Unglücks-Thread

Volker Landwehr
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Volker Landwehr »

Kaheiroe hat geschrieben: So 11. Apr 2021, 18:28 Einige andere Megamaxer wie z.B. die von MSC haben sogenannte TLKSR-RUDER mit wirksamen Flächen von 90 - 95 qm. ( becker-marine-systems.com ).
Außerdem beträgt die maximale Ruderlage bei Ever Given nur 30 Grd. Warum kann ich nicht beantworten.
Bei 17.000 qm Windangriffsfläche kommt bei Wind Bft. 6 ein Winddruck von ca. 165 Tonnen ( bei Querwind ).
Wenn man das Schiff auf Kurs ohne Schlepper halten will, muß die Geschwindigkeit enorm erhöht werden.
( auf 13 kn ).

Gruß Kaheiroe
Ich habe es auch erst suchen müssen: TLKSR bedeutet Twisted Leading Edge King Support Rudder. http://schilling-rudder.com/03_products ... spade.html#
http://schilling-rudder.com/03_products ... spade.html#

Um bessere Ruderwirkung zu erzielen hat die EVER GIVEN anscheinend die Geschwindigkeit von den zulässigen ca. 8 kn am Eingang des Kanals auf über 13 kn erhöht.

Inzwischen halten Flap Rudders auch einzug in die Welt der Ultra Large Container vessels. in 2017 Becker hat Flap Rudders mit twisted edge und Mewis Duct® Twisted für zwei 19200 TEU Schiffe geliefert: https://maritime-executive.com/corporat ... ian-market
Damit sollte sich eine bessere Ruderwirkung ergeben.
Gruß, Volker
Kaheiroe
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Kaheiroe »

Klassifikationsgesellschaft bei Ever Given ist jedoch nicht DNVGL sondern ABS.
Auf der Elbe sind ein und auslaufend von Tinsdal bis Seemannshöft sog. Escortschlepper vorgeschrieben, die jedoch nichts nützen, wenn sie nicht angespannt werden
Auf der Elbe ist einlaufend bzw. auslaufend ein Fahrverbot für Schiffe über 380 m ab Windstärke Bft. 6 vorgeschrieben.

Gruß Kaheiroe
Zuletzt geändert von Kaheiroe am Mo 12. Apr 2021, 09:43, insgesamt 3-mal geändert.
Volker Landwehr
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Volker Landwehr »

Kaheiroe hat geschrieben: So 11. Apr 2021, 21:13 Klassifikationsgesellschaft bei Ever Given ist jedoch nicht DNVGL sondern ABS.
Auf der Elbe sind ein und auslaufend von Tinsdal bis Seemannshöft sog. Escortschlepper vorgeschrieben, die jedoch nichts nützen, wenn sie nicht angespannt werden
Auf der Elbe ist einlaufend bzw. auslaufend ein Fahrverbot für Schiffe über 380 m ab Windstärke Bft. 6 vorgeschrieben.

Gruß Kaheiroe
Meine Antwort mit der DNV GL Formel bezog sich nur auf die Frage, ob es Bauvorschriften für Ruder gibt und wie sie aussehen nicht auf die EVER GIVEN.
Die Formel kann heute bei DNV GL (ich muss mich noch an nur DNV gewöhnen) oder bei einer anderen Klassifizierungsgesellschaft schon ganz anders aussehen. Wie gesagt, unvollständigkeit ist garantiert.

Ist auf der Elbe nach dem Unfall der EVER GIVEN in Blankenese jetzt vorgeschrieben, das der Schlepper angespannt sein muss?
Gruß, Volker
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Kaheiroe »

Direkt nach dem Unfall mit der Ever Given in Blankenese ist dann endlich für alle Schiffe über 368 m Länge das Anspannen der Esortschleppers auf der Delegationstreke vorgeschrieben worden.
Hat verdammt lange gedauert. Ich habe den Sinn eines Esortschleppers nie verstanden, da das Anspannen ca. 7 Minuten dauert !!! Da kann viel passieren !

