Warum fährt man so eine Route?

hareid
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Re: Warum fährt man so eine Route?

Beitrag von hareid »

Der Sturm kam ja vom Atlantik und ging bis ins Mittelmeer hinein.
Seit wann ist die Maersk Lanco ein "Meßboot"?
Hamburch
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Re: Warum fährt man so eine Route?

Beitrag von Hamburch »

Globus hat geschrieben: Do 18. Jan 2018, 16:38 Bei schlechtem Wetter (Sturm) geht man von der Küste weg und nähert sich ihr nicht.
Gilt das auch bei ablandigem Wind (auch wenn ich inzwischen weiß, dass der Sturm aus westlichen Richtungen kam)?
Gruß

Christian

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hareid
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Re: Warum fährt man so eine Route?

Beitrag von hareid »

kaiserheinrich hat geschrieben: Do 18. Jan 2018, 00:25 Hallo, laut
http://www.oceanweather.com/data/
Wellenhöhe 7 bis 8 m..
Schaut man sich hier die Wellenkarte genau an, erkennt man, dass genau an den Küsten weniger Wellen berechnet werden.
Genau diesen Kurs ist auch die Maersk gefahren.
Globus
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Re: Warum fährt man so eine Route?

Beitrag von Globus »

Die Biscaya
ist heute doch kein Thema mehr. Da wurde man früher ängstlich, mit kleinen Seglern oder Schiffen mit Magnetkompass.
Heute fährt man raus, wenn es zu wild wird.
deadwood
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Re: Warum fährt man so eine Route?

Beitrag von deadwood »

Habe mal gehört, dass grosse Containerschiffe, vor allem auch in Ballast z.T. erhebliche Stabilitätsprobleme haben und anfällig für Parametric Rolling sind.
Wenn Ihr mal nach dem Begriff googlet, werdet Ihr zahlreiche Berichte über Forschungen und zu Unfällen mit erheblichen Sach- und Personenschäden zu diesem Phänomen finden.
Da die modernen Schiffe heutzutage, zumindest teilweise, vermutlich über eine computer assisted route planning, die auch das aktuelle Wettergeschehen auf der Reiseroute erfasst, verfügen mögen,
kann ich mir gut vorstellen, dass die von diesem Schiff gefahrene Route einer Empfehlung eines solchen Systems an den Master entsprochen hat.
Natürlich muss der als erfahrener Nautiker die zusätzlich von der nahen Küste ausgehenden Risiken bei einem solchen Wetter in seine Entscheidung zum Kurs mit einfliessen lassen.
deadwood
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Re: Warum fährt man so eine Route?

Beitrag von deadwood »

Nachtrag zu meiner Spekulation.

Hier mal ein kurzes Video zu einem Modellversuch in einer Versuchsanstalt.
Globus
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Re: Warum fährt man so eine Route?

Beitrag von Globus »

deadwood hat geschrieben: Sa 20. Jan 2018, 12:19 Habe mal gehört, dass grosse Containerschiffe, vor allem auch in Ballast z.T. erhebliche Stabilitätsprobleme haben und anfällig für Parametric Rolling sind.
Wenn Ihr mal nach dem Begriff googlet, werdet Ihr zahlreiche Berichte über Forschungen und zu Unfällen mit erheblichen Sach- und Personenschäden zu diesem Phänomen finden.
Da die modernen Schiffe heutzutage, zumindest teilweise, vermutlich über eine computer assisted route planning, die auch das aktuelle Wettergeschehen auf der Reiseroute erfasst, verfügen mögen,
kann ich mir gut vorstellen, dass die von diesem Schiff gefahrene Route einer Empfehlung eines solchen Systems an den Master entsprochen hat.
Natürlich muss der als erfahrener Nautiker die zusätzlich von der nahen Küste ausgehenden Risiken bei einem solchen Wetter in seine Entscheidung zum Kurs mit einfliessen lassen.

Der einzige Personenschaden, der bei solcher Routenplanung auftritt, wäre die Kündigung des Kapitäns.

Ich bin oft genug zwischen

Spanien und Nordeuropa hin und her gefahren. Sehr oft bei schlechtem Wetter (Sturm), aber kein Kapitän wäre auf so eine Idee gekommen. sich dieser gefährlichen felsige Küste zu nähern.
Im Sommer, sicher. Da konnte man in die Fenster des Klosters sehen. Ich glaube es war Kap Rocca. Liegt zwar noch nicht in der Biscaya, ist
aber eine ebenso gefährliche Ecke.
deadwood
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Re: Warum fährt man so eine Route?

