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Was sagt ihr zur Gustloff?

Verfasst: Di 4. Mär 2008, 10:18
von Tim S.
Hallo Gemeinde,
wer hat denn die Gustloff-Versenkungs-Verfilmung gesehen bzw. die Dokus danach, und wie ist eure Meinung dazu? Ich selbst kann erstmal nur meinen Senf zu den Dokus abgeben, die ich trotz des Knoppschen Geraunes und dramatischer Musik, die allzu offenkundig Emotionen verstärken sollte, gut fand. Denn die Kernbotschaft, dass Krieg nur Opfer kennt, und in diesem Fall diejenigen Opfer wurden, die zuvor den Krieg in andere Länder getragen haben, kam klar rüber. Erschütternd fand ich gerade im 1. Teil der Doku die Szenen, wo man die Kinder, die einfach nur Kinder waren, wie Kinder so sind, in diesen entsetzlichen Situationen sehen konnte, und klar war, die meisten haben die nächsten Tage nicht überlebt, andere ihre Eltern verloren usw. Naja, und alle, die das Inferno überlebten, sind letztlich traumatisiert daraus gegangen und zehren bis heute daran. Dies sollte uns immer Botschaft und Mahnung sein, dass derlei Dinge nie wieder passieren dürfen und Krieg nur unermessliches Leiden erzeugt.

Re: Was sagt ihr zur Gustloff?

Verfasst: Di 4. Mär 2008, 11:27
von Seefuchs
So viel Schwachsinn auf einen Haufen habe ich noch nie gesehen. Wenn man bedenkt, daß der Untergang selbst innerhalb von ein paar Minuten abgebacken war und man versucht hat Dramatik darzustellen war es ganz schön arm. Man hätte viel eher eine richtige Doku daraus machen können ohne Liebesgeschichte und so. Den UNtergang der Gustloff zu verfilmen ist ja eine gute Idee gewesen, gerade aufgrund der Ereignisse. Hatte das ZDF damals nicht auch schon den UNtergang der Pamir mit der Sedov verfilmt?? Der Film war auch nicht der Hit.
M.Peper

Re: Was sagt ihr zur Gustloff?

Verfasst: Di 4. Mär 2008, 12:17
von Michael S.
Moin Forum,

ich denke der Botschaft bezüglich Kriege im allgemeinen und WW2 im besonderen können wir uns alle anschließen. Was den allgemeinen Trend zu "Historien-Verfilmungen", "Doku-Dramen" oder wie immer man das nennen mag angeht, offensichtlich haben die Sender Erfolg damit und errreichen für das Thema ein Publikum, dass sich in einer "normalen" Doku nicht erreicht hätten. Wenn das ganze dann die gewünschte Botschaft transportiert - ok, auch wenn diese Art "Geschichtsaufarbeitung" mit Herz, Schmerz und viel Drumrum nicht unbedingt meins ist.Aber genau das braucht es um den nötigen (Quoten)-Erfolg einzufahren.

Den Film habe ich, aus eben genannten Gründen, nur mit einem Auge verfolgt, die Dokus fand ich auch "knoppig" - aber sauber gemacht!

Gruß
Michael

Re: Was sagt ihr zur Gustloff?

Verfasst: Di 4. Mär 2008, 13:32
von Sirius
Nicht nur der Untergang war eine Katastrophe, sondern auch der Film.

Ich habe nur zwei Szenen gesehen.

In der Werbung vor der Sendung sieht man einen der Kapitäne grüßen :

1. Mit der linken Hand am Mützenschirm.Völlig falsch. Rechts wäre richtig gewesen.
2. Mit der Hand am Mützenschirm. Damals völlig falsch und lebensgefährlich. Es hätte der Hitlergruß sein müssen.

In den Booten saßen die Passagiere und ließen sich das Seewasser so einfach übers Gesicht in die Münder laufen.
Jeder, der schon mal im Rettungsboot gesessen hat und die Salzwasserspritzer ins Gesicht und Agen kriegte, weiß, dass das nicht geht.
In dieser Situation sitzen sie alle gebückt und wischen sich ohne Unterbrechung das Salz aus dem Gesicht und Agen oder spuckt es dauernd aus.

Was soll die Geschichte von dem Funker, der das Schiff an die Russen verriet? So ein Blödsinn.

mfgSirius

Re: Was sagt ihr zur Gustloff?

