Maxim Gorkiy auf dem Strand

ASchröder
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Re: Maxim Gorkiy auf dem Strand

Beitrag von ASchröder »

Hallo Zusammen,

für mich sind die Worte von Anders Bitsch-Christensen dazu besonders ergreifend ... .

http://www.club-ts-hamburg.eu/seiten/ak ... _maxim.htm

:( :(

Viele Grüße aus Kiel.

Andreas
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Peter Hartung
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Re: Maxim Gorkiy auf dem Strand

Beitrag von Peter Hartung »

Guten Abend!

Habe lange gezögert, mich als weitgehend Unbeteiligter und aus einer ziemlichen Distanz (innerlich als auch örtlich - war Anfang Februar zwei Wochen im Urlaub ohne http://www - ) mit dem Versuch eines Resümees zu Wort zu melden. Dazu diese Vorbemerkung:
Wenn sich die Einsatzzeit eines Passagierschiffes wie die Ex-"HAMBURG" dem Ende nähert, sind immer Emotionen im Spiel. Da ging es mir genauso wie vielen anderen, auch wenn ich niemals eine Reise mit dem Schiff gemacht habe. Aber ich erinnere mich noch gut, wie wir damals an Teufelsbrück, bibbernd in der Kälte, den weißen Schwan in sein Element gleiten sahen. Vierzig Jahre ist das her und "wir" waren damals Berufsschüler der Reeder- und Schiffsmakler-Klassen der Handelsschule vom Holstenwall in Hamburg. Ich bin selbst Mitglied im Museumsschiff-Verein für die MS "BLEICHEN", ein Schiff, auf dem ich vor vierzig Jahren oftmals, wenn es nach Hamburg kam, als Waterclerk zu tun hatte.

Ich will es mal so versuchen.

1. muss die Sache mit der "Maxim Gorki" ex "Hamburg" vom Ende her durchdacht werden.

Und 2. vom Anfang her.

Vom Ende her:

Mr. Mehta von der PRIYA BLUE INDUSTRIES PVT. LIMITED, in Alang (Provinz Gujarat, Indien) soll angeblich der Käufer der "MAXIM GORKI" sein. Er soll auch schon die "NORWAY" auf den Strand gezogen haben. Wann er genau von wem die "MAXIM GORKI" gekauft hat, habe ich bisher nicht herausfinden können. Auch nicht, ob Mehta überhaupt der Käufer und Abwracker des Schiffes ist. Es ist aber eine wichtige Frage! Wer Herrn Mehta in Alang ein 40 Jahre altes Schiff zum Abwracken verkauft, hat dafür offensichtlich gute Gründe. Angesichts der stark gesunkenen Schrottpreise vermute ich mal, der Verkäufer tat es eher wegen einer "Rundum-Sorglos-Entsorgung" eines Schiffes, dessen "Demolition" auch an einem anderen Ort möglich gewesen, aber wahrscheinlich "umwelttechnisch" problematisch und damit kostenträchtig gewesen wäre. Wer sich entscheidet, sein altes Schiff nach Alang abzuschieben, hat woanders damit ein Problem. Weil ihm dort der Abwracker nicht genug bezahlen will und weil Alang für das Abwracken alter Schiffe steht, die anderswo nicht oder ungern angenommen werden, weil sie voll sind mit Asbest und Schadstoffen. Ich sage, wer sein Schiff nach Alang schickt, scheut die Kosten für eine einigermaßen umweltverträgliche Verwertung des Schiffes. Das kostet und bringt nur einen schlechten Schrottpreis. Und bis auf die CLEMENCEAU kam niemals ein Schiff von Alang wieder zurück. Alang (und Chittagong) stehen immer noch für: Grausame zum Teil tödliche Arbeitsbedingungen und allerschlimmste Umweltsauereien (Schadstoffe, Einleitung von verunreinigtem Ballastwasser). Wenn ich höre "Casinoschiff" oder "Hotelschiff", wenn es um die Zukunft eines alten Kreuzliners geht, dann ist das für mich mittlerweile gleichbedeutend mit Alang. Exemplarisch habe ich mal vor gut einem Jahr das Ende der "AQUARAMA" ex "MARINE STAR" dokumentiert, die aus den Großen Seen (Buffalo) nach Aliaga (Izmir/Türkei) entsorgt wurde. Bis durch den St. Lorenz-Kanal hielten die Verkäufer öffentlich den Eindruck aufrecht, dass Schiffe ginge nach Griechenland, um zu einem Casinoschiff umgebaut zu werden. Ich sage, sie hatten von Anfang an die Öffentlichkeit angelogen.