Beitrag von deadwood »

Globus hat geschrieben: Sa 20. Jan 2018, 13:31 Der einzige Personenschaden, der bei solcher Routenplanung auftritt, wäre die Kündigung des Kapitäns.
Vielleicht war ja die Kurswahl des Kapitäns der MAERSK LANCO eine Solidaritätsadresse an Capitano Schettino.
Ich hoffe aber nichtsdestotrotz, dass der gute Mann seinen Job behalten hat, denn er treibt sich ja sicherlich nicht aus Abenteuerlust auf den Weltmeeren herum, sondern vermutlich hauptsächlich, weil er (wie die meisten von uns) eine Familie zu ernähren hat.

Ich habe von Nautik und den meisten anderen Dingen rund um die Schiffahrt wirklich keine Ahnung.

Aber, dem Internet sei Dank, kann ja heute jeder Unbedarfte (so wie ich) sich zum scheinbaren Experten aufschwingen und die haarsträubendsten Vermutungen und Analysen in virtuellen Selbstbestätigungskammern wie dieser hier vom Stapel lassen.

Und tatsächlich findet man auch immer etwas, was die eigenen Hirngespinste zu stützen scheint, wenn man nur ein bisschen sucht.

So liess mich diese BBC Meldung, die (welch wundersamer Zufall) auch noch ein Containerschiff der MAERSK Line vor knapp 4 Jahren betraf, das (allerdings eher am nördlichen Eingang der Biskaya) ein Opfer von Rollresonanz infolge Parametrischen Rollens geworden zu sein scheint, nach entsprechenden Unfallberichten suchen.
Und bereits der nächste Klick, liess mich auf jenen Marine Accident Report des Danish Maritime Accident Investigation Board zum Unfall der SVENDBORG MAERSK stossen.

Ich finde die Lektüre der weniger als 30 Seiten dieses Berichts zumindest äusserst interessant, auch wenn der nicht das Mindeste mit dem ominösen Kurs der MAERSK LANCO zu tun haben mag.

Ich bin der Letzte, der die Kompetenz eines erfahrenen Nautikers in Zweifel zieht.
Die bisherigen Untersuchungen des Parametrischen Rollens und die gewonnenen Erkenntnisse aus der Analyse derartiger Unfälle scheinen aber darauf hinzudeuten, dass den Nautikern nicht selten die Erfahrungen sowie vor allem die notwendigen Daten fehlen, um die Situation richtig einschätzen zu können und in einer angemessenen Zeit die notwendigen Entscheidungen zu treffen, ihr Schiff aus einer akuten Gefahrensituation zu manövrieren, um Schäden an Crew, Ladung und Schiff zu vermeiden.

Interessant erscheint mir die Formulierung im Abschnitt Conclusions, so dass ich die gerne zitieren möchte.
DMAIB Report abt. MV SVENDBORG MAERSK Accident Section 5 Conclusions hat geschrieben: The accident happened when SVENDBORG MÆRSK, on two separate occasions, encountered
extremities in an adverse weather situation in the northern part of the Bay of Biscay. The extremi-
ties caused sudden heavy rolling of the ship that led to the loss of 517 cargo containers and dam-
age to approx. 250 cargo containers. A number of factors coincided and caused the incidents and
subsequent consequences.
An adverse weather situation was forecasted in SPOS and the ship had prepared for this. Howev-
er, the weather as a combination of dynamic forces and the extremities encountered by SVEND-
BORG MÆRSK was not expected by the master and crew members. It was inherently challenging,
beforehand, by the means available, to gain a mental overview depicting the exact weather and
wave situation the ship encountered during the incidents, including the ship ́s motional behaviour,
as many variables were involved.

The master ́s decision-making prior to the heavy weather navigation was largely reliant on his per-
sonal experience with heavy weather and the ship he commanded. Decision-making was chal-
lenged during uncertain and dynamic conditions with limited data at hand, or a limited recognition
of their meaning in combination with the generic SMS procedures available, that will inherently
have a deviance in work as described and how work is carried out, which provided poor decision-
making support for the master. The quality of the master ́s decisions would therefore only be obvi-
ous afterwards, when the outcome was known.
bonito
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Re: Warum fährt man so eine Route?

Beitrag von bonito »

Hallo deadwood,
finde deine links sehr interessant. Ich glaube, dass dieses Thema noch etwas unterschätzt wird und es sicherlich noch einiges an Forschung bedarf.

Danke
Gruß
bonito
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Stephan Giesen
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Re: Warum fährt man so eine Route?