Verfasst: Di 4. Mär 2008, 13:51
von Tom Kyle
Tja,

mein Kommentar zum Film ist "sechs - setzen".

Der gute Vilsmaier hat mal wieder voll in die Klischee-Kiste gegriffen und nahezu keines ausgelassen. Neben der eher dürftigen Liebesgeschichte, durfte natürlich auch nicht das Spielchen "Guter Deutscher - Böser Deutscher" fehlen. Unfähige und/oder feige Bösewichte und kompetente und tapfere Helden, die dazu natürlich auch "Gutmenschen" sind, durften ebensowenig fehlen wie eine hanebüchene Spionage-/Sabotagegeschichte. Dass Heinz Schön diese Räuberpistole in der nachfolgenden Dokumentation auch noch breittrat, könnten böse Zungen schon fast als Altersenilität bezeichnen. Ich mach das aber mal lieber nicht. :)

Gefehlt hat dafür aber ein sauber recherchierter Hintergrund für diese Schmonzette. Vielleicht wäre ein wenig mehr in Handlung verpackte Information besser gewesen, als diese wild konstruierten Handlungsabläufe. Da wollten Autorin und Regisseur einfach zu viel.

Es ist auch klar, dass ein Fernsehfilm keine Dokumentation sein kann, aber wenn am Ende des Filmes sinngemäß zu lesen ist, dass es sich so oder so ähnlich zugetragen habe, dann sollte es sich zumindest auch so verhalten. Dafür waren aber zuviele historische Fehler bzw. Vereinfachungen enthalten.

Auch die so grossartig angekündigten Trickaufnahmen haben mich enttäuscht.

Schade!!! So wurde eine große Chance vertan, diese schreckliche Katastrophe den Menschen näher zu bringen und ein Kapitel Deutscher Geschichte und Seefahrtsgeschichte vernünftig aufzubereiten.

Die Dokumentationen hingegen waren recht interessant. Allerdings hätte ich mir manchesmal noch etwas mehr historischen Hintergrund gewünscht. Insbesondere der erste Teil vom Sonntag war mir zu sehr "Erlebnisbericht" und zu wenig Information. Nichtsdestotrotz war die Dokumentation sehr aufwühlend und beeindruckend.

Re: Was sagt ihr zur Gustloff?

Verfasst: Di 4. Mär 2008, 18:19
von FBehling
Die Agentur-Mitteilung dazu:
Mainz (ots) - "Die Gustloff" zieht auch am Montagabend fast acht Millionen Fernsehzuschauer in ihren Bann / ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut: Kombination aus Fiktion und Dokumentation erreicht großes Publikum
Das Schicksal der "Gustloff" war für die Zuschauer in Deutschland auch am Montag, 3. März 2008, das bevorzugte Fernsehereignis: Teil 2 des historischen Fernsehfilms "Die Gustloff" sahen 7,87 Millionen im ZDF, bei einem Marktanteil von 22,9 Prozent. Wie schon am Sonntagabend war der Antikriegsfilm von Joseph Vilsmaier damit die besteingeschaltete Sendung des Tages und erzielte auch bei den 14- bis 49-Jährigen mit einem Marktanteil von 17,3 Prozent ein starkes Ergebnis. Insgesamt verfolgten 8,17 Millionen Zuschauer den Zweiteiler, was einem Marktanteil von 23,2 Prozent entspricht.
ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut: "Für uns ist der große Zuspruch erneut die Bestätigung dafür, dass sich emotionale, spannende Filme und ernsthafte Geschichte nicht ausschließen. Ich freue mich, dass wir im ZDF die Kombination aus Fiktion und Dokumentation einmal mehr einem so großen Publikum anbieten konnten. Besonders erfreulich ist dabei, dass wir auch die jüngeren Zuschauer mit einem so wichtigen Thema erreicht haben."
Auch der zweite Teil der "Gustloff"-Dokumentation aus der ZDF-Redaktion Zeitgeschichte war bei den Fernsehzuschauern stark nachgefragt: 7,00 Millionen informierten sich über die große Schiffskatastrophe vom 30. Januar 1945, als ein russisches U-Boot das Flüchtlingsschiff "Wilhelm Gustloff" torpedierte und für über 10 000 Menschen ein dramatischer Überlebenskampf begann. Mit einem Marktanteil von 23,6 Prozent lag die 45-Minuten-Dokumentation nach dem Fernsehfilm auf Platz 2 in der Zuschauergunst. Insgesamt wurden beide Teile der Dokumentation von 6,16 Millionen Zuschauern gesehen, bei einem Marktanteil von 21,5 Prozent.
Professor Guido Knopp, Leiter des ZDF-Programmbereichs Zeitgeschichte und Zeitgeschehen: "Es war an der Zeit, dass das Schicksal der Menschen auf der ’Gustloff’ im kollektiven Gedächtnis der Deutschen einen würdigen Platz erhält."

