Unglücks-Thread

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Stephan Giesen
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Stephan Giesen »

Volker Landwehr hat geschrieben: Di 4. Jun 2019, 23:07 Das ist aber Sinn und Zweck der Begleitschlepper. Wenn sie das tote Schiff nicht steuern oder Bremsen können, kann mann sie weg lassen.
Die MSC Opera hat eine ungefähre Verdrängung von 45000 t. Sie fuhr mit 2,8 m/sec. Das gibt eine kinetische Energie von 202.500 kJ. Um das Schiff zu stoppen muss Arbeit in Größe der Energie geleistet werden. Der Heckschlepper, die Elma C, hat einen Pfahlzug von 850 kn. Die Elma C könnte die MSC Opera in 239 m aus 5,5 kn aufstoppen.

Die erforderlichen Steuerkräfte werden in der Literatur bei 10 kn für einen 40.000 DWT Bulker mit 40 t angegeben, für einen 70.000 DWT Bulker mit 60 t. Das berücksichtigt Ruderausschläge des Bulkers bis 30°.

Ein antriebsloses Schiff wäre beherrschbar gewesen, mit laufendem Antrieb nicht.
Gruß, Volker
Nichts für ungut, aber die einen leben eben in der Theorie und die anderen in der Praxis... :roll:
Mit maritimen Gruß

Stephan
BlueWater
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von BlueWater »

StephanG2312 hat geschrieben: Mi 5. Jun 2019, 00:01
Volker Landwehr hat geschrieben: Di 4. Jun 2019, 23:07 ...
Ein antriebsloses Schiff wäre beherrschbar gewesen, mit laufendem Antrieb nicht.
Nichts für ungut, aber die einen leben eben in der Theorie und die anderen in der Praxis... :roll:
So weit liegt ihr doch gar nicht auseinander, denn der offenbar noch laufende Antrieb ist doch der gemeinsame Punkt.

Seit ca. 8:29 (ca. 6kn) sieht der Kurs (offensichtlich) nicht mehr passend aus, gegen ca. 8:31 (ca. 4-5kn) erfolgte bereits der sich auf mehrere Reibungspunkte (Kaimauer + Flußkreuzer) verteilende Einschlag.
Schraubenwasser deutet auf noch aktiven Vortrieb hin (kann natürlich auch schon auf AK zurück gestanden haben, erkenne mit den groben Meßpunkten nicht, ob die 1-2 kn Geschw.Verlust schon durch AK zurück oder erst durch Reibung in der Aufprallzone entstanden, wird die Untersuchung klären).

In diesen knapp 2 min Reaktionszeit die (vermutlich aktiv) weiterschiebende Masse wieder auf Kurs zu bringen (und das mit offenbar frisch aufgetretenen Problemen dies nicht mit normalen Mitteln tun zu können), das war wohl einfach zu kurz für die Beteiligten (die wie schon angemerkt auch erstmal konzertiert hätten werden müssen um konzertiert zu wirken).

Schlepper zieht wohl anfangs noch etwas, ok, wirkt dann aber letztlich doch eher wie hineindrapiert und ohne echte Wirkung,
dann noch Anker raus, ja, aber das wars dann auch.
Dann blieb nur noch der Typhon.
Kam der hohe Ton eigentlich vom Schlepper? Oder haben die Kreuzfahrer (die ja üblicherweise mit dem tiefen Ton unterwegs sind) noch einen weiteren "Not"-Typhoon mit höherer Frequenz)?
-- Freund der Schifffahrt
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Stephan Giesen
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Stephan Giesen »

BlueWater hat geschrieben: Mi 5. Jun 2019, 02:31 So weit liegt ihr doch gar nicht auseinander, denn der offenbar noch laufende Antrieb ist doch der gemeinsame Punkt.
Es geht ja auch garnicht um Meinungsangleichung oder gar Recht oder nicht Recht haben. Ich bin eben nur kein Freund von einer allzu theoretischen Betrachtung. Die Erfahrung hat gezeigt, dass gerade in der Schifffahrt Theorie und Praxis meilenweit auseinander liegen. So schenkt Volker bei seinen Betrachtungen, die sicherlich akribisch recherchiert und über jeden Zweifel erhaben sind, mMn der Tatsache zu wenig Beachtung, dass ein Schlepper im Normalfall nie aus Eigeninitiative handelt, sondern immer nur das macht, was der Lotse ihm sagt. Ebenso werden die Verhältnisse vor Ort (Strömung, Wassertiefe (-> Squat-Effekt) etc.) nicht ausreichend betrachtet. Fakt ist, irgendwas ist da schief gelaufen und sicherlich hätte man irgendwas besser oder anders machen können, um einen Schaden zu minimieren oder gar abzuwenden...aber was, werden wir hier sicher nicht herausfinden.

