Die URAG und die Frankfurter Metallgesellschaft

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Peter Hartung
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Die URAG und die Frankfurter Metallgesellschaft

Beitrag von Peter Hartung »

Moin!

Ein weniger bekanntes Kapitel der Chronik der bekannten Bremer Schleppschiff-Reederei URAG war die Zeit zwischen 1921 und 1989, während der die Frankfurter Metallgesellschaft die Aktienmehrheit an der URAG hielt und man sich über Jahrzehnte in der Trampschifffahrt (Erz- und Metalltransport) engagierte. Prägende Persönlichkeit in dieser Zeit war der Frankfurter Industrielle, Stifter und Politiker Richard Merton (1881-1960), der ab 1920 die Übernahme der URAG durch die Metallgesellschaft durchsetzte.

Bevor ich versuchen werde, diese Phase zu beschreiben, präsentiere ich hier eine Schiffsliste der URAG-Frachtschiffe aus der Zeit von 1915 bis 1975. Wobei auffällt, dass die meisten Schiffe die Namen von Frankfurter Stadtteilen oder Eingemeindungen trugen: Bockenheim, Heddernheim, Eschersheim, Rödelheim, Fechenheim, Schwanheim. Im hessischen Rhein-Main-Gebiet und besonders in Frankfurt enden viele Ortsnamen mit der Endung -heim. Hier also die Schiffsliste:

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Quelle: Jubiläumsschrift "100 Jahre Unterweser Reederei 1890-1990", Seite 90 und 91. Dank an "Algenib" für die vorübergehende Überlassung der Broschüre.

In einem weiteren Beitrag werde ich näher auf diese Phase und die Verbindung der URAG mit der Frankfurter Metallgesellschaft eingehen.

mfg Peter Hartung
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Peter Hartung
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Re: Die URAG und die Frankfurter Metallgesellschaft

Beitrag von Peter Hartung »

Guten Morgen!

Die Schleppschifffahrtsgesellschaft Unterweser (SGUW) wurde 1890 von Bremer Kaufleuten unter Beteiligung des Bremer Bankhauses E.C. Weyhausen gegründet. Initiator dieser Gründung war Johann Friedrich Wessels, Mitbegründer des 1869 etablierten Germanischen Lloyd sowie Gründungsvater zahlreicher Bremer Unternehmen. Als am 22. Dezember 1922 die außerordentliche Generalversammlung der Bremer "Schleppschiffahrtsgesellschaft Unterweser" (SGUW) den Beschluss fasste, die Gesellschaft in "Unterweser Reederei Aktiengesellschaft Bremen" (URAG) umzubenennen, da brach für die 1890 gegründete Reederei eine neue Ära an. Man wandte sich nun der internationalen Frachtschifffahrt zu, ohne den Bremer Schleppdampfer-Betrieb zu vernachlässigen. Die Frankfurter Metallgesellschaft AG hatte in den Jahren zuvor Aktien der SGUW erworben und war seit 1920 Mehrheitsaktionär der SGUW. Bis 1989 sollte die Metallgesellschaft AG maßgeblichen Einfluss auf die Unternehmenspolitik der Bremer Reederei haben.

Die Metallgesellschaft AG ging auf das von Wilhelm Merton 1881 in Frankfurt gegründete Handelsunternehmen zurück. Schon unter seiner Leitung erwarb es Beteiligungen an Produktions- und Verarbeitungsunternehmen für Erze (Bergbau und Rohstoffhandel). Metallhütten und Halbzeugwerke wurden gegründet und die Metallgesellschaft wurde schließlich weltweit tätig. So stellte das Unternehmen seit Jahrzehnten einen Konzern und eine Holdinggesellschaft dar. Es tätigte große Bankgeschäfte und war daher auch als Kreditinstitut anerkannt (Metallbank), so dass man es ebenso gut den Banken wie dem Handel zurechnen konnte. Dennoch blieb die Metallgesellschaft über die Jahrzehnte ihrer Existenz stets ein bedeutendes Handelsunternehmen und besaß am Weltmarkt eine feste Position. Ihr Geschäft war (und ist) international und der Sitz in Frankfurt traditionsbedingt. Dies dokumentierten die Mertons u. a. durch die Wahl der Namen für die Frachtschiffe der URAG, die durchweg die Namen von Frankfurter Stadtteilen bzw. Ortsnamen im Frankfurter Umland trugen, die alle auf -heim endeten. Ansonsten überließ man den Bremern das operative Reedereigeschäft und hielt sich als Mehrheitseigentümer mehr im Hintergrund.