Re: Was sagt ihr zur Gustloff?

Verfasst: Di 4. Mär 2008, 19:02
von Peter Hartung
Ja, was soll ich dazu sagen:

Als 1960 Frank Wisbars Gustloff-Film "Nacht fiel über Gotenhafen" in die Kinos kam, saß ich als 11-jähriger für eine Mark und zwanzig in der Sonntagsnachmittagsvorstellung "in der ersten Reihe". Die Älteren unter Euch werden sich, wenn sie den Film damals gesehen haben sollten, noch an Sonja Ziemann, Gunnar Möller und Erik Schumann erinnern, die die Hauptrollen spielten. Es war die Zeit, als die westdeutsche Öffentlichkeit endlich begann, sich mit den Nazi-Verbrechen und den Ursachen und Folgen des zweiten Weltkriegs intensiv zu beschäftigen (z. B. Auschwitzprozess in Frankfurt). Der Film hat mich damals sehr beeindruckt, auch wenn er die Gustloff-Versenkung nur als grausame und sinnlose Schicksalshaftigkeit des Krieges darstellte und nicht der Frage nachging, wie konnte es dazu kommen, wer trug die Verantwortung für die 9.000 Toten. Andererseits gab es damals noch viele Zeitzeugen, die man löchern konnte: Habt Ihr das gewusst? Warum musste das passieren? Wie habt ihr davon erfahren? Wie konnte sowas passieren?

Und daran fühlte ich mich erinnert, als in der gestrigen Schluss-Szene im Treppenhaus vom Kaischuppen 50 am Hamburger Bremerkai "Kapitän Kehding" (Kai Wiesinger) sich nicht damit abfinden wollte, dass die Verantwortlichen der Gustloff-Versenkung niemals zur Rechenschaft gezogen würden. Die Suche nach Aufklärung der Katastrophe wäre die Chance gewesen für ein Film-Drehbuch für einen besseren Film. Meinetwegen in Form eines Rückblicks oder einer fiktiven Seeamts- oder Gerichtsverhandlung. Wir hätten dann, an Fakten orientiert und deshalb nicht weniger "unterhaltsam" wahrscheinlich einen Film sehen können, der nach den tatsächlichen Ereignissen geforscht hätte, die die Katastrophe bewirkten. Aber eine solche Chance wurde mit dem von Vilsmaier realisierten Drehbuch vertan.

Gefallen haben mir die Schauspieler-Leistungen von Wiesinger, Lauterbach, Mendl, Markovics, Held, Fulton-Smith und insbesondere Detlev Buck. Die Frauenrollen neben der unvermeidlichen Vilsmaier-Gattin Dana Vavrova waren schwächer besetzt. Die Kamera-Arbeit war dann, wenn sie dicht an die Schauspieler heranging, sehr gut. Auch wenn zum Schluss unvermittelt bei einem Closeup von Kai Wiesinger im Hintergrund ein weißer Bananenjäger aus dem Hansahafen herüberblitzte. Überhaupt die Schluss-Szene am Bremerkai erweckte den Eindruck, als wären zwischen dem Untergang und der Bergung der Überlebenden der Gustloff-Versenkung 15 Jahre vergangen. Auch wenn die alten Kampnagel-Kräne und die "Bleichen" (noch im Old-Lady-Outfit) nun 50 Jahre auf dem Buckel haben, als Kulisse taugten sie für diesen Film leider nicht. Hingegen waren die Innenaufnahmen zum Schluss, aufgenommen im Salon der "Bleichen" anrührend und atmosphärisch dicht. Auch stammten wohl einige Szenen aus dem Maschinenraum der "Bleichen" und hatten Authenzität, ebenso wie die Aufnahmen im Treppenhaus von Schuppen 50. Hingegen die Bilder von der nachgebauten Gustloff-Brücke wirkten steril und ich fragte mich ständig, ob die Brücke wirklich so gut geheizt war, dass man dort ohne hochgeschlagenen Mantelkragen rumlaufen konnte. Die digitalisierte Wiedergabe des Schiffes aus der Totalen am Kai und während der Fahrt zeigten den mittlerweile hohen Standard dieser Simulationstechnik.

