Ein Blick durch die Klüse vom weit ausholenden Bug der BLEICHEN macht
deutlich, welche Größenunterschiede zwischen einem ausgewachsenem
Frachtschiff und einem Küstenmotorschiff bestehen. Und doch ist dieser
Vergleich Schnee von gestern: Im Tonnage-Verhältnis zu einem modernen
Küstenfahrer, einem Feederschiff, wäre heute die BLEICHEN das Kümo.
Tief unterhalb der BLEICHEN liegt das kleine Hamburger Kümo HILLE.
Das überschaubare Achterdeck mit Spielzeugschornstein und Boot nimmt
sich fast zierlich aus gegenüber dem mächtigen alten Finnlandfahrer.
Zum Thema Stückgutumschlag füge ich noch ein Foto der guten alten IRIS-JÖRG bei.
Es zeigt eine Ladeszene wie man sie noch Ende der 70er/Anfang 80er Jahre nicht
häufig, aber doch ab und zu erleben konnte.
Der Burchardkai war als Containerhafen schon voll im Betrieb, weitere Flächen waren
in Arbeit. Es war eine interessante Zeit des Übergangs, denn der konventionelle
Frachtumschlag mit den alten Kampnagel-Kränen war auf der anderen Hafenseite
noch voll im Betrieb - wenn auch mit stark nachlassender Tendenz.
Ich erinnere, daß zu dieser Zeit noch einige konventionelle Frachtschiffe mit Mittelaufbau
im Hafen zu sehen waren. Für HAPAG-Lloyd liefen die letzten modernen Stückgutschiffe
im Indonesien-Dienst. Edelschiffe wie CAP SAN NICOLAS und CAP SAN MARCO waren auf
der Südatlantik-Route im Einsatz. Kurze Zeit später änderte sich das Bild drastisch.
Im Hafen wurde umgeräumt. Konventionelle Frachter tauchten wenn, nur noch unter
exotischer Flagge auf.
Als letzte Vertreter klassischer Schiffbaulinien im Design der 50er/60er-Jahre sind lediglich
die Kümos erhalten geblieben. Sie haben ihre Kollegen aus der Hochseefahrt um Jahrzehnte
überlebt und sind damit die letzten Zeugen der großen Schiffbauära im nordeuropäischen Raum.
Das heutige Museumsschiff IRIS JÖRG mit Schute beim Stückgutumschlag. Die Kaiflächen waren damals für
jedermann zugänglich - man fuhr rauf und machte Fotos..
Bei meinen Streifzügen durch den Hafen machte ich ab und zu Dias wie oben, denn ich ahnte bereits, daß das
alles in kürzester Zeit vorbei sein wird. Als Mitarbeiter des Seemannsheim-Altona hatte ich durch sog. Schiffsbesuche
die Gelegenheit an Bord der Linienschiffe zu kommen, um unsere "Missions"-Broschüre und andere mehr oder weniger
belanglose Dinge zu verteilen.
In diesem Zusammenhang sehe ich vor meinem geistigen Auge eine abgewetzte Dateikarte mit handschriftlichen
Einträgen zweier Schiffsnamen und Schuppen-Nummern: "IRIS-JÖRG" und "ANGELA-JAGEMANN". Wenn ich es
recht erinnere, fuhren diese beiden Kümos damals im Liniendiest für HAPAG-Lloyd Zubringerdienste nach Süd-
Skandinavien. Ein Rundlauf dauerte etwa eine Woche und bediente die Metropolen Göteborg, Kopenhagen, Aarhus,
sowie nach Bedarf einige weitere Häfen in Dänemark. Die Deutsche Seemannsmission nutzte diese Kümo-
Liniendienste um ihre Hauszeitung "Lass Fallen Anker" an ihre Aussenstationen in besagten Häfen zu verteilen.
(Gerade sehe ich, daß es diese Zeitschrift immer noch gibt:
http://www.seemannsmission-brunsbuettel ... _13_04.pdf)
Meine Aufgabe war es, für jede dtsch. Seemannsmission weltweit das richtige Schiff mit Abfahrtzeit und Liegeplatz
zu finden, an Bord zu gehen und die Schiffsführung um Mitnahme zu bitten. Der Job machte mir natürlich enorm Spaß,
weil ich dadurch raus in den Hafen kam. Oft kam man dann beim vollen Lade- oder Löschbetrieb da an.
Besonders bei Ebbe sahen die Kümos vom Kai oben verdammt klein aus.
War ich erst einmal an Bord, wunderte ich mich, wie großzügig doch die Räumlichkeiten selbst auf einem 299er-Kümo
in der Dänemark-Fahrt sein konnten - besonders bei offenen Luken. Von der Position an Deck aus tronte das, was ich
vom Weiten auf der Elbe als kleine Holzhütte wahrnahm, nämlich der schöne holzvertäfelte Brückenaufbau, doch relativ
erhaben und deutlich höher über dem sonstigen Bordgeschehen.
Jedenfalls mußte ich gucken wie ich da hoch kam.
Oben stand der Alte hemdsärmelig, überwachte das Ladegeschehen, brummte einen halben Witz und ließ mich
mein Päckchen ablegen. Ein Erlebnis das Sekunden dauerte - sich aber unauslöschbar bis zum heutigen Tage in meiner
Empfindungswelt-Küstenschiffahrt verankerte. Damals begriff ich sofort, was ich bis heute nicht beschreiben kann:
Eine andere Art - aber doch keine andere Welt. Irgendetwas tickt anders auf diesen kleinen Coastern.
Verdammt anders - und ich mochte es sofort. Ein Gefühl für dessen Beschreibung ich nur ein einziges Wort bereit hätte:
Kümos eben.
und bald weiter hier..
Beste Pfingst-Wünsche!
jan