Guten Abend!
Der von Jens zitierte Wikipedia-Eintrag ist schwierig zu beurteilen, zumal der Artikel keine eindeutige Quelle nennt. Die sehr detaillierte Seekriegsdokumentation, die die Württembergische Landesbibliothek in Stuttgart herausgegeben hat, erwähnt ein
Lazarettschiff "Armenija" nicht, obwohl die Ereignisse im Schwarzen Meer dort sehr genau beschrieben sind. Genannt wird in der WLB-Doku lediglich ein sowjetisches Kanonenboot namens "Krasnaja Armenija". Allerdings wird in der WLB-Dokumentation erwähnt, dass am 14. Oktober 1941 u.a. ein
Transporter "ARMENIA" in Odessa eintraf. Später wird das Schiff in mit der Schreibweise
"ARMENIYA" wiedergegeben.
Im Detail ist folgendes zu lesen:
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1.10.1941
Allgemeine Lage / Schwarzes Meer
Auf Grund der ungünstigen Entwicklung der Lage bei der 51. Armee, welche die Zugänge zur Krim verteidigt, schlägt der Kriegsrat der Schwarzmeer-Flotte vor, die Küsten-Armee aus Odessa zu evakuieren und auf die Krim zu verlegen.
3.– 6.10.1941
Schwarzes Meer
Evakuierung Odessas durch Einheiten der sowj. Schwarzmeer- Flotte. Die 157. Schützen-Division wird in mehreren Konvois nach Sevastopol transportiert, und zwar am 3.10. mit den
Transportern Armeniya, Kotovski, Bolshevik, Zhan Zhores, Volga, Belostok sowie den Tankern Moskva und Sergo; am 4.10. mit den Transportern Egurtsa, Uralets sowie Schlepper SP-14 mit einem Leichter; am 5.10. mit den Transportern Abkhaziya, Dnepr, Kalinin, den Wachschiffen SKR-113 / Bug und SKR-114 / Dnestr, dem Kanonenboot Krasny Adzharistan, den Minensuchbooten T-38 / Raikomvod, T-39 / Doroteya und T-41 / Khenkin. Sicherung und Deckung durch die Kreuzer Krasny Krym, Chervona Ukraina, Krasny Kavkaz und die Zerstörer Bodry, Boiki, Nezamozhnik, Shaumyan und Dzerzhinski.
8.– 10.10.1941
Schwarzes Meer
Evakuierung von schwerem Gerät und Waffen, rückwärtigen Diensten, Parteiorganisationen und Arbeitskräften von Odessa nach Sevastopol mit den Transportern Chekhov, Kalinin, dem Tanker Moskva, dem Minenleger Syzran und dem Minensucher T-32 / Zemljak, gesichert von dem Kreuzer Komintern, dem Zerstörer Shaumyan und 3 SKA-Wachkuttern (8.10.), sowie den
Transportern Armeniya und Sergo (9.10).
13.– 21.10.1941
Schwarzes Meer
Am 13.10. genehmigt der Kriegsrat der Schwarzmeerflotte die vom Verteidigungs-Bereich Odessa beantragte vorzeitige Räumung der Stadt. Am 14.10. treffen die Transporter Ukraina, Gruziya, Abkhaziya,
Armenia, Kotovski, Zhan Zhores, Vostok, Kalinin, Bolshevik, Kursk, Chapaev, die Minenleger Lukomski, Syzran und die Vermessungsschiffe Chernomorets und Tsenit ein. An Kriegsschiffen
versammeln sich die Kreuzer Chervona Ukraina und Krasny Kavkaz, die Zerstörer Smyshleny, Bodry, Nezamozhnik, Shaumyan, die Wachschiffe SKR-102/ Petrash,
SKR113/ Bug and SKR-114/ Dnestr, die Minensucher T-404/ Shchit, T-405/ Vzryvatel, T-406/ Iskatel, T-408/ Yakor, die Hilfsminensucher T-39/ Doroteya
sowie viele Wachboote, Schlepper und andere Stützpunktfahrzeuge. Am 14.10. erhält Gruziya bei einem dt. Luftangriff mehrere Treffer. Unter dem
Feuer der Artillerie und der Kriegsschiffe sowie in Scheinangriffen beginnen die Verbände der Küstenarmee am 15.10. abends eilig den Rückzug aus den
Stellungen zum Hafen. Am 16.10. werden in aller Frühe rund 35.000 Mann der 421. und 95. Schützen- und 2. Kavallerie-Division verladen, die Transporter
laufen auf die Reede.
