Unglücks-Thread

weserwolf
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von weserwolf »

Vereinfachen wir das doch mal:

Mir ist bewußt, daß internationale Regelungen von deutschem Recht abweichen (Haftungsgrenzen etc.), ich nehme jedoch an, daß meine Einschätzung durchaus als Basis anzunehmen ist.

1. Zivilrecht:
Für die entstandenen Schäden am eigenen Fahrzeug, am Riff sowie die Bergungskosten ist der Reeder in Haftung zu nehmen. Inwieweit er die Kosten auf das Versicherungskonsortium abwälzen kann, ist seine Sache. Ebenso, ob er dem Kapitän das letzte Hemd auszieht, was jedoch - wie weiter oben schon erwähnt - noch nicht einmal einen Tropfen auf dem heißen Stein bedeuten dürfte.

2. Strafrecht:
Der Reeder kann nicht auf allen Schiffen gleichzeitig sein. Zudem ist der Kapitän an Bord ohnehin der 'master next god'. Hier ist der Vertrauengrundsatz zu unterstellen, nämlich daß der Inhaber eines Kapitänspatents auch geeignet und befähigt ist, ein Schiff zu führen. Daß der Reeder dem Kapitän ein derart großes Schiff anvertraut hat, läßt darauf schließen, daß er von der entsprechenden Befähigung des Kapitäns überzeugt ist/war ...
Die Verantwortung für die gewissenhafte Führung des Schiffes hat der Reeder deshalb an den Kapitän delegiert. Dies ist eine rechtlich anerkannte Notwendigkeit. Damit ist der Kapitän schuld- und zivilrechtlich - ähnlich wie der von den Aktionären bestimmt Geschäftsführer einer AG - uneingeschränkt verantwortlich für alle Vorgänge auf und mit dem Schiff (Der Geschäftsführer ist ebenso verantwortlich, wenn zuhause die Hütte brennt, es sei denn, daß er nachweislich die Verantwortlichen vor Ort regelmäßig ordnungsgemäß eingewiesen hat.)
Von 'Schuld' des Reeders ist somit nicht auszugehen.

Frage in diesem Zusammenhang: Müssen Kapitäne sich ebenfalls regelmäßig auf ihre Eignung testen lassen ?

3. Umwelt:
Da ausschließlich zu dem Betrieb des Schiffes erforderliche eigene Betriebsstoffe ausgetreten sind, liegt die Haftung hierfür ebenfalls bei dem Reeder.
Anders wäre dies, wenn im Lohnauftrag beförderte Fracht ausgetreten wäre. In diesem Fall - man spricht von Gefährdungshaftung - wäre auch der Eigner der Fracht an den durch diese entstandene Schäden zumindest anteilig heranzuziehen, denn er hat gefährliche Ware auf den Weg gebracht. In Deutschland ist diese Haftung unbegrenzt.
Auf die Deutschen ist Verlass: sie sind dagegen
Volker Landwehr
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Volker Landwehr »

Sindbad hat geschrieben: Mo 24. Aug 2020, 17:45 Vorweg: Ich arbeite an Bord von Seeschiffen.
1) Der Rederei bestimmt nicht die Route.
Wird meistens durch der 2e Offizier angefertigt. Und meistens vom Kapitain, mehr oder weniger kontroliert.
Es geht kein Kopie zum Rederei
2) Für fast alle hier die 24 Stunden Tag empfang haben, und jede Abend daheim sind, ist es schon sehr einfach zu schreiben:
warum änderd man die Route für ein Stunde Empfang.
3) Es gibt Schiffe mit Sateliten WIFI für die Besatzung, ist aber eher Ausnahme als Regel
4) Für diejenige die Extreme Busgelder wollen und gefängnis , bekommt ihr die auf die Arbeit auch?
Oder nicht da ihr wohl mehr (!) verdient als der Asiatische Wacht Offizier ??
5) Party's gibt es mehr oder weniger auf jedes Schiff, und das ist gut so. Wir sind ja 7 Tagen die Wochen an Bord
Normal ist naturlich, das der Wachthabende, nicht mit macht, und der nächste Offizier, bis Zeitpunkt x, weniger als 0,5 Promille, oder Skandinavie 0,0 hat.

