
Auch im begleitenden Leseband sind schöne Fotos zu finden. Hier die in Marstal gebaute und
beheimatete EGHOLM an der Pier von Elevsis Griechenland, an einem verhangenen Septembertag.
Im Hintergrund ein kleiner Levante-Dampfer mit Mittelaufbau. Der 299er mit dem Bugwappen seiner
Heimatinsel Aerö segelte einmal rund um die Welt.
Was hat „Danske Coastere“ neben einem hochwertigen
Bildangebot inhaltlich zu bieten?
Da sind natürlich als erstes die den Fotos zugehörigen Schiffsdaten
zu nennen, wie sie in jeder Schiffsliste üblich sind.
In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß der enorme
Umfang von "Danske Coastere" u. a. auch deshalb zustande kommt,
weil die Schiffe im Buch mehrfach auftauchen - und zwar unter allen
jemals geführten Namen, sofern sie unter diesen Namen die dänische
Flagge führten. Bei einem fünffachen Namenswechsel erscheint
das Schiff auch fünfmal und zwar jedesmal mit einem anderem
Foto aus der entsprechenden Periode.
Der eigentlich interessante Teil ist der jedem Datensatz folgende
gehörende Textblock, aus dem der Leser sämtliche Eignerwechsel
und Stationen im Leben eines Schiffes nachvollziehen kann.
Je nach Häufigkeit der Namenswechsel können diese stichwortartigen
Lebensläufe teilweise recht umfangreich ausfallen.
Gelegentlich finden sich in diesen Texten außergewöhnliche Ereignisse,
die sich im Leben eines Schiffes zugetragen haben. Das können
harmlose Havarien, Strandungen, Kollisionen aber auch Tragödien sein.
Diese knappen, unscheinbaren Textzugaben sind es, die den Leser hin
und wieder zurückholen aus der Welt der Buchstaben und Zahlen, hinaus
in die raue Wirklichkeit der Seeschiffahrt.
„ … auf der Reise von Ivigtut nach Kopenhagen mit Stückgut
und Passagieren südich von Kap Farewell bei schwerem OSO-Sturm
mit Mann und Maus verloren gegangen..“
Solche Einträge sind keine Einzelfälle. Nicht immer mit derartiger Tragik
behaftet, aber doch mit bedenklicher Regelmäßigkeit ziehen sich Berichte
dieser Art durch die 960 Seiten dieses Schiffsregisters.
Das stimmt nachdenklich. Denn es ist die Häufigkeit solcher Vorfälle
- hier zum ersten Mal in einer derartigen Fülle dokumentiert - die eine
Ahnung davon aufkommen lässt, in welchem Gefahrenumfeld sich die
europäische Küstenschiffahrt der Vor-Containerära stets bewegt hat.

Viele Kümos liefen damals im Liniendienst von Kopenhagen über Faeroer, Island nach
Grönland und nahmen auch Passagiere mit. Der bei Nobiskrug gebaute 499er hatte
15 Besatzungsmitglieder und drei Passagiere an Bord. Heute fährt ein Kümo gleicher
Größe mit 5-6 Mann. Das schwere Unglück der HANNE S wurde in dem Buch mit dem
dänischen Titel "Letzte Meldung - schwerer Sturm" dokumentiert. Siehe auch hier:
http://shop.marmus.dk/motorskibsfartshi ... rm-ms.html
Alle guten Dinge sind drei.
Die bisherige Rede war von den beiden Schiffsregisterbänden A-L
und K-Z. Was verbirgt sich nun im dritten Band, dessen Titelfoto
gerade von einer achterlich auflaufenden See geflutet wird?
Nun, ich würde sagen: Das ist das eigentliche i-Tüpfelchen in dieser
Kollektion weil es den beiden Sammelbänden genau den Lesestoff
als Backgroundinformation hinzufügt, der das Ganze zu einem wirklich
umfassenden Panorama der motorisierten dänischen Küstenschiffahrt
komplettiert.
In diesem 160 Seiten fassenden und wiederum reich bebilderten
Beiwerk erfährt der Leser interessante Fakten und Hintergründe,
z.B. warum es in Dänemark, im Gegensatz zu Deutschland und den
Niederlanden nicht gelungen ist, eine moderne Küstenschiffsflotte
zu erhalten.
Weitere Kapitel informieren über dänische Werften, Motorenhersteller,
Reederei – und Maklerbetriebe. Ein besonderes Kapitel ist dem Hafen
von Kopenhagen als bedeutende Umschlagmetropole der kleinen und
großen Fahrt gewidmet.Eine gute Ergänzung zur Fotosammlung, die
gerade aus diesem Hafen einen auffallend großen Anteil an qualitativ
hochwertigen Aufnahmen zeigt.
Weiterhin beschreibt der Herausgeber Erik B. Kromann vom Seefahrts-
Museum-Marstal, selbst Inhaber des Steuermannpatents, seine Erlebnisse
im Jahre 1978 an Bord der MARIE BOYE, einem hübschen 299er-Kümo der
Büsumer Schiffswerft.
Ein Tropfen Akvavit
Etwas schade oder zumindest verwunderlich ist, daß in einem solch
umfassenden Werk eine bekannte dänische Spezialität, nämlich der
weltweite Einsatz dänischer Küstenmotorschiffe nicht thematisiert
wird. Aber vielleicht wäre dafür aufgrund der Fülle gerade dieses
Themas noch ein vierter Band notwendig gewesen.
Ein weiterer kleiner Wermutstropfen, oder besser gesagt eine Träne
Akvavit, bildet die Tatsache, daß natürlich alles in dänisch verfasst ist,
was dem Genuss des Schifflistenwerkes kaum Abbruch tut.
Beim Leseband ist es schon etwas anderes. Trotzdem kann man Sinn-
Zusammenhänge manchmal ganz gut erfassen, da viele Wörter den
deutschen ähnlich sind.
Schlussbetrachtung
Was soll ich nun zu meinen eigenen Worten abschließend sagen?
Ein Lobgesang? Sicher.
Wirkliche Hingabe zu einem Thema, Ernsthaftigkeit in der Bemühung
Bestes zu leisten, wird in der heutigen Zeit der schnellen Produktionen
immer seltener. Wenn es dann doch geschieht sollte man es preisen.
Dieses Buch über dänische Kümos erschien etwa zur gleichen Zeit als
auch mein Film "Die letzten Kümos" fertig wurde. Jahrelang bin ich
durch die dänischen Häfen gezogen nur um festzustellen, daß es diesen
Schiffstyp eigentlich nicht mehr gibt. Es freut mich umso mehr, daß die
großartigen Fotosammlungen dänischer Enthusiasten mit diesem
außergewöhnlichen Werk einen Weg in die Öffentlichkeit finden.
Vor dem Autorenteam Holger Munchaus Petersen, Erik B. Kromann und
Karsten Hermansen kann ich nur den Hut ziehen - wenn ich einen hätte.
Ein schönes Wochenende wünscht
euer jan