Ich finde es respektabel und bemerkenswert, wenn sich jemand die Mühe macht, die Leistungen der beteiligten Schlepper zu betrachten und dann zu berechnen, mit welcher Energie so und so eine Masse auf so und so einer Strecke gestoppt werden könnte; jedoch kann ich persönlich wenig damit anfangen und vertraue da vielmehr auf eigene Erfahrungen, die mir sagt, dass jede (Not-)Situation absolut einmalig ist und in den allermeisten Fällen die ganzen schicken Risk Assessments, Handbücher und Verfahrensanweisungen nicht das Papier wert sind, auf dem sie gedruckt wurden.

Abschließend möchte ich noch bemerken, dass das von mir dargestellte Szenario auf der Brücke natürlich mit reichlich Sarkasmus versehen war. Natürlich können die Brückencrews in solchen Momenten wichtiges von unwichtigem trennen und klare Befehle ausgeben; das ist hier weniger das Problem...meist liegt das Problem eher beim Befehlsempfänger, zB bei immer wieder auftretenden Verständigungsproblemen in englischer Sprache. Desweiteren sind gerade beim Einlaufen immer mindestens 10-15 Personen auf der Brücke (Kapitän; Staffkapitän; mind. zwei Wachoffiziere; Rudergänger; Lotse; Steward, der dem Lotsen das Frühstück bringt; Hoteldirektor, der seiner Mitreise die Einfahrt aus der besten Perspektive zeigen will usw. - und alle gackern sie wild durcheinander plus Sprechfunkverkehr. Das ist kein Fantasieszenario, sondern auf vielen Schiffen schlichtweg Realität!

BlueWater hat geschrieben: Mi 5. Jun 2019, 02:31 Kam der hohe Ton eigentlich vom Schlepper? Oder haben die Kreuzfahrer (die ja üblicherweise mit dem tiefen Ton unterwegs sind) noch einen weiteren "Not"-Typhoon mit höherer Frequenz)?
Der muss von einem der Schlepper gekommen sein, ein Kreuzfahrtschiff dieser Größe hat kein solches Typhon.
Mit maritimen Gruß

Stephan
Volker Landwehr
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Volker Landwehr »

Nur noch mal zur Klarstellung. Ich habe mit der Berechnung geantwortet, um zu zeigen, dass Deine Aussage, zwei Schlepper könnten eine antriebslose MSC Opera nicht kontrollieren, so nicht stimmt. Das ganze kann man auch mit einem 40 tbp Schlepper erreichen, es dauert nur länger. Beim Steuern sieht es anders aus. Die 238 m sind ein theoretischer Wert, der durch die von Dir beschriebenen Randbedingungen in der Praxis größer sein wird. Aber das ändert nichts an der Aussage, so dass es für die Betrachtung nicht relevant ist.

Eskorting ist weit und breit theoretisch untersucht und mit Praxistest untermauert. In Valdez, Aleska werden als Training für den Notfall Escortübungen durchgeführt. So wurde u.a. ein 220.000 dwt Tanker (Verdrängung ca. 270.000 t) aus 15 kn in 800 m aufgestoppt. Crash Stop des Tankers wären mehr als 5 km gewesen.

Lange Rede kurzer Sinn: Zwei Schlepper der eingesetzten Größe können die MSC Opera kontrollieren, vorausgesetzt ihre Antriebe sind abgeschaltet.

Ich habe in einem vorigen Post zeitliche Annahmen auf Basis des Post von JanMartin getroffen. Die kann ich wegen eines fehlenden Tracks nicht checken. Danach wäre Zeit zu reagieren gewesen. Stimmen die Zeitangaben von BlueWater, teile ich seine Zweifel.

Mir ist durchaus bewusst, der die Schlepper ihre Befehle vom Lotsen bekommen. Und ich stimme Dir zu, dass wir die Fragen nicht klären können.
Ohne eine Zeitline ist auch der Einsatz der Schlepper schwer einschätzbar. Die Videoaufnahmen legen aber den Verdacht nahe, dass der Bugschlepper, aus welchen Gründen auch immer, nie seine volle Leistung eingestzt hat. Erst als er sich aus der Gefahrenzone bringen muss, wird schlagartig die Leistung erhöht.