Einige machen es sich hier schon recht einfach.
Gehe erst mal 2 Monate von zuhause weg, mit kein oder kaum möchlichkeiten um von die Arbeit (Schiff) auch nur Stundenweise weg zu kommen.
Zu 1) Die Reederei sollte aber im Rahmen des Safety Management Systems einem Rahmen vorgeben. Der kann auch sehr allgemein gehalten sein.
Zu 2 und 3) Ich kann den Wunsch durchaus nachvollziehen, vor allem auch vor dem Hintergrund der Crewwechselkrise zu Coronazeiten. Das entbindet die Schiffsführung aber nicht davon, einen risikofreien Kurs zu wählen.
zu 4) Ja, ich habe mein Berufsleben lang als Bauingenieur mit einem Bein im Gefängnis gestanden. Jeder fahrlässige Berechnungsfehler mit Personenschäden auf der Baustelle führt zu Ermittlungen und evt. zum Gerichtsverfahren. Und das als Projektmanager nicht nur für eigene Fehler sondern für die aller Projektteammitglieder. Gegebenenfalls klärt sich erst vor Gericht, wie weit die Aufsichtspflicht geht.
zu 5) Klar ist nichts gegen Parties einzuwenden. Aber das darf nicht bedeuten, dass das Schiff nicht für warnende Anrufe der Küstenwache erreichbar ist.

All das unter der Premisse, dass die Crew wegen der Feier nicht erreichbar war und wegen WLan zu weit unter Land gefahren ist, was vermutlich erst der endgültige Unfallbericht zeigen wird.
Gruß, Volker
Volker Landwehr
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Volker Landwehr »

weserwolf hat geschrieben: Mo 24. Aug 2020, 17:53 Vereinfachen wir das doch mal:

Mir ist bewußt, daß internationale Regelungen von deutschem Recht abweichen (Haftungsgrenzen etc.), ich nehme jedoch an, daß meine Einschätzung durchaus als Basis anzunehmen ist.

2. Strafrecht:
Der Reeder kann nicht auf allen Schiffen gleichzeitig sein. Zudem ist der Kapitän an Bord ohnehin der 'master next god'. Hier ist der Vertrauengrundsatz zu unterstellen, nämlich daß der Inhaber eines Kapitänspatents auch geeignet und befähigt ist, ein Schiff zu führen. Daß der Reeder dem Kapitän ein derart großes Schiff anvertraut hat, läßt darauf schließen, daß er von der entsprechenden Befähigung des Kapitäns überzeugt ist/war ...
Die Verantwortung für die gewissenhafte Führung des Schiffes hat der Reeder deshalb an den Kapitän delegiert. Dies ist eine rechtlich anerkannte Notwendigkeit. Damit ist der Kapitän schuld- und zivilrechtlich - ähnlich wie der von den Aktionären bestimmt Geschäftsführer einer AG - uneingeschränkt verantwortlich für alle Vorgänge auf und mit dem Schiff (Der Geschäftsführer ist ebenso verantwortlich, wenn zuhause die Hütte brennt, es sei denn, daß er nachweislich die Verantwortlichen vor Ort regelmäßig ordnungsgemäß eingewiesen hat.)
Von 'Schuld' des Reeders ist somit nicht auszugehen.
Nur wird hier sicher nicht deutsches Recht zum Tragen kommen. Inwieweit Corporate Liability in Mauritius angewandt wird, kann ich nicht sagen.
Corporate Liability: https://en.wikipedia.org/wiki/Corporate_liability
Zitat: Im Strafrecht bestimmt die Unternehmenshaftung (Corporate Liability), inwieweit eine Gesellschaft als juristische Person für die Handlungen und Unterlassungen der von ihr beschäftigten natürlichen Personen haftbar gemacht werden kann.

