erneut meinen herzlichen Dank für Euere sachkundigen Beiträge. (Falls das Forum wirklich schließt, würde ich mich über Eure Email-Adresse per PN sehr freuen)
Für mein Empfinden sind Ruder-Flächenangaben zur Schiffsqualifikation nicht mehr zeitgemäß. Das was im Stahlbau zu wirtschaftlichen Kosten machbar ist, hat - spätestens seit der Becker Flosse - doch soweit zugenommen, dass die Wirksamkeit eines Ruders, ganz im Sinne der von Dir genannten Strömungslehre, doch aussagekräftiger sein müßte als die Größe. Ja, ohne eine Mindestgröße eines Ruders wird man auch keine Mindest-Wirkung erzielen können, doch mit minderwertig ausgeführten Rudern, kann auch ein Ruder in Mindestgröße keine ausreichende Ruderwirkung entfalten.Fabian hat geschrieben: ↑Mo 12. Apr 2021, 10:20 ABS ist genauso wie der DNV Mitglied in der International Association of Classification Societies (IACS). Die Vorschriften für Ruder unterscheiden sich daher kaum voneinander. Was die Fläche des Ruders angeht, so hatte z.B. der GL früher nur Empfehlungen für die Mindestfläche gegeben. In den aktuellen Vorschriften von DNV, ABS und IACS finde ich gar keine Formel für die Ruderfläche mehr. Die Verantwortung liegt hier somit eher bei der Werft.
Das geht in die Richtung meiner Gedanken, greift für mein Empfinden aber immer noch zu kurz. Meinem - sicherlich zu geringen Kenntnisstand nach - wird bei "Klassifikationsfahrten" doch ein "Wendemannöver nach mindestens X Schiffslängen" gefordert. Dabei habe ich dann ja eine idealisierte Annahme, dass die Ruderkraft für eine - sagen wir mal "Schnellwende" dazu - ausreichend ist um auch bei Bankeffekten mit Windstärke X von der Seite und maximaler Windangriffsfläche immer noch ausreichende Ruderwirkung zu haben. Es müßte dann bei einer Werftprobefahrt zur Klassifikation eine Berechnung vorgelegt werden, die bei aktuellen Wind- und Beladungsverhältnissen, den Bankeffekt und spätere worst-case-Effekte bei Wetter/Beladung simuliert, um dann zur Mindest-Schnellwende-Länge zu kommen, die bei aktuellen Verhältnissen erzielt werden muss. Mir wäre das alles viel zu indirekt und von viel zu vielen berechneten/simulierten Faktoren abhängig.Volker Landwehr hat geschrieben: ↑So 11. Apr 2021, 20:48 Es ist auch nicht auszuschließen, dass andere Klassifizierungsgesellschaften keine Anforderungen an die minimale Rudergröße stellen. Es hat aber wohl viele Forschungsarbeiten gegeben, deren Ergebnisse Schiffbauer nutzen können. Es werden allerdings von den Klassifizierungsgesellschaften für verschieden Klasse-Bezeichnungen entsprechende Manöveriereigenschaften gefordert, die auch auf Probefahrten geprüft werden. Es ist gibt also keine freie Wahl der Rudergröße.
Doch ich befürchte, so könnte das sein: Eine Werftprobefahrt mit "Quer-Pfahlzug-Messung" wäre viel aufwändiger als eine Simulationsrechnung für Windstärke 4, die dann zur Mindest-Schnellwende nach x-Schiffslängen kommt. Da braucht man dann nur freien Seeraum und 'ne zertifizierte Simulationssoftware, fertig. Dies würde dann im Umkehrschluss bedeuten: Man fordert zu wenig, oder die Simulationssoftware ist zu schlecht.
Kann das sein ? Oder kombiniere ich mich mit meinem "Klassifikations-Nicht-Wissen" in etwas rein, was so gar nicht sein kann?
Das wiederum passt zu meinen Überlegungen. Die IMO spricht doch nur Empfehlungen aus oder? Das bedeutet dann doch, dass es an Klassifikations-Zwang zu "ausreichend wirksamen Rudern" noch fehlt oder?Fabian hat geschrieben: ↑Mo 12. Apr 2021, 15:40Die IMO hat 2002 Empfehlungen zur Manövrierfähigkeit veröffentlicht und beim ABS können Schiffe das Klassezeichen "MAN" bzw. "MAN-A" erhalten, wenn sie diese IMO-Standards erfüllen bzw. noch deutlich überbieten. Die Ever Given besitzt keins dieser beiden Klassezeichen.
Eine geforderte Manövrierfähigkeit zu erreichen ist natürlich noch von viel mehr Faktoren als nur von der Rudergröße abhängig, zum Beispiel ob es ein Halb- oder Vollschweberuder ist, die Profilform und das Seitenverhältnis des Ruders oder die Rumpfform. Nur die Größe vorzuschreiben würde wenig Sinn machen.
Das AIS-Video ist "der Hammer". Das ist ja ein Querschlagen "mit Ansage". Ich gehe einmal davon aus, dass sowohl die BSM-Leute, die ja die nautische Besatzung der "Ever Given" stellen, wie auch der Kanallotse an Bord, Fachleute sind und wissen was sie tun. Wenn ich an meine Erfahrungen mit einem überlangen Narrow-Boat in den UK-Canals denke, dann hätte doch jeder Profi, nach den ersten "Pendelbewegungen" drastisch das Tempo reduziert, um die Heckausschläge zu reduzieren. Nachdem das die Profis dort nicht gemacht haben, scheint also die hohe Fahrt nötig gewesen zu sein, um ausreichende Steuerfähigkeit zu haben. Damit ist das Ganze für mich die perfekte Doku, dass die Ever Given bei der damaligen Wetterlage NICHT in den Suez-Kanal hätte einfahren dürfen.Volker Landwehr hat geschrieben: ↑Mo 12. Apr 2021, 11:32 Ja es gibt ein AIS-Tracking, dass die Daten lesbar zeigt. Es ist mitten in einem Video. Der Link führt direkt zum Tracking, dass in mehreren Abschnitten kurz aufeinander folgt: https://youtu.be/iG6XLuMS--U?t=552
@Kaheiroe: Ich habe mir Freude gelesen, dass Du Elblotse warst. Was sagst Du zu meiner Laien-Interpretation des Videos?
SG
Seekater