Das Verhältnis Schlepper - Lotse ist oft in Hafenregeln festgelegt. In einzelnen Häfen der USA darf laut Regeln von dieser Verfahrensweise in Notfällen abgewichen werden. Leider findet man diese Regeln selten für Europa im Internet.

Alles was schief gehen kann, wird irgendwann schief gehen. Dashalb werden in der Luftfahrt auch die unmöglich erscheinenden Fehler trainiert. Da scheint die Schifffahrt noch weit von entfernt zu sein.

Für den Kanal in Venedig sollte es ein Risk Assessment geben. Beispiel: Wenn dass Schiff wegläuft,wenn möglich Antrieb aus und die Arbeit den angespannten Schleppern überlassen.
Gruß, Volker
Tim S.
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Tim S. »

Heute bei Piet Sinkes Newsclippings aufgelesen:
A recording has emerged of the captain of the "MSC Opera" describing an engine fault causing the vessel to crash into the "River Countess" in Venice. In a conversation with the harbour master,he said that dropping two anchors was not enough because the engine was locked. "We have activated all possible procedures to avoid impact," he said. In the voice recording, the captain of the ship is heard describing what had been done in an attempt to bring the vessel to a standstill after losing control. "We put the tugs in position to widen the gap [between the ship and the deck]," he said, adding that at some point cables attached to the tugs had broken.The head of the tug owner company involved in guiding the ship into its berth, Davide Calderan, confirmed the engine failure and said the captain had reported it "immediately". "The engine was blocked, but with its thrust on, because the speed was increasing," he said. In footage of the incident, the ship's horn can be heard blaring in an attempt to warn tourists on board the docked river cruise ship ahead of impact.
Volker Landwehr
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Volker Landwehr »

Ich habe es auch gelesen und gedacht, was soll der Kapitän auch anderes sagen, als man hätte alles getan, den Einschlag zu verhindern.

Der Schleppdraht ist gebrochen, als die MSC Opera bereits eingeschlagen war. In diesem Video ist die Arbeit des Bugschleppers bis zum Ende zu beobachten: https://youtu.be/gnPhEXXyGG0?t=169
Mit mit laufendem Antrieb der MSC Opera hatte der Heckschlepper trotz 85tbp nur die Chance eine Beschleunigung zu begrenzen. Und für den Bugschlepper machte es am Ende keinen Sinn, mehr zu tun. Die Einschlagstelle hat vermutlich den kleinsten Personenschaden verursacht.

Hier ist ein Foto von den Schäden an der Kaikante: https://i.dailymail.co.uk/1s/2019/06/02 ... 897113.jpg

Im The Maritime Executive ist ein Artikel, der sich mit Ursachen und möglichen Gegenmaßnahmen beschäftigt: https://www.maritime-executive.com/edit ... ne-control
Am Ende des ersten Absatzes steht: Unlike a sudden engine shut down, some reports suggest that the engine was “blocked” and with thrust still fully operational, causing the ship to accelerate. If this is indeed the case, the presence and operation of the emergency engine shut-off system becomes an area of focus.
Gruß, Volker
KaiR
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von KaiR »

wenn die "engine locked" war, wie hat man das Schiff denn dann überhaupt gestoppt bekommen? Die Kaikante und ein bisschen Flusskreuzfahrer dürften kaum ausreichen, die Antriebskraft zu kompensieren, wenn es zwei Schlepper nicht schaffen.
Grüße,

Kai
Volker Landwehr
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Volker Landwehr »

Keine Ahnung. Entweder haben sie das Problem beheben können oder doch den Notausschalter für die Elektromotoren betätigt.
Gruß, Volker

PS: Hat jemand das AIS-Tracking der MSC Opera von einem der Anbieter heruntergeladen und kann es bitte posten?
Volker Landwehr
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Volker Landwehr »

Hier ist ein Video, dass die letzten Sekunden von Kaiseite zeigt: https://youtu.be/o3ZLHArUEfw
Es zeigt auch den Bugschlepper Edda C, ebenfalls 85tbp, die zu diesem Zeitpunkt kurz vor dem Einschlag Zug in Fahrt- und Querrichtung ausübt andere gerade beginnt, sich seitlich in eine bessere Position abzusetzen.
Gruß, Volker
Winnie
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Main-Donau-Kanal gesperrt

Beitrag von Winnie »

Nach einer Schleusenhavarie bei Riedenburg ist der Main-Donau-Kanal in diesem Abschnitt mindestens eine Woche gesperrt:

https://www.donaukurier.de/nachrichten/ ... 71,4211349
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