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Zukufnt der deutschen Schiffbauindustrie?
Verfasst: Di 22. Nov 2011, 11:38
von Alexander
Gehen wir mal, ausgehend von der Insolvenz bei Sietas, einen Schritt weiter. Was denkt Ihr, welche Zukunft hat die deutsche Schiffbauindustrie? In welche Richtung muß sie sich entwickeln, um auch weiterhin existieren zu können?
Daß die Branche hierzulande beim Bau von "einfachen" Schiffen, also insbesondere von Containerfrachtern, etc. gegenüber der Konkurrenz aus Fernost preislich nicht mehr mithalten kann, dürfte inzwischen wohl allseits akzeptierte Tatsache sein. Insofern ist der in den letzten Jahren feststellbare Trend hin zu anspruchsvolleren Schiffen, die nicht so leicht standardisierbar sind, durchaus nachvollziehbar. Die besten Beispiele dafür sind wohl Meyer mit Kreuzfahrtschiffen und die FSG mit Ro-Ro-Schiffen. Beide sind derzeit noch langfristig ausgelastet, allerdings zeichnet sich, wie hier vor einiger Zeit in einem Thread zu lesen war, auch schon langsam ostasiatische Konkurrenz am Horizont ab.
Andere Werften suchen ihr Heil in diversen Spezialschiffen. Hier kann man sicher mit guter Qualität und technischer Innovation punkten, aber daß diese Rechnung nicht immer aufgeht, hat Sietas ja leider gezeigt. Zudem sind die Nischen hier doch recht klein, um langfristig allein damit bestehen zu können. Außerdem sind auch andere Nationen hier teilweise recht aktiv. Schauen wir uns z.B. den Offshore-Markt an, so sieht man, daß deutsche Werften zwar immer wieder mal ein paar Aufträge kriegen (Mützelfeld mit den Schleppern für Harms, P+S bzw. früher Volkswerft mit den Versorgern für Maersk), aber eben nur kleine Teile vom Kuchen abkriegen. Eine echte Chance für Spezialschiffe besteht derzeit wohl nur für die stark kommende Windbranche, d.h. Errichterschiffe für Windkraftanlagen, etc. - aber ansonsten sehe ich kaum noch Nischen, die nicht schon andere erfolgreich besetzt haben. Um die zu verdrängen, muß wohl (auch) der Preis stimmen, und da sind wir hierzulande wohl wieder mal nicht konkurrenzfähig.
Bliebe noch die Variante mit höheren Subventionen, allerdings hat die Vergangenheit gezeigt, daß mit Subventionen allein auch keine Werft zu retten ist. Ich persönlich sehe daher im Moment für die deutsche Schiffbauindustrie eher schwarz. Das Ende der Talfahrt dürfte leider noch lange nicht erreicht sein...
Was meint Ihr dazu?
Alexander
Re: Zukunft der deutschen Schiffbauindustrie?
Verfasst: Di 22. Nov 2011, 14:45
von schwedenelch
Alexander hat geschrieben:
Bliebe noch die Variante mit höheren Subventionen, allerdings hat die Vergangenheit gezeigt, daß mit Subventionen allein auch keine Werft zu retten ist. Ich persönlich sehe daher im Moment für die deutsche Schiffbauindustrie eher schwarz. Das Ende der Talfahrt dürfte leider noch lange nicht erreicht sein...
Sietas ist ja beileibe nicht die erste Werft die "einknickt".
Subventionen sind denke ich keine dauerhaft tragfähige Lösung, der Spezialschiffbau bringt einfach nicht die erforderliche Masse an Aufträgen um damit allein langfristig in gleicher Größenordnung wie bisher zu überleben. Qualitativ hochwertige Fähren (Scandlinesschiffe z.B. aus Stralsund) , Kreuzfahrtschiffe (Meyer), RoRo (FSG), das läuft derzeit noch ganz gut, ich persönlich glaube es ist aber nur eine Frage der Zeit, bis es auch hier zu Einbrüchen in der Anzahl der Neuaufträge kommt. ein weiteres Standbein sind Reparaturen. die werden halt überall dort benötigt, wo Schiffe mal einen Defekt erleiden. kurz: überall, und nicht nur in Asien. dazu kommen evtl Aufträge für Behörden und Marineschiffe und deren Wartung. DA fände ich es gut, wenn der Staat zwar nicht mit Subventionen, aber mit auftragsvergaben an heimische werften diese unterstützen könnte. das alles wird aber nicht für die Masse an Werften und Werftarbeitern reichen, wie sie in der Vergangenheit und heute beschäftigt werden. mit (Spezial)Schiffbau in kleinerem Rahmen oder eben mit Reparaturaufträgen wie bei Lindenau können Werften auf Sparflamme überleben, aber nicht in der aktuellen Größe.