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Quelle: Maritime historische Wertpapiere; Dieter Engel, Hamburg - Frankfurt am Main.

Der Firmengründer Wilhelm Merton (bis 1856: William Moses, 1856–1899: William Merton) (* 14. Mai 1848 in Frankfurt am Main; † 15. Dezember 1916 in Berlin) war ein bedeutender, einflussreicher deutscher Unternehmer, Sozialpolitiker und Philanthrop. Am 27. November 1856 erhielt er die Erlaubnis, den Namen seines Heimatortes Merton, heute ein Stadtteil von London, als Nachnamen annehmen zu dürfen. 1881 gründete er zusammen mit Leo Ellinger und Zacharias Hochschild (1854-1912) die Metallgesellschaft.

Wilhelm Merton gilt insbesondere wegen seines sozialpolitischen Engagements als einer der bedeutendsten deutschen Unternehmensgründer der Wilhelminischen Epoche. In gleichem Maße wie auf dem ökonomischen Gebiet tat sich Merton in der Zeit bis zum Ersten Weltkrieg als Initiator und Gründer sozialpolitisch bedeutender Einrichtungen hervor, deren Ziel es sein sollte, auf wissenschaftlicher Grundlage zur Humanisierung der modernen Wirtschaftsgesellschaft beizutragen.

Wilhelm Merton starb am 15. Dezember 1916 in Berlin überraschend an einem Herzanfall, nachdem er schon längere Zeit vorher herzkrank gewesen war. Er wurde auf dem Hauptfriedhof Frankfurt bestattet. Seine Söhne übernahmen die Führung der Metallgesellschaft: Mertons ältester Sohn Alfred wurde Aufsichtsratsvorsitzender der Metallgesellschaft, der zweite Sohn Richard war später zeitweise Vorstandsvorsitzender. Beide setzten die sozial-, wirtschafts- und kulturpolitische Orientierung des Vaters fort.

Richard Merton war das jüngste Kind des Unternehmers Wilhelm Merton und seiner Ehefrau Emma Ladenburg, Tochter von Emil Ladenburg. Merton besuchte wie sein Bruder Alfred (1878–1954) das Lessing-Gymnasium in Frankfurt am Main. Nach dem Studium der Rechtswissenschaft und der Kameralistik trat er 1902 in die Berg- und Metallbank ein, eine Tochterfirma der Metallgesellschaft. Er lernte die ausländischen Filialen des damals weltweit verflochtenen Konzerns kennen und war von 1907 bis 1911 Mitglied des Aufsichtsrates. 1911 wurde er in den Vorstand der Metallgesellschaft berufen, nach dem Tode seines Vaters 1917 zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates der Metallgesellschaft und der Metallbank.

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Richard Merton im Kreise von URAG-Geschäftsführern und Kapitänen (1922).

Nach dem 1. Weltkrieg besaß die SGUW noch einige Schlepper und Leichter. Mit dem Eintritt der Metallgesellschaft AG (MG), die ab 1920 die Aktienmehrheit an der SGUW erworben hatte, wurde der Reedereibetrieb um den Betrieb von Dampf- und Motorfrachtschiffen für den Erztransport erweitert. Dies geschah auf Initiative der MG, die im weltweiten Handel von Erzen und Metalle engagiert war. Es wurden drei Frachtschiffe, die "BOCKENHEIM" ex "KIELDRECHT", die "GONZENHEIM" ex "CORNISH POINT" und die "HEDDERNHEIM" ex "FRIDERICUS REX" gekauft, um den Erztransport für die Metallgesellschaft zu übernehmen.