Das heißt, im Gegensatz zu Deiner Beschreibung, kann bei entsprechend ausgestalteter Corporate Liability trotzdem die Reederei verantwortlich gemacht werden.
Gruß, Volker
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Stephan Giesen
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Stephan Giesen »

Sindbad hat geschrieben: Mo 24. Aug 2020, 17:45 Vorweg: Ich arbeite an Bord von Seeschiffen.
1) Der Rederei bestimmt nicht die Route.
Wird meistens durch der 2e Offizier angefertigt. Und meistens vom Kapitain, mehr oder weniger kontroliert.
Es geht kein Kopie zum Rederei
2) Für fast alle hier die 24 Stunden Tag empfang haben, und jede Abend daheim sind, ist es schon sehr einfach zu schreiben:
warum änderd man die Route für ein Stunde Empfang.
3) Es gibt Schiffe mit Sateliten WIFI für die Besatzung, ist aber eher Ausnahme als Regel
4) Für diejenige die Extreme Busgelder wollen und gefängnis , bekommt ihr die auf die Arbeit auch?
Oder nicht da ihr wohl mehr (!) verdient als der Asiatische Wacht Offizier ??
5) Party's gibt es mehr oder weniger auf jedes Schiff, und das ist gut so. Wir sind ja 7 Tagen die Wochen an Bord
Normal ist naturlich, das der Wachthabende, nicht mit macht, und der nächste Offizier, bis Zeitpunkt x, weniger als 0,5 Promille, oder Skandinavie 0,0 hat.

Einige machen es sich hier schon recht einfach.
Gehe erst mal 2 Monate von zuhause weg, mit kein oder kaum möchlichkeiten um von die Arbeit (Schiff) auch nur Stundenweise weg zu kommen.
Bei allem Respekt, aber hier in die Opferrolle zu schlüpfen und aus dieser heraus zu behaupten, andere machen es sich zu einfach, finde ich unangebracht. Ich bin selber rund 10 Jahre zur See gefahren und habe mich dann sehr bewusst dagegen entschieden, weil sich das Leben auf See langfristig nicht mit meinen Ansprüchen in Einklang bringen ließ und dabei habe ich die Hälfte meiner Seefahrtszeit auf Kreuzfahrtschiffen verbracht, wo der Standard bzgl. Kommunikation und Freizeitgestaltung doch um einiges höher ist als auf Frachtern! Auch wenn es mir heute in jeglicher Hinsicht besser geht als seinerzeit auf See, habe ich doch das Leben auf verschiedenen Schiffstypen kennengelernt und behaupte somit, mitreden zu können!

Zu 1): Was willst Du damit aussagen? Ich kann doch eine Route für die Papierlage planen und trotzdem abweichen. Kontrolliert doch niemand oder hast Du jemals eine Inspektion oder PSC gesehen, bei der die ausgedruckte Routenplanung mit den Aufzeichnungen des VDR abgeglichen wurde? Das kommt doch nur ans Licht, wenn während der Abweichung irgendwas vorfällt.

Zu 2) und 3): Völlig richtig und das sagte ich ja; wäre es hier verpflichtend, alle Schiffe mit adäquaten Kommunikationsmitteln auszustatten, bräuchte es keine Routenabweichung mehr. In MLC wird genau geregelt, wieviel m² jedem zusteht und wie die Freizeiteinrichtungen beschaffen sein müssen, aber für das Bedürfnis der Seeleute nach Kommunikation mit der Familie interessiert sich niemand. Wie gesagt, die Technik dafür gibt es schon länger, aber es kostet eben auch und ist nicht umsonst für die Reeder zu haben. Ohne entsprechende Anpassung der Regularien wird sich jedoch leider kaum was ändern.

Zu 4): Wie Volker schon schrieb, gibt es auch an Land zahlreiche Berufe mit großer Verantwortung, in denen man bei Versagen zur Rechenschaft gezogen wird. Und was das jetzt mit der Heuer eines europäischen oder asiatischen Offiziers zu tun haben soll, verstehe ich nicht. Willst Du damit sagen, dass ein Offizier, der weniger verdient, entsprechend weniger Verantwortung hat und anders zu behandeln ist als jemand mit der fünffachen Heuer?