zu den Subventionen in Asien: ich persönlich glaube das die nicht der einzige Grund sind, warum Asien billiger Produzieren kann. es mag EIN Teil der Wahrheit sein, der andere ist eben das man dort evtl an materialqualität spart und vorallem an Arbeitskosten. und damit wären Asiatische Werften der deutschen(europäischen) Konkurrenz vermutlich auch ohne Subventionen vorraus, könntern auch ohne Subventionen billiger produzieren als hier. das ist letztlich dann nur noch eine frage des Marktes, der Nachfrage, solange Reeder Qualitätseinbußen und eher schlechte Arbeitsbedingungen hinnehmen, um billigere Schiffe zu bekommen, wird man hier nix ändern können. Hier kann denke ich nur ein "Bewusstseinswandel" in den oberen Etagen der Reedereien helfen, nicht aber Politik egal welcher Ausrichtung oder Partei.
Re: Zukufnt der deutschen Schiffbauindustrie?
Verfasst: Di 22. Nov 2011, 14:55
von Garsvik
Möglicherweise reicht es, wenn z.B. Meyer in Papenbrück überlebt, in allen Häfen immerhin noch Reparaturaufträge angenommen werden, div. Ingenieurbüros Entwürfe weltweit liefern. Dann ist nicht alles Wissen weg.
Langfristig -über Jahrzehnte- ergeben sich stets wechselnde Konstellationen, die evtl. einen Schiffbau in Deutschland wieder sinnvoll erscheinen lassen.
Wer hätte vor 10 Jahren an Offshore-Windanlagen gedacht? Und daß evtl. die ganze Nordsee damit zugepflastert wird?
Bei völlig anderer Großwetterlage (z.B. Spannungen USA-China) gibts evtl. nichts billiges mehr aus Fernost - und Werftanlagen sind vermutlich schnell wieder reaktiviert - Wissen rund um den Schiffbau wieder zu erwerben wird länger dauern.
(Dies von einem Hobbysegler, der selbstverständlich den ultimativen Durchblick hat betreffs Schiffbau und natürlich völlig beratungsresistent ist.)
Garsvik
Re: Zukufnt der deutschen Schiffbauindustrie?
Verfasst: Di 22. Nov 2011, 16:46
von Alexander
Edit: Beitrag gelöscht
Gruß
Christian
webmaster
http://www.forum-schiff
Re: Zukufnt der deutschen Schiffbauindustrie?
Verfasst: Di 22. Nov 2011, 16:54
von Cornelia
Bei der Suche in google zum Thema Sietaswerft, Insolvenz, Gründe für Insolvenz etc., (beliebig variierbar) sind auch einige interessante Berichte zu finden, welche sich mit mit dem Thema "Zukunft der deutschen Schiffbauindustrie" allgemein befassen.
Macht ja mehr Sinn, sich zu informieren als wenn sich hier die Laien virtuell auf die Köpfe dreschen und man nix Sinnvolles lesen kann.
Hier noch etwas:
http://www.business-on.de/hamburg/ig-me ... 32427.html
Re: Zukufnt der deutschen Schiffbauindustrie?
Verfasst: Di 22. Nov 2011, 17:01
von Alexander
Beruhigt mich irgendwie, daß ich nicht der einzige "Schwarzseher" bin, bzw. eigentlich beunruhigt es mich in Bezug auf die Arbeitsplätze, denn nicht immer dürfte das Ende eines Schiffsbau-Standortes so glimpflich wie bei den Nordseewerken ablaufen, wo ein Großteil der Leute in eine andere Branche (Windkraft) mit übernommen wurde.