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"BOCKENHEIM" ex "KIELDRECHT" (1924-1940). Bildnachweis: 100 Jahre URAG (Festschrift). Schiffsdaten: Stapellauf 17.5.1924, 6.247 BRT, Länge 123,4 Meter, Breite 16,3 Meter, gebaut bei John Readhead, South Shields (GB), 11.4.1940 bei Narvik versenkt.

mfg Peter Hartung

Quellen: Wikipedia.de; Jubiläumsschrift URAG 100 Jahre Unterweser Reederei 1890-1990
Herausgegeben von der Unterweser Reederei GmbH, 2800 Bremen, Blumenthalstraße 16.
Autoren Dr. Friedrich Jerchow (†) und Eckard Oestmann.
Zuletzt geändert von Peter Hartung am Mi 5. Okt 2011, 22:39, insgesamt 2-mal geändert.
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Peter Hartung
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Re: Die URAG und die Frankfurter Metallgesellschaft

Beitrag von Peter Hartung »

Guten Abend!

Fortsetzung (mit Update).

Nach dem 1. Weltkrieg.

Da die URAG (vorm. SGUW) den Großteil ihrer Frachteinnahmen in wertbeständigen Devisen erhielt, konnte sie nicht nur ihren normalen Betrieb aufrechterhalten, sondern auch noch ihre Flotte modernisieren und erweitern. Man kaufte u. a. 1923 die Dampfer „WESTERDIJK“ an, der den Namen „ESCHERSHEIM“ erhielt, sowie die „NOORDDIJK“, die in „RÖDELHEIM“ umbenannt wurde. Leider ging sie schon 1929 im Nordatlantik verloren.

Die modernisierte Frachterflotte erbrachte befriedigende Ergebnisse. Dies verdankte die URAG vor allem der Metallgesellschaft, die der URAG die Hereinnahme von größeren Frachtverträgen in verschiedenen Richtungen ermöglichte. Die Reederei blieb von den vollen Auswirkung der katastrophalen Lage auf allen Frachtmärkten Anfang der Zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts verschont. In diesen Jahren folgten weitere Schiffsankäufe: Der Dampfer »Gonzenheim« ex "Cornish Point", Dampfer "Heddernheim" ex "Fridericus Rex", Dampfer "Kelkheim" ex "Marie Maersk" und Dampfer "Griesheim" ex "Valdemar Skogland", der 1937 vor Norwegen unterging.

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URAG-Dampfer "GONZENHEIM" ex "CORNISH POINT" (1926-1942). Schiffsdaten: Gebaut 1914 als "BLAND HALL" bei W. Doxford % § & Sons, Pallion, 4.259 BRT, Länge 118,9 Meter, Breite 15,9 Meter, ab 1914 "CORNISH POINT", danach "GONZENHEIM", ab 1933 "LISA", ab 1936 "WALKÜRE", strandete mit einer Ladung von Kohle und Koks bei Hjelmboden/Haftenssund am 22.12.1942 auf der Reise von Danzig nach Kristiansand und ging verloren. (Quelle: Miramar Ship Index).

Die Lage der Reederei verschlechterte sich ab 1929 aufgrund der Weltwirtschaftskrise.

Wird. fortgesetzt.

mfg Peter Hartung

Bildnachweis: Jubiläumsschrift URAG 100 Jahre Unterweser Reederei 1890-1990
Herausgegeben von der Unterweser Reederei GmbH, 2800 Bremen, Blumenthalstraße 16.
Autoren Dr. Friedrich Jerchow (†) und Eckard Oestmann.
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