Man hätte zum Beispiel die "MG" doch auch in Aliaga (Izmir) abwracken lassen können. Schließlich endete die letzte reguläre Mittelmeer-Kreuzfahrt-Reise der "MAXIM GORKI" am 30. November 2008 in Venedig. Warum entschieden sich die Verkäufer für einen Abbrecher in Alang?

Wichtig zu wissen ist auch, wie es um die Schiffspapiere stand.

An Hand der nachfolgenden Liste des Norske Veritas ist zu erkennen, dass folgende wichtige Zertifikate nur vom 20. Januar bis zum 28.Februar 2009 befristet waren und dann offenbar ausliefen! Das heißt, ab dem 20.1.2009 befand sich das Schiff auf einer Reise ohne Wiederkehr! Und die Klöß´ waren gegessen, wie der Hesse sagt. Mein Eindruck: Ein Blick bei equasis, ein Anruf beim Norske Veritas hätte da frühzeitig Klarheit schaffen können.

Statutory/Other Certificates/Code /Certificate Term/Issued/Expires/Ext. until
ILLC International Load Line Certificate Short 2009-01-20 2009-02-28
CCC Cargo Ship Safety Construction Certificate Short 2009-01-20 2009-02-28
CEC Cargo Ship Safety Equipment Certificate Short 2009-01-20 2009-02-28
CRC Cargo Ship Safety Radio Certificate Short 2009-01-20 2009-02-28
PSSC Passenger Ship Safety Certificate
SMC Safety Management Certificate Interim 2009-01-21 2009-02-28
ISSC International Ship Security Certificate Interim 2009-01-21 2009-02-28
IOPP-A International Oil Pollution Prevention Certificate, Type A Short 2009-01-20 2009-02-28
ISPP International Sewage Pollution Prevention Certificate Short 2009-01-20 2009-02-28
IAPP International Air Pollution Prevention Certificate Short 2009-01-20 2009-02-28
IAFS International Anti-Fouling System Certificate Full
TMC International Tonnage Certificate (1969) Full 1993-09-20
EXECOLREG Exemption Certificate for COLREG Short 2009-01-20 2009-02-28

Das heißt: Spätestens morgen, Samstag, am 28. Februar 2009 war Schluss mit lustig für die "MAXIM GORKI".
Entsprechend "pünktlich" wurde sie in Alang "gebeached"! Und am 16.2.2009 hätte man schon alle Rettungsanstrengungen einstellen können.
Der letzte Eigner war die ADVANCED DISTRIBUTION CO LTD in Liberia. Laut Greenpeace-Shipbreaking-Seite ist Advanced Distribution im Abbrecher-Geschäft tätig. Vgl. dort den Abbruch der "GERD" http://www.greenpeaceweb.org/shipbreak/ ... .asp?id=59 . Der Norske-Eintrag datiert vom 16.2.2009!
Und der letzte Shipmanager war PELMAR SHIPPING & ENGINEERING, Thane-Belapur Road, Thane, India. Norske-Eintrag ebenfalls vom 16.2.2009. Thane oder auch Thana liegt bei Bombay (Mumbai).
Meine Internet-Recherche ergab, dass PELMAR im "Ship demolition"-Geschäft tätig ist. Siehe: http://www.robindesbois.org/english/shipbreaking11.pdf dann Pelmar in die Suchmaske eingeben. Wobei interessant ist, dass Pelmar "Connections" zu russischen Eignern hat...


Bild
Hier sehen wir die Route ihrer letzten Kreuzfahrtreise: Quelle: club-ts-hamburg

Und schon lange vorher wurde von dem Veranstalter groß angekündigt: "Mitte Mai 2008 beginnt die einzigartige Abschiedstournee der TS Maxim Gorki durch europäische Gefilde. Auf insgesamt 14 Reisen stehen bis Ende November über 152 Häfen, Traumküsten, Fjorde und Inseln auf dem Programm." Quelle: club-ts-hamburg.