Am 16.10. um 6 Uhr legen die Kreuzer und Zerstörer, die Nachhut- und Sperrbataillone an Bord genommen haben, ab, das Wachschiff SKR-107/ Kuban
nimmt 1200 Mann der Sprengkommandos und Nachhut an Bord, um 9 Uhr legt das letzte Wachboot ab, der Minensucher T-405 / Vzryvatel verseucht Hafen und
Einfahrt mit Magnet-Grundminen. Die Räumung gelingt in der Nacht ohne Feindeinwirkung. Erst am Nachmittag des 16.10. beginnen dt. Flugzeuge die
Räumungs-Transporte anzugreifen, doch wird nur die Bolshevik (1412 BRT) versenkt, alle anderen Schiffe, einschließlich der beschädigten Gruziya,
erreichen
Sevastopol.
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Quelle:
http://wiesel.wlb-stuttgart.de/seekrieg/41-10.htm
Nach diesen Angaben wurden die sowjetischen Räumungstransporte auf der Reise von Odessa nach Sevastopol von der deutschen Luftwaffe angegriffen, es wurde aber "nur" die "Bolshevik" versenkt.
Ab Mitte Oktober muss sich der Transporter "Armenia" also in Sevastopol aufgehalten haben.
Aber weiter in der WLB-Seekriegsdokumentation: Nach dem deutschen Durchbruch bei Ishun an der Landenge von Perekop (26.10.) wird die Hauptflottenbasis Sevastopol in Verteidigungszustand versetzt. Die Lage in Sevastopol wird immer kritischer. Die Kreuzer Krasny Krym, Krasny Kavkaz, Chervona Ukraina, der Flottillenführer Kharkov, die Zerstörer Bodry, Boiki, Bditelny, Bezuprechny, Nezamozhnik, Shaumyan und Zheleznyakov evakuieren abgeschnittene und versprengte Truppenteile von der Halbinsel Tendra und aus den Krim-Häfen Tschernomorsk, Jalta, Evpatoria und Feodosia und transportieren sie nach Sevastopol. Bis zum 9.11. treffen auf diese Weise 8000 Mann ein. Die genannten Kreuzer transportieren außerdem aus Kaukasus-Häfen 15.000 Mann nach Sevastopol. Flottillenführer Tashkent und die Zerstörer Sposobny, Smyshleny, Soobrazitelny sowie die Wachschiffe Shtorm und Shkval sichern die Nachschubkonvois zwischen den Kaukasus-Häfen und Sevastopol. Es kommt zu schweren Luftangriffen durch die Luftwaffe auf Sevastopol. Am 16.11.41 ist die gesamte Krim mit Ausnahme von Sevastopol in der Hand der deutschen 11. Armee. Das Schiff "ARMENIA" wird nicht (mehr) erwähnt. Was ich merkwürdig finde, sollte sich der Untergang so zugetragen haben, wie er weiter unten aus russischer Quelle beschrieben wird.
Einen wichtigen Hinweis fand ich auf der nachfolgenden Internet-Seite:
http://compunews.com/gus/armenia.htm , die sich an anderer Stelle ausführlich, aber wenig kompetent mit der "Wilhelm Gustloff" beschäftigt. Ich habe Zweifel, ob man diese Seite als seriöse Quelle ansehen kann.
Dort werden folgende (von mir nicht überprüfbare) russische Quellen für die angebliche Versenkung der "ARMENIA", ob nun als TRANSPORTER oder als LAZARETTSCHIFF, genannt:
# "Naval aviation of Germany 1939 - 1945. Pt.1. Torpedo Bombers" by E. A. Granovsky and M. A. Morozov, publ. in Moscow in 1996;
# "Hospital ships" by E. A. Nikitin, publ. in St.Petersburg in 1992; "History of the domestic shipbuilding. Vol. 4" ed. by I. D. Spassky, publ. in St.Petersburg in 1996;
# "Fleet. War. Victory" by V. D. Dotsenko.
Zu erwähnen ist, dass der Miramar Ship Index zwar mehrere "Armenia" auflistet, darunter aber nicht das angeblich im Schwarzen Meer versenkte Schiff.
In einem Internet-Blog fand ich folgende Beschreibung der angeblichen Versenkung der "ARMENIA" in englischer Sprache:
http://hdtd.typepad.com/hdtd/2007/01/th ... al-sh.html
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The Armenia was a Soviet passenger ship. It was built in 1928, and had a capacity of 4,700 tons. In August 1941, the Soviet Navy converted it to a hospital ship.
On November 6, 1941, Armenia's Captain, one V. Playshevsky, sailed the ship from Sevastopol to Yalta. In Yalta, we are told, the Russian Naval Command ordered the ship to remain at port until 7PM -- after dark -- or until escort vessels were available.
On November 7, at 8AM in the morning, Captain Playshevsky ignored his orders and left Yalta with over 5,000 refugees and wounded soldiers. At 11:25AM, somewhere between Yalta and Gurzuf, the Luftwaffe caught up with him. Heinkel He-111H bombers dropped two torpedoes on the helpless ship. (Soviet sources are very firm that it was clearly marked as a hospital ship.) One torpedo hit the fore section and that was that. The ship sank at 11:29AM.