Gruß Kaheiroe
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Seekater »

@Volker, @Kaheiroe
ich danke Euch für Eure Infos und Hinweise.
Kaheiroe hat geschrieben: So 11. Apr 2021, 18:28 Außerdem beträgt die maximale Ruderlage bei Ever Given nur 30 Grd. Warum kann ich nicht beantworten.
bei "einfachen" Ruderkonstruktionen erhöht sich durch höhere Ruderwinkel der seitliche Schub gar nicht mehr, es entstehen dann nur mehr Wirbel und Verluste - warum das so ist, müßte strömungstechnisch herleitbar sein. Ich hab's mal gelesen und in einem Modell erfolgreich nachgestellt. Becker hat dann später das Problem durch die Flosse an der Achterkante gelöst, die ja immer einen größeren Winkel zur Mittschiffslinie hat als das Ruderblatt selbst.
Volker Landwehr hat geschrieben: So 11. Apr 2021, 20:48 Um bessere Ruderwirkung zu erzielen hat die EVER GIVEN anscheinend die Geschwindigkeit von den zulässigen ca. 8 kn am Eingang des Kanals auf über 13 kn erhöht.
.... ging das aus den AIS-Daten hervor?
Wie lang ist das denn bei Konvoy-Fahrt im Kanal durchhaltbar? Und dann? Müßte dann nicht Ägypten auch einmal überlegen, wen sie noch in den Kanal reinlassen?

Auf die Ruderkonstruktion der Ever-Given bezogen heißt das dann aber doch, dass der Querschub von den oben erwähnten 165 Tonnen sehr weit entfernt sein muss, wenn auch bei (riskanteren) 13 kn das Schiff immer noch nicht zu halten war.

Kann das sein, dass da auch das American Bureau of Shipping mit Klassifikationsvorschriften hinter dem Größenwachstum/der Umweltänderung hinter her hinkt?

SG
Seekater
Wenn schon Irren, dann lieber durch eine Tat, als durch eine Unterlassung
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Fabian »

Seekater hat geschrieben: So 11. Apr 2021, 23:45 bei "einfachen" Ruderkonstruktionen erhöht sich durch höhere Ruderwinkel der seitliche Schub gar nicht mehr, es entstehen dann nur mehr Wirbel und Verluste - warum das so ist, müßte strömungstechnisch herleitbar sein. Ich hab's mal gelesen und in einem Modell erfolgreich nachgestellt. Becker hat dann später das Problem durch die Flosse an der Achterkante gelöst, die ja immer einen größeren Winkel zur Mittschiffslinie hat als das Ruderblatt selbst.
Genau. Bei einem Ruder tritt, wie bei jedem anderen Tragflügel auch, bei einem bestimmten Anstellwinkel ein Strömungsabriss auf.

Seekater hat geschrieben: So 11. Apr 2021, 23:45 Kann das sein, dass da auch das American Bureau of Shipping mit Klassifikationsvorschriften hinter dem Größenwachstum/der Umweltänderung hinter her hinkt?
ABS ist genauso wie der DNV Mitglied in der International Association of Classification Societies (IACS). Die Vorschriften für Ruder unterscheiden sich daher kaum voneinander. Was die Fläche des Ruders angeht, so hatte z.B. der GL früher nur Empfehlungen für die Mindestfläche gegeben. In den aktuellen Vorschriften von DNV, ABS und IACS finde ich gar keine Formel für die Ruderfläche mehr. Die Verantwortung liegt hier somit eher bei der Werft.
Volker Landwehr
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Volker Landwehr »