Ernsthafte Verhandlungen für den Erwerb des Schiffes zum Zwecke eines Hotel- und Museumschiffes mit Liegeplatz in Hamburg hätten m.E. spätestens vor Beginn der letzten Kreuzfahrtreise Ende 2007/Anfang 2008 beginnen müssen, natürlich verbunden mit Gesprächen mit den Hamburger Hafenbehörden wegen eines adäquaten Liegeplatzes. Und zu diesem Zeitpunkt hätte aber auch das Geld für den Ankauf des Schiffes "im Sack" sein müssen.

Es gibt einen Hinweis im Hamburger Abendblatt, dass am 1. Dezember 2007 wie folgt berichtete:

Hafencity
"Maxim Gorki" bald Museumsschiff?
Das Kreuzfahrtschiff "Maxim Gorki" soll Ende November 2008 außer Dienst gestellt werden. Der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Hans Lafrenz will sich jetzt dafür einsetzen, dass das 1969 bei Blohm+Voss als "Hamburg" vom Stapel gelaufene Schiff in die Hansestadt zurückgeholt wird. Hier könne es als Hotel- und Museumsschiff in der HafenCity genutzt werden.


Wie ist Lafrenz danach vorgegangen? Was genau hat er seit diesem Zeitpunkt in Sachen "MAXIM GORKI" in Angriff genommen? Und warum hat man dann fast ein Jahr nichts mehr von ihm gehört?

Den vielen Blogs und Foren konnte ich nur entnehmen, dass erst ab Ende 2008 die Diskussion um eine bessere Zukunft für das Schiff begann, aber da fuhr sie schon an Port Said vorbei und zu diesem Zeitpunkt war das Ding gelaufen.

Ja, und wenn man die Sache vom Anfang her denkt, dann ist es eigentlich kein Wunder, dass auch das Ende des Schiffes "unglücklich" wurde.

Axel Bitsch Christensen war gewiss ein großer Seetouristik-Visionär, aber er war ein Aussenseiter im alteingesessenen Hamburger Reeder-Milieu. Dort betrieb man sein Geschäft seit 100, 150, 200 Jahren. Auch ABC´s Finanzierungsmethoden waren "seiner Zeit voraus", und zwar sowohl im Erfolg als auch im Scheitern. Und er baute einen wunderschönen Atlantik-Liner zu einem Zeitpunkt, wo diese Ära endgültig zu Ende ging. Damit war er seiner Zeit hinterher. Man darf nicht vergessen, dass Schiff lief 1968 vom Stapel und 1973 legte ABC eine fulminante Pleite in zugegeben schwierigen Schiffahrtszeiten hin. Danach konservierte der real existierende Sozialismus bis zu seinem Untergang 1989 das Schiff. Der Anfang der Geschichte hat diesbezüglich eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Scheitern der "Heimholung" nach Hamburg.

Seine Aussenseiter-Rolle damals und seine Insolvenz mit dem Schiff nach nur drei Jahren sind nicht aus dem kollektiven Gedächtnis Hamburgs verschwunden. Und so mag dies auch eine "mentale" Rolle gespielt haben, weshalb es so mühsam war, einen Liegeplatz bei den Hamburger Hafenbehörden und im Senatsgehege zügig zu sichern.

Es macht keinen Sinn, nun auf "die Politik" loszudreschen. Die hat ein feines Gefühl dafür, was sich politisch instrumentalisieren lässt und was nicht. Angesichts der HSH-Pleite war wirklich Zurückhaltung angebracht. Wenn man weiß, dass so viele Menschen dieses Schiff kennen, dann lässt sich die Sache schnell für das eigene Profil instrumentalisieren. Und das waren in den letzten Wochen nicht nur Politiker. Und damit wurden die Sentimentalitäten der Shiplover ausgebeutet.

Bleibt noch folgendes:

Die wirtschaftliche Rezession (und das zu späte Handeln) machte letztendlich das Projekt, die Hamburg zurückzuholen, zum unkalkulierbaren Risiko:

1. hinsichtlich der notwendigen Kredite, denn auch Investoren zahlen nicht mit Bargeld, sondern leihen sich für ein "Hotelschiff" das Geld bei den Banken. Und hätten die Banken wirklich mitgespielt?

2. hinsichtlich der zu erwartenden gesetzlichen Auflagen für Brandschutz, Instandsetzung, Genehmigung Liegeplatz, Landanbindung, Restaurierungs- und Unterhaltsarbeiten usw. Für das finanzielle Risiko dafür gibt sich augenblicklich keine Behörde und keine Werft her. Auch angesichts des Fiaskos mit der "MERCATOR II" ex "Wappen von Hamburg" nebenan in Bremerhaven.