Zu 5): Natürlich ist es gut, dass es Parties an Bord gibt; jeder braucht einen Ausgleich und erst recht bei den Bedingungen an Bord. Da hat doch niemand was gegen, zumal die Zeiten, wo anschließend 90% der Crew sternhagelvoll in den Kojen lag, in den meisten Fällen vorbei sind. Wenn eine Party oder welche Beschäftigung auch immer jedoch zu so einem Desaster führt (wohlgemerkt, wenn es denn so war), dann muss das aber auch die entsprechenden Konsequenzen haben und zwar für alle Beteiligten! An dieser Einstellung kann ich nichts verwerfliches erkennen!
Mit maritimen Gruß

Stephan
Tim S.
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Tim S. »

weserwolf
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von weserwolf »

Volker Landwehr hat geschrieben: Mo 24. Aug 2020, 19:51
weserwolf hat geschrieben: Mo 24. Aug 2020, 17:53 Vereinfachen wir das doch mal:

Mir ist bewußt, daß internationale Regelungen von deutschem Recht abweichen (Haftungsgrenzen etc.), ich nehme jedoch an, daß meine Einschätzung durchaus als Basis anzunehmen ist.

2. Strafrecht:
Der Reeder kann nicht auf allen Schiffen gleichzeitig sein. Zudem ist der Kapitän an Bord ohnehin der 'master next god'. Hier ist der Vertrauengrundsatz zu unterstellen, nämlich daß der Inhaber eines Kapitänspatents auch geeignet und befähigt ist, ein Schiff zu führen. Daß der Reeder dem Kapitän ein derart großes Schiff anvertraut hat, läßt darauf schließen, daß er von der entsprechenden Befähigung des Kapitäns überzeugt ist/war ...
Die Verantwortung für die gewissenhafte Führung des Schiffes hat der Reeder deshalb an den Kapitän delegiert. Dies ist eine rechtlich anerkannte Notwendigkeit. Damit ist der Kapitän schuld- und zivilrechtlich - ähnlich wie der von den Aktionären bestimmt Geschäftsführer einer AG - uneingeschränkt verantwortlich für alle Vorgänge auf und mit dem Schiff (Der Geschäftsführer ist ebenso verantwortlich, wenn zuhause die Hütte brennt, es sei denn, daß er nachweislich die Verantwortlichen vor Ort regelmäßig ordnungsgemäß eingewiesen hat.)
Von 'Schuld' des Reeders ist somit nicht auszugehen.
Nur wird hier sicher nicht deutsches Recht zum Tragen kommen. Inwieweit Corporate Liability in Mauritius angewandt wird, kann ich nicht sagen.
Corporate Liability: https://en.wikipedia.org/wiki/Corporate_liability
Zitat: Im Strafrecht bestimmt die Unternehmenshaftung (Corporate Liability), inwieweit eine Gesellschaft als juristische Person für die Handlungen und Unterlassungen der von ihr beschäftigten natürlichen Personen haftbar gemacht werden kann.

Das heißt, im Gegensatz zu Deiner Beschreibung, kann bei entsprechend ausgestalteter Corporate Liability trotzdem die Reederei verantwortlich gemacht werden.
Gruß, Volker
Sicher. Wenn das Schiff mit Wissen des Reeders nicht verkehrssicher war - dementsprechend der LKW an Land.
Auf die Deutschen ist Verlass: sie sind dagegen
Volker Landwehr
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Volker Landwehr »

weserwolf hat geschrieben: Di 25. Aug 2020, 18:43 Sicher. Wenn das Schiff mit Wissen des Reeders nicht verkehrssicher war - dementsprechend der LKW an Land.
Du gehst wieder von deutschem Recht aus, dass keine Corporate Liability kennt. Unter Corporate Liability kann die Reederei strafrechtlich für justiziable Fehler Ihrer Mitarbeiter verantwortlich gemacht werden. Ich weiß nicht wessen Recht hier zur Anwendung kommt, Mauritius, Japan oder Flaggenstaat.
Gruß, Volker
Sindbad
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Sindbad »

Ob jedes Jacht hier beschrieben werden sollte, ist die Frage
aber mit 50 Meter, wohl teurer als etlichte Frachter
https://www.nu.nl/282775/video/brandend ... dinie.html
Volker Landwehr
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Volker Landwehr »

Bei der Yacht handelt es sich um die 47,50 m lange LADY MM (ex. APRIL FOOL), ein Typ ISA 470: https://www.yachtcharterfleet.com/luxur ... ady-mm.htm
Gruß, Volker
Tim S.
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Tim S. »

Also wenn diese Joghurtbecher mal brennen, dann aber wie Zunder.
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