In Frank Wisbars Film krachte ein Torpedo in das mit Flüchtlingen überfüllte Schwimmbad, Vilsmaier ließ dort ne Adolf-Orgie feiern, die ein Torpedo beendete. Das Erstere ist wahrscheinlicher. Gut war, dass parallel die Knoop-Doku gezeigt wurde und wichtig ist, wenn trotz aller Mängel dieser Zweiteiler zu Diskussionen und Gesprächen anregt.

Aber Uwe Richter hat es weiter oben auf den Punkt gebracht: Die Berichte der Zeitzeugen, wenn man ihnen einmal ganz unmittelbar und persönlich zuhören konnte, können niemals durch solch ein TV-Spektakel ersetzt werden. Leider gibt es von der Erlebnis-Generation kaum noch Menschen, die aus jenen Tagen zu berichten wissen...
mfg
Peter Hartung

Re: Was sagt ihr zur Gustloff?

Verfasst: Di 4. Mär 2008, 23:32
von Robert
Tim S. hat geschrieben:.... Denn die Kernbotschaft, dass Krieg nur Opfer kennt, und in diesem Fall diejenigen Opfer wurden, die zuvor den Krieg in andere Länder getragen haben, kam klar rüber.....
Kann ich nicht so sehen, dass kleine Kinder, Mütter und Greise den Krieg in andere Länder getragen hätten! :x

Re: Was sagt ihr zur Gustloff?

Verfasst: Mi 5. Mär 2008, 09:31
von Tim S.
Moin Robert,
nein, die sind ja immer nur Opfer, jedenfalls die Kinder. Das kam ebenfalls klar rüber. Ich meinte jetzt mehr den Aspekt, dass der Krieg aus den Gebieten der "Verbrannten Erde" nun in das Land zurückkam, von dem er ursächlich ausgegangen war.

Re: Was sagt ihr zur Gustloff?

Verfasst: Mi 5. Mär 2008, 21:58
von Robert
Tim S. hat geschrieben:..... nun in das Land zurückkam, von dem er ursächlich ausgegangen war.
Moinsen Tim,
ich gebe dir zu 99 % recht was das schreckliche Leid - ganz egal, ob von Schuldigen oder Unschuldigen - angeht. Aber der oben genannte Teil deiner Aussage ist zu kurz gesprungen.
Die Ursachen des Krieges sind sehr viel vielschichtiger als der Wahnsinn der Nazis und ihrer Unterstützer. Der Boden auf dem solch menschenverachtender Unsinn überhaupt erst entstehen konnte, war zum Beispiel das Großmachtstreben der Amerikaner..... die Machenschaften der Engländer, die diese Großmachtstellung grade erst verloren hatten und nun gegenzusteuern versuchten..... der Wahnsinn Stalins, der auch nur versuchte, die bestehenden Spannungen zu seinem Vorteil zu nutzen.....die unsensiblen und letztlich nicht hinnehmbaren Bedingungen des Ausgangs des ersten Weltkriegs... und noch ganz, ganz viele Andere. Wenn wir diese Vielschichtigkeit nicht erkennen und immer wieder nur den "Dämon Nazi" beschwören, machen wir es uns zu einfach und müssen uns vorwerfen lassen, nichts aus der Geschichte gelernt zu haben.
Beispiel aus der neueren Zeit: Hat sich in unserem, ach so aufgeklärten Westen mal jemand Gedanken gemacht über den Gemütszustand der früheren "Sowjetmenschen", die den Zerfall aller, quasi mit der Muttermilch aufgenommen Werte mit ansehen mussten und das Gefühl haben, alles viel "zu billig" weggeben zu haben für die oberflächlichen Errungenschaften der Neuzeit. Oder was ist mit dem ehemaligen Jugoslawien? Ist da Frieden, nur weil nicht mehr geschossen wird?
Ich glaube, da ist noch viel zu tun, zu zuhören und zu bedenken.

Viele Grüße
Robert