3. hinsichtlich der scharfen Konkurrenz mit notleidenden Hotelbetrieben an Land, die in wirtschaftlich schwierigen Zeiten keine Hotelbetten am Wasser haben wollen.

4. ist mir bis heute völlig unklar geblieben, wie sich die Investoren mit ihren Unterstützern von der Gesellschaftsform (GmbH, GbR, Stiftung, gemeinnütziger Verein, Beirat, etc.) her aufstellen wollten?

5. hinsichtlich eines meiner Meinung nach offenkundg mit heißer Nadel unter großen Zeitdruck gestrickten "Konzeptes". Ich setze das Wort Konzept, das ich genau gelesen habe, ganz bewusst in Anführungsstriche.

Und wo bleibt das Positive? Das Positive war der Idealismus und das Engagement des großen Unterstützerkreises, der sich wo auch immer für dieses Schiff stark gemacht hat.

mfg Peter Hartung

PS.:
Beim Germanischen Lloyd habe ich eine Liste von international vorgeschriebenen Zeugnissen/Dokumente gefunden, die heute für den Betrieb eines Passagierschiffes verlangt werden:

International vorgeschriebene Zeugnisse / Dokumente
1 International load line certificate
2 Passenger ship safety certificate
3 International oil pollution prevention certificate (IOPP-Certificate)

(MARPOL Annex I)
4 Approval of shipboard oil pollution emergency plan (SOPEP) (MARPOL

Annex I) 1
5 International sewage pollution prevention (ISPP) certificate (MARPOL

Annex IV)
6 Certificate concerning the prevention of pollution by garbage (MARPOL

V)
7 International air pollution prevention (IAPP) certificate acc. to

MARPOL VI
8 Engine international air prevention certificate (EIAPP) MARPOL Annex

VI
9 Statement of compliance for antifouling systems
10 Test certificate for life saving launching appliances (passenger

ships, board trials)
11 International tonnage certificate (1969)
12 Suez canal tonnage certificate
13 Certificate of compliance regarding Suez canal authority regulations

(Rules of Navigation)
14 Panama canal tonnage certificate
15 Certificate of compliance regarding Panama canal regulations

(shipping and navigation)
16 Certificate of compliance regarding St. Lawrence seaway regulations
17 Certificate of compliance regarding US-Coast guard regulations CFR

Title 33 Parts 155, 159 and 164 (oil pollution
prevention, marine sanitation device, navigation safety regulations)
18 Statement of compliance regarding German / SeeBG regulations (UVV /

SchSV)
19 Certificate of compliance regarding ILO-Convention No. 92 and 133

(crew accommodation) 2)
20 Statement of compliance regarding noise (IMO 468) and vibration (ISO

6954, ed. 2000)
21 Certificate of compliance regarding noise (IMO 468) and vibration

(ISO 6954, ed. 2000) – incl. measurement
22 Certification for lifting appliances: other lifting appliances

(board trials)2
23 Certification for lifts (board trials)
24 Statement of compliance regarding inventory of hazardous materials

(MEPC 56/3/2)
25 Statement of compliance with IMO PSPC (Resolution MSC.215(82)
Zuletzt geändert von Peter Hartung am So 1. Mär 2009, 22:09, insgesamt 30-mal geändert.
Alle Fotos von Peter Hartung sind (falls nicht anders angegeben) unter einer
Creative Commons-Genehmigung lizenziert. Siehe hier: Foto-Lizenz: CC-BY-NC-ND
Jürgen Stein

Re: Maxim Gorkiy auf dem Strand

Beitrag von Jürgen Stein »

Hallo Peter,
Für deinen Beitrag kann man einfach nur den Hut ziehen.
Ich glaube kaum, dass dein Beitrag in dieser Form der Sachlichkeit noch zu toppen ist.

Jürgen ;)
Cornelia
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Registriert: Di 15. Jan 2008, 20:14
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Re: Maxim Gorkiy auf dem Strand

Beitrag von Cornelia »

Jürgen Stein hat geschrieben:Hallo Peter,
Für deinen Beitrag kann man einfach nur den Hut ziehen.
Ich glaube kaum, dass dein Beitrag in dieser Form der Sachlichkeit noch zu toppen ist.