Seekater hat geschrieben: So 11. Apr 2021, 23:45 @Volker, @Kaheiroe
ich danke Euch für Eure Infos und Hinweise.
Volker Landwehr hat geschrieben: So 11. Apr 2021, 20:48 Um bessere Ruderwirkung zu erzielen hat die EVER GIVEN anscheinend die Geschwindigkeit von den zulässigen ca. 8 kn am Eingang des Kanals auf über 13 kn erhöht.
.... ging das aus den AIS-Daten hervor?
Wie lang ist das denn bei Konvoy-Fahrt im Kanal durchhaltbar? Und dann? Müßte dann nicht Ägypten auch einmal überlegen, wen sie noch in den Kanal reinlassen?
Ja es gibt ein AIS-Tracking, dass die Daten lesbar zeigt. Es ist mitten in einem Video. Der Link führt direkt zum Tracking, dass in mehreren Abschnitten kurz aufeinander folgt: https://youtu.be/iG6XLuMS--U?t=552
Seekater hat geschrieben: So 11. Apr 2021, 23:45 Auf die Ruderkonstruktion der Ever-Given bezogen heißt das dann aber doch, dass der Querschub von den oben erwähnten 165 Tonnen sehr weit entfernt sein muss, wenn auch bei (riskanteren) 13 kn das Schiff immer noch nicht zu halten war.
Ich denke in freiem Wasser wäre der Ruderdruck ausreichend gewesen. Aber bei der Kanalfahrt kommen erschwerend der Flachwassereffekt ( https://de.wikipedia.org/wiki/Squat ) und der Bank-Effekt ( https://en.wikipedia.org/wiki/Bank_effect ) hinzu. Kommt das Schiff einem Ufer zu nahe, wird der Bug durch die geänderten Strömungsverhältnisse links und rechts des Schiffs vom Ufer weggedrückt und das Heck vom Ufer angezogen. Die Geschwindigkeitserhöhung verbessert zwar die Ruderwirkung, verschlimmert aber gleichzeitig die beiden Effekte. Das verlinkte Tracking zeigt die Probleme recht deutlich und werden vom Schiffsoffizier auch erklärt.
Seekater hat geschrieben: So 11. Apr 2021, 23:45 Kann das sein, dass da auch das American Bureau of Shipping mit Klassifikationsvorschriften hinter dem Größenwachstum/der Umweltänderung hinter her hinkt?

SG
Seekater
Das ist nicht auszuschließen. Es ist auch nicht auszuschließen, dass andere Klassifizierungsgesellschaften keine Anforderungen an die minimale Rudergröße stellen. Es hat aber wohl viele Forschungsarbeiten gegeben, deren Ergebnisse Schiffbauer nutzen können. Es werden allerdings von den Klassifizierungsgesellschaften für verschieden Klasse-Bezeichnungen entsprechende Manöveriereigenschaften gefordert, die auch auf Probefahrten geprüft werden. Es ist gibt also keine freie Wahl der Rudergröße.
Gruß, Volker
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Kaheiroe »

Auf Anfrage ( Sept. 2016 ) an Becker-Marine-Systems wurden mir folgende Rudergrößen mitgeteilt:
1.) MSC Daniela-Klasse ( 366 m x 51 m, 14.000 TEU )
82qm
2.) Hamburg Express-Klasse (366 m x 48 m,13.200 TEU)
82 qm
3. ) MSC London-Klasse ( 394 m x 54 m ; 16.000 TEU )
95 qm
4.) CSCL Globe-Klasse ( 400 m x 59 m ; 19.500 TEU )
93 qm
Das Schiff mit der größten Ruderfläche,welches ich in über 30 Jahren im Hamburger Hafen gelotst habe war der Bulker Amy N ( 332 m x 58 m , Schwesterschiff von Peene Ore) mit 118 qm.

Gruß Kaheiroe
Fabian
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Fabian »

Volker Landwehr hat geschrieben: Mo 12. Apr 2021, 11:32 Das ist nicht auszuschließen. Es ist auch nicht auszuschließen, dass andere Klassifizierungsgesellschaften keine Anforderungen an die minimale Rudergröße stellen. Es hat aber wohl viele Forschungsarbeiten gegeben, deren Ergebnisse Schiffbauer nutzen können. Es werden allerdings von den Klassifizierungsgesellschaften für verschieden Klasse-Bezeichnungen entsprechende Manöveriereigenschaften gefordert, die auch auf Probefahrten geprüft werden. Es ist gibt also keine freie Wahl der Rudergröße.
Gruß, Volker
Die IMO hat 2002 Empfehlungen zur Manövrierfähigkeit veröffentlicht und beim ABS können Schiffe das Klassezeichen "MAN" bzw. "MAN-A" erhalten, wenn sie diese IMO-Standards erfüllen bzw. noch deutlich überbieten. Die Ever Given besitzt keins dieser beiden Klassezeichen.
Eine geforderte Manövrierfähigkeit zu erreichen ist natürlich noch von viel mehr Faktoren als nur von der Rudergröße abhängig, zum Beispiel ob es ein Halb- oder Vollschweberuder ist, die Profilform und das Seitenverhältnis des Ruders oder die Rumpfform. Nur die Größe vorzuschreiben würde wenig Sinn machen.
Eilbek
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Eilbek »

Moin,

heute ist EBBA MAERSK als erstes Schiff, das von der Suezkanal-Blockade betroffen war, in Hamburg angekommen.
Viele Grüße Stefan.
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