LR 11359 mit 1350 t maximaler Tragkraft sieht das schon besser aus. Er benötigt für die 19,2m Reichweite eine Ausladung von 29 m. Die Tragkraft beträgt bei entsprechender Aufrüstung bis zu 740 t.

So schlecht ist die Chesapeake 1000 gar nicht.
Gruß, Volker
henning
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Re: Kollision MV DALI mit Francis Scott Key Bridge bei Baltimore/USA

Beitrag von henning »

Daß die Chesapeak 1000 "schlecht" sei, hätte ich nie behauptet.

Um freilich große Mengen schnell auf Bargen laden zu können, fehlt ihr aber die Ausleger-Schwenkbarkeit. Schon +/-30° könnten ihr helfen für wesentlich schnellere Ladespiele.

Ein besonders schlimmer Faktor hier ist die ultraschlechte Sicht unter Wasser. Dabei "ungefährliche" Schnitte anzuordnen, halte ich nicht für möglich. Eine "precision cutting technology" und alle Trennungen "simultanously" und ohne Gefährdung von Personal durchführen zu können, ist für mich nur ein wohlklingendes Etikett. Ein soeben durchschnittener Träger kann dem Schneidenden mit dermaßener Wucht ins Gesicht schlagen, daß man von "fehlender Gefährdung" nicht sprechen kann. Eine Freistellung der völlig verspannten Tragwerks-Reste scheint aber - trotz meiner hoffnungsvollen Ansätze - nicht möglich. Das scheitert wohl doch an den möglichen Traglasten. Die Terminenge spielt dabei für mich keine Rolle, den Termin 10. Mai konnte ich eh nicht ernst nehmen.

Nochmal zur Verdeutlichung: freistehende (bzw. -hängende) Träger kann man gefahrlos abtrennen. Aber irgendwann muß man an die Knotenpunkte...

Ich rede hier nichts schlecht, und kritisiere auch niemand. Aber ich glaube eben, daß man Aufwand und Gefahren anfangs unterschätzt hat, und am Equipment ein wenig gespart hat, was sich jetzt rächt. Nochmals, ich bin heilfroh, hier nicht zur Riege der Entscheider gehören zu müssen.

Henning
Volker Landwehr
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Re: Kollision MV DALI mit Francis Scott Key Bridge bei Baltimore/USA

Beitrag von Volker Landwehr »

Nur zu Klarstellung: Schneidladungen sind Sprengladungen, die man schon gleichzeitig zünden kann. Das Personal wäre wie bei jeder Sprengung so weit entfernt, dass es sicher ist.

Umlagerungen werden mit einer Schneidladung auch auftreten, aber ohne Personal zu zu gefährden.

Es gibt also Möglichkeiten die Fachwerksträger ohne Gefährdung fürs Personal zu zerteilen.
Gruß, Volker

PS: Ich denke, die amerikanische Bergungsfirmen konnten schon sehr gut die mit der Bergung verbundenen Gefahren einschätzen. Man setzt das Gerät ein, das zur Verfügung steht. Ob man einen Crawlerkran mit mehr als 1000 t Traglast kurzfristig gefunden hätte, halte ich für unwahrscheinlich, ist aber Spekulation. Und dann ist da die Barge, die für die Belastungen des Kranes ausgelegt sin muss. Nicht nur die Stabilität betreffend (Ballastsystem) sondern auch hinsichtlich der Belastbarkeit des Decks. Ulstein Verft AS betreibt die Kranbarge FLEX Mit einem Terex CC 2800-1 Raupenkran (600 t): https://www.tugs.no/wp-content/uploads/ ... 211016.pdf

Ich glaube nicht, dass die Hubzyklen der Chesapeake 1000 bestimmend für den terminlichen Ablauf der Bergung war, das waren eher die Zeiten für die Trennarbeiten an den Fachwerken.
henning
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Re: Kollision MV DALI mit Francis Scott Key Bridge bei Baltimore/USA

Beitrag von henning »

Moin!

Den aktuellen Stand der Technik mit Schneidladungen kannte ich nicht - danke dafür!

Dann warten wir mal "in Ruhe" ab, wie es weitergeht.

Henning
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