Jürgen ;)
Ich schliesse mich dem an, Peter Hartung hat sich die Mühe gemacht, alles Wesentliche zusammenzuschreiben was die Sache "Maxim Gorkiy" betrifft.

Man kann nun sagen, das ist es gewesen, alles jammern und sich gegenseitig oder eben anderen die Schuld zuzuschieben ist völlig sinnos.

Persönlich hoffe ich, dass man aus der Sache Lehren gezogen hat und dass man vielleicht bei einem nächsten Versuch, in besseren Zeiten, mit einem besseren Konzept, und einem anderen Schiff mehr Erfolg durch mehr Vorbereitung und einem klar ersichtlichen Konzept haben wird.
Denis
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Re: Maxim Gorkiy auf dem Strand

Beitrag von Denis »

Dem kann ich mich nur anschliessen, endlich mal fundierte Aussagen, die leider, wenn es auch manchen schmerzen mag, wahr sind.
Danke ! Danke auch für den sachlichen Ton ! Hut ab !
Denis
Palma de Mallorca
Michael S.
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Re: Maxim Gorkiy auf dem Strand

Beitrag von Michael S. »

Moin Peter,
danke für die Zusammenstellung, sie lässt nur völlig das Orient Lines-Projekt außer acht, dessen Scheitern u.a. ein Grund für das enge Zeitfenster war. Dieses sei hier ergänzt. Näheres gibt es unter http://www.kreuzfahrten-treff.de/der-re ... t1160.html.
Gruß
Michael
Stefan Weis

Re: Maxim Gorkiy auf dem Strand

Beitrag von Stefan Weis »

Moin moin,
Peter, vielen Dank für deinen Beitrag!
Sowas sachliches habe ich selten in einem Internetforum gelesen, du sagst eigentlich alles, was dazu gesagt werden muss.
Einfach nur Daumen hoch für dieses Posting!
Liebe Grüße,
Stefan
Wasteman
Beiträge: 19
Registriert: Mo 16. Feb 2009, 21:55

Re: Maxim Gorkiy auf dem Strand

Beitrag von Wasteman »

Peter Hartung hat geschrieben: ... Wer Herrn Mehta in Alang ein 40 Jahre altes Schiff zum Abwracken verkauft, hat dafür offensichtlich gute Gründe. ..., der Verkäufer tat es eher wegen einer "Rundum-Sorglos-Entsorgung" eines Schiffes, ...
... Exemplarisch habe ich mal vor gut einem Jahr das Ende der "AQUARAMA" ex "MARINE STAR" dokumentiert, die aus den Großen Seen (Buffalo) nach Aliaga (Izmir/Türkei) entsorgt wurde. Bis durch den St. Lorenz-Kanal hielten die Verkäufer öffentlich den Eindruck aufrecht, dass Schiffe ginge nach Griechenland, um zu einem Casinoschiff umgebaut zu werden. Ich sage, sie hatten von Anfang an die Öffentlichkeit angelogen.
Ja, genau das ist es!
Der Trick besteht darin glaubhaft darstellen zu können, es gäbe einen weiteren Verwendungszweck / eine weitere Zweckbestimmung für das Schiff, z.B. als schwimmendes Hotel. Damit entfällt das wichtigste juristische Kriterium für das Vorliegen einer Abfalleigenschaft, der sogenannte Entledigungswille. Nationale und internationale Abfallgesetze und Verordnungen greifen dann oftmals nicht mehr.
Auf diese Weise konnte damals auch die NORWAY Deutschland und die EU verlassen und dem Geltungsbereich der Gesetzgebung entkommen: Der Nachweis einer beabsichtigten Entledigung konnte nicht geführt werden, obwohl man sich große Mühe gab. Wie die Geschichte endete ist hinlänglich bekannt.
Und wohin geht es mit dem Sondermüll: Natürlich dahin, wo es billig ist, weil die Standards niedrig sind und die Menschen keine andere Wahl haben als diese Arbeit heute zu machen oder morgen zu verhungern. Auf die Zertifikate, mit denen die Unternehmen werben, darf man nicht viel geben: Wo der Maßstab "low level" ist, wird auch nach „low level“ zertifiziert und gehandelt. Und so wechselt mit so manchem alten Seelenverkäufer jede Menge gefährlicher Beseitigungsabfälle den Besitzer.
Aber es sind nicht nur die Abbrecher, die unter - oder besser gesagt mit - diesen Arbeitsbedingungen ihren Profit maximieren, sondern auch diejenigen, die ihn immer wieder und gerne mit Nachschub beliefern. Der Prozess ist einfach noch zu profitabel für alle Beteiligten, solange es so noch möglich ist. Sich künftig verschärfende Auflagen und die Finanzkrise scheinen vor diesem Hintergrung ja einen wahren Boom ausgelöst zu haben.