Den Punkt mit den Behörden find ich interessant. Hoffen wir, daß diese auch zukünftig dafür sorgen können, daß ihre Aufträge an deutsche Werften gehen - wird nicht immer leicht (Sichtwort: europaweite Auschreibung), ist aber grundsätzlich sicher machbar, wenn man die Ausschreibungen so genau spezifiziert, daß faktisch nur eine bestimmte Werft dazu passt.
Marine: Hier gehe ich davon aus, daß grundsätzlich die Aufträge an deutsche Werften vergeben werden, aus sicherheitspolitischen Aspekten.
Alexander
Re: Zukufnt der deutschen Schiffbauindustrie?
Verfasst: Di 22. Nov 2011, 17:08
von Rainer
Hallo,
ich finde die Worte von Garsvik bedenkenswert. Spannungen zwischen den Großmächten USA-China ...
Wer weiß schon wie weit diese in den kommenden Jahren ausarten und was uns auch in Sachen Iran noch alles erwartet. Vielleicht müssen wir in 10 Jahren nicht nur den Schiffbau reaktivieren
Leider ist es ja aber so das bei vielen Menschen und Firmen das alte Sprichwort eines Elektronik Discounters noch ganz tief im Kopf sitzt. So ein Schiff soll sich möglichst schnell bezahlt machen und noch weiteres Geld in die Kassen spülen, da bleibt dann kein Platz für patricharische Gedanken ob man nicht doch lieber im eigenen Land bauen sollte.
Das ist eben Globalisierung (Da gab es Hute im TV eine ganz nette Reportage über die Globalisierung der Natur, auch da kommen Tuere aus Asien zu uns und bedrohen unsere heimische Tierwelt. War im kleinen Maßstab eine richtig gute Parallele zu unserer allgemeinen Situation in der Wirtschaft).
Gruß aus der Hauptstadt
Rainer
Re: Zukufnt der deutschen Schiffbauindustrie?
Verfasst: Di 22. Nov 2011, 17:19
von Cornelia
Ich hatte mal Gelegenheit, direkt zu fragen, wieso die Reederei Schiffe von Sietas bestellt, und nicht aus China, wo die doch billiger sind.
Ich habe folgende Antwort bekommen:
- Bei Problemen sind Fachleute direkt vor Ort, Nordewerft vor Ort, Korrespondenz auf Deutsch
- Schiffe sind bekannt für Qualität = gute Chance für besseren Preis bei Weiterverkauf
Bei den Schiffstyp handelte es sich um Containerfeeder. Das sind einfach mal 2 Punkte, welche ich so als Antwort bekommen habe, gibt evtl. noch andere Gründe, wieso vor Jahren massenweise bestimmte Schiffstypen in Deutschland (end)gefertigt wurde, und die Aufträge nicht an Mawei & Co in China gingen ?
Private Meinung: Über Zukunftsprognosen mache ich mir keine Meinung mehr. Keiner hat die Schiffahrtskrise mit den vielen Aufliegern vorhergesehen. Nicht mal in der Fachpresse konnte man etwas lesen. Nur vereinzelt konnte man kritisch Stimmen in der Art "woher soll denn all der vorhergesagte Zuwachs kommen??" hören. Die Bankenkrise, Finanzkrise mit Problemen in Griechenland, Spanien etc., der ganzen EU, niemand hat es vorausgesehen.. ist und bleibt wohl echt ein richtiges Überraschungspaket. Was bei einer grösseren Krise zwischen USA und China passieren möge, kann man sich gar nicht erst ausmalen.
Re: Zukufnt der deutschen Schiffbauindustrie?
Verfasst: Di 22. Nov 2011, 17:26
von Lattenheini
Edit: Beitrag gelöscht
Gruß
Christian
webmaster
http://www.forum-schiff
Re: Zukunft der deutschen Schiffbauindustrie?
Verfasst: Di 22. Nov 2011, 17:30
von RonnyM
Auf alle Fälle keine rosige Zukunft...
Wenn man im Handelsblatt liest, dass die Raten nicht mehr gezahlt werden können und die Fonds wohl ihre Einlagen in den Schornstein sich verflüchtigen - da lauert doch schon wieder eine "Aufliegerwelle" am Horizont. Auch der THB kann wenig erfreuliches berichten.
Fazit: Gut das ich Rentner bin
Grüße Ronny