Beitrag von Stephan Giesen »

deadwood hat geschrieben: So 21. Jan 2018, 16:48
Globus hat geschrieben: Sa 20. Jan 2018, 13:31 Der einzige Personenschaden, der bei solcher Routenplanung auftritt, wäre die Kündigung des Kapitäns.
Vielleicht war ja die Kurswahl des Kapitäns der MAERSK LANCO eine Solidaritätsadresse an Capitano Schettino.
Ich hoffe aber nichtsdestotrotz, dass der gute Mann seinen Job behalten hat, denn er treibt sich ja sicherlich nicht aus Abenteuerlust auf den Weltmeeren herum, sondern vermutlich hauptsächlich, weil er (wie die meisten von uns) eine Familie zu ernähren hat.

Ich habe von Nautik und den meisten anderen Dingen rund um die Schiffahrt wirklich keine Ahnung.

Aber, dem Internet sei Dank, kann ja heute jeder Unbedarfte (so wie ich) sich zum scheinbaren Experten aufschwingen und die haarsträubendsten Vermutungen und Analysen in virtuellen Selbstbestätigungskammern wie dieser hier vom Stapel lassen.

Und tatsächlich findet man auch immer etwas, was die eigenen Hirngespinste zu stützen scheint, wenn man nur ein bisschen sucht.

So liess mich diese BBC Meldung, die (welch wundersamer Zufall) auch noch ein Containerschiff der MAERSK Line vor knapp 4 Jahren betraf, das (allerdings eher am nördlichen Eingang der Biskaya) ein Opfer von Rollresonanz infolge Parametrischen Rollens geworden zu sein scheint, nach entsprechenden Unfallberichten suchen.
Und bereits der nächste Klick, liess mich auf jenen Marine Accident Report des Danish Maritime Accident Investigation Board zum Unfall der SVENDBORG MAERSK stossen.

Ich finde die Lektüre der weniger als 30 Seiten dieses Berichts zumindest äusserst interessant, auch wenn der nicht das Mindeste mit dem ominösen Kurs der MAERSK LANCO zu tun haben mag.

Ich bin der Letzte, der die Kompetenz eines erfahrenen Nautikers in Zweifel zieht.
Die bisherigen Untersuchungen des Parametrischen Rollens und die gewonnenen Erkenntnisse aus der Analyse derartiger Unfälle scheinen aber darauf hinzudeuten, dass den Nautikern nicht selten die Erfahrungen sowie vor allem die notwendigen Daten fehlen, um die Situation richtig einschätzen zu können und in einer angemessenen Zeit die notwendigen Entscheidungen zu treffen, ihr Schiff aus einer akuten Gefahrensituation zu manövrieren, um Schäden an Crew, Ladung und Schiff zu vermeiden.

Interessant erscheint mir die Formulierung im Abschnitt Conclusions, so dass ich die gerne zitieren möchte.
DMAIB Report abt. MV SVENDBORG MAERSK Accident Section 5 Conclusions hat geschrieben: The accident happened when SVENDBORG MÆRSK, on two separate occasions, encountered
extremities in an adverse weather situation in the northern part of the Bay of Biscay. The extremi-
ties caused sudden heavy rolling of the ship that led to the loss of 517 cargo containers and dam-
age to approx. 250 cargo containers. A number of factors coincided and caused the incidents and
subsequent consequences.
An adverse weather situation was forecasted in SPOS and the ship had prepared for this. Howev-
er, the weather as a combination of dynamic forces and the extremities encountered by SVEND-
BORG MÆRSK was not expected by the master and crew members. It was inherently challenging,
beforehand, by the means available, to gain a mental overview depicting the exact weather and
wave situation the ship encountered during the incidents, including the ship ́s motional behaviour,
as many variables were involved.

The master ́s decision-making prior to the heavy weather navigation was largely reliant on his per-
sonal experience with heavy weather and the ship he commanded. Decision-making was chal-
lenged during uncertain and dynamic conditions with limited data at hand, or a limited recognition
of their meaning in combination with the generic SMS procedures available, that will inherently
have a deviance in work as described and how work is carried out, which provided poor decision-
making support for the master. The quality of the master ́s decisions would therefore only be obvi-
ous afterwards, when the outcome was known.
Sehr guter Beitrag, wohlformuliert und somit sehr angenehm zu lesen und obendrein noch ein Paradebeispiel an Selbstreflexion.

Fakt ist sicherlich, dass bei den heutigen Kommunikationsmöglichkeiten der Kurs mit der Reederei bzw. dem Charterer abgestimmt war und - aus welchen Gründen auch immer - seine Begründung hatte, die wir hier sicherlich nicht herausarbeiten können und werden.
Mit maritimen Gruß

Stephan
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