Wie es da so zugeht kann man ganz gut hier sehen

http://www.greenpeaceweb.org/shipbreak/ ... sp?m=v&c=t

dort dann unter "Video gallery" und "China", "India" oder "Turkey" und dann die webmovies dort, oder hier in Chittagong:

http://www.cbsnews.com/video/watch/?id=2154127n

Auch von mir ein großes Dankeschön für die umfangreiche Zusammenstellung der Details im Fall "MAxim Gorkiy".

Grüße und einen schönen Sonntag noch

Wolfgang
Eckhard

Re: Maxim Gorkiy auf dem Strand

Beitrag von Eckhard »

Hallo Peter,

danke für Deine umfassende Aufarbeitung. Obwohl wir mit unserer Ausarbeitung noch weit entfernt vom Abschluss sind, möchte ich Ergänzungen liefern:

- Für die Initiatoren war ein Vertreter einer namhaften Schiffsmaklerfirma eingeschaltet, der vor Ort in Indien die Übernahmemodalitäten verhandelte und bis zur Übergabe an den Abwracker sofort die Möglichkeit gehabt hätte, den Weg in die Verschrottung zu stoppen.

- Richtig, die von Dir aufgeführten Zertifikate waren nur vom 20. Januar bis zum 28.Februar 2009 gültig. Bei Übernahme des Schiffes wäre daher umgehend ein "Last Voyage Certificate" ausgestellt worden, mit dem die Rückführung nach Hamburg hätte durchgeführt werden können.

ERGÄNZUNG:

- Was schert es einen Inder, welche Zertifikate vorliegen, sofern/sobald ein Schiff auf Reede vor Alang liegt? Sind die vielen, dort zum Teil für Jahre aufliegenen Schiffe versichert? Gibt es zu diesen Schiffen irgendwelche Zertifikate oder gar Instanzen, die nach selbigen fragen? Das "Abwickeln" dieses Schiffes innerhalb des Zeitrahmens liegt vor allem daran, daß die Antriebstechnik nur durch die russische Stammbesatzung bedient werden konnte. Und daher wurde diese Truppe bis zum 28.02.2009 engagiert. Jedes weitere Hinauszögern der Strandung hätte dem Abwracker weitere Kosten erbracht. Daher wurde konsequenter Weise in diesem Zeitfenster die Sache "zu Ende gebracht".

- Ich bin erst im Januar zur Gruppe der Initiatoren hinzugestoßen und hatte zu dem Zeitpunkt die Vorgeschichte bezüglich der laufenden Verhandlungen nur Lückenhaft verfolgt. Was aber meines Wissens die weiteren Sondierungen im Jahr 2008 beeinträchtigte und zum Aussetzen führte, waren die Übernahmeverhandlungen durch die Orient Lines. Meines Erachtens hätten trotz dieser Gespräche auch die Sondierungen bezüglich der Rückkehr nach Hamburg weitergeführt werden müssen - so fehlte im späteren Verlauf entscheidende Zeit.

Weiteres später, sobald die Aufarbeitung fortgeschritten ist. Hier geht es nicht darum, pauschal jemandem die Schuld in die Schuhe zu schieben. Denn im Laufe des Rettungsversuchs hat jeder an irgend einer Stelle (auch mangels Erfahrung oder Präzedenzfall) einen Fehler begangen. Vielmehr könnte die Auseinandersetzung mit diesem Thema als Leitfaden (auch Leidfaden) für ein anderes, ähnlich geartetes Projekt dienen, wenn es tatsächlich mal wieder jemand wagen sollte, sich an die Rettung eines Schiffes zu begeben.

SG

Eckhard
Toplaterne

Re: Maxim Gorkiy auf dem Strand

Beitrag von Toplaterne »

Maxim Gorkiy liegt wirklich auf da der Schrotthändler mehr geboten hat.

gruß Toplaterne
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