Only a handful of men (either 3 or 8, depending on the source) were rescued by an escort vessel. This incident became the U.S.S.R.'s greatest naval disaster ever. Armenia now lies at 44°15'N, 34°17'E, just a few miles off the southern tip of the Crimea, some 1500 feet below the sea.
Years later, the number of deaths remains unclear. The original sources say "between 5,000 and 5,500". Later, it was suggested that as many as 2,000 more people may have been on the ship without paperwork, refugees desperate to escape the German attack on Sevastopol.
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Im Anschluss an diese Beschreibung werden in dem Blog eine Fülle von Fragen und Zweifeln aufgeworfen.
Eine russische Quelle berichtet am 10.11.2007 wie folgt in englischer Sprache:
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One of the most terrible catastrophe at sea in human history. Russian hospital ship sunk 7 November 1941 by German torpedo carrying planes while evacuating wounded soldiers and sailors from the Crimean Peninsula. As well as the wounded servicemen from Sevastopol and Yalta, the ship also carried around 2,000 unregistered civilians (That put the death toll at 7,000) and medical personnel. After the torpedoes struck, the ship took only four minutes to sink to the bottom of the Black Sea. The Red Crosses painted on both sides were ignored by the pilots during the attack. It is estimated that over 5,000 people died in the sinking. There were only eight survivors who were picked up by an escort vessel. Part of the weekly report of our Moscow Correspondent IRINA PRESNYAKOVA
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Und ein Oleg Grigoryev from Russia zitiert in einem Internet-Forum die Online-Ausgabe der "Pravda" vom 05.05.2005 wie folgt:
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Only eight passengers of the sanitary boat survived the attack of Nazi aviation in 1941
Ukrainian scientists have recently discovered new details connected with the sanitary boat Armenia, which sank in November of 1941 in the Black Sea and became the largest shipwreck during WWII.
A German torpedo-bomber plane attacked the Armenia on November 7th, 1941. The ship sank in only four minutes, killing about 7,000 not 5,000 passengers as it was believed before. The passengers were mainly wounded servicemen, Ukrainian archaeologist Sergei Voronov said. “There were about 2,000 unregistered passengers on board the ship. Most likely, they boarded the boat at doctors' request,” the scientist said. “Only eight people survived the shipwreck – a rescue boat, which escorted the Armenia, saved those people,” Voronov added.
The sunken boat is resting at the depth of 472 meters. Researchers are going to organize a special underwater mission to the boat at the end of May. It is noteworthy that it was very hard to locate the underwater location of the sunken ship-hospital. Armenia's radio operator and the pilot of the German plane transmitted different position data about the site of the sea, where the boat sank.
A German bomber plane attacked the boat with torpedoes at the distance of 25 miles off the Crimean Peninsula. The Armenia was a double-decker passenger and cargo ship.
Anastacia Popova was one of the few passengers, who were lucky to survive the terrible shipwreck. “It was really hard for me to evacuate from the city of Yalta. The Armenia was packed with wounded patients and refugees. When the German aviation attacked the boat and it started sinking, it was more than just a hellish experience. People were rushing about the deck, trying to save their lives. I jumped overboard and swam towards the shore. I was very weak and hardly had any energy. I do not even remember how I found myself on the seashore,” Anastacia recollects.
Another person witnessed the tragedy from the shore: “Hardly had the boat reached the open sea, when a group of German planes attacked it. It goes without saying that Nazi pilots could see big red crosses on the ship. Nevertheless, they started bombing the vessel. We could hear both bomb explosions and people's screaming,” the eyewitness said.
It is noteworthy that the ship was marked with red crosses not only on its sides, but on the deck too. The German pilots ignored the signs. The bombs split the ship into two and it went straight to the bottom of the sea.
Local war veterans lay wreaths on the water surface around the area of the terrible shipwreck every year on May 9th, to honor 7,000 people, who died in the tragedy.
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Richtig ist, dass während des Krim-Krieges durch Angriffe der deutschen Luftwaffe eine große Zahl russischer Schiffe versenkt und dabei Tausende russische Seeleute, Soldaten und Zivilisten getötet wurden.
Ich enthalte mich einer Bewertung angesichts der unsicheren Quellen-Lage, hoffe aber, ein wenig Licht in die Angelegenheit gebracht zu haben. Ob die Versenkung der "Wilhelm Gustloff" durch ein sowjetisches U-Boot im Jahr 1945 im Zusammenhang steht mit einer Vergeltung der vorherigen Versenkung der "ARMENIA" durch die deutsche Luftwaffe im Jahr 1941, ist nicht undenkbar und dennoch eine Spekulation.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Hartung