Moin,
ich wollte eigentlich in die Runde fragen, wie es sein kann, dass Scrubber-Waschwasser überhaupt in Nordsee und Ostsee eingeleitet werden darf. Beide sind doch MARPOL Sondergebiet und PSSA (nach IMO: besonders sensibles Meeresgebiet). Ich habe dann selbst recherchiert und möchte Euch an meinen Rechercheergebnissen teilhaben lassen.
@mirkman: Danke für den Link auf die NABU Studie zu ökonomischen und ökologischen Auswirkungen von Scrubbern. Das war sehr hilfreich als Start. Darin ist auch die Studie des Umweltbundesamtes von 2014 (Auswirkungen von Abgasnachbehandlungsanlagen (Scrubbern) auf die Umweltsituation in Häfen und Küstengewässern) als Quelle genannt, die wirklich wertvolle Informationen gibt, und das sogar auf deutsch. Hier der Link:
http://www.umweltbundesamt.de/publikati ... ngsanlagen.
Sowohl bei offenen als auch geschlossenen (!) Systemen von Scrubbern fällt neben dem an Land zu entsorgenden Rückstand (Sludge) auch belastetes Waschwasser an. Dieses enthält neben meist weniger problematischen Stoffen wie Sulfaten und Nitraten (Nitrat trägt zur Überdüngung bei ist aber nicht giftig) auch nicht abbaubare giftige Inhaltsstoffe wie PAHs (polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe) und Schwermetalle (z. B. Vanadium, Nickel, Kupfer, Zink, Blei, Quecksilber, Arsen). Woher die Schwermetalle genau kommen, ist oft unklar: entweder aus den Treibstoffen oder auch aus den Scrubbern selbst.
Während bei offenen Systemen das belastete Waschwasser ständig ins Meer geleitet wird, ermöglichen geschlossene Systeme mit Rückhaltesystemen einen abwasserfreien Betrieb des Scrubbers über wenige Stunden (Beispiel einer untersuchten Fähre: bis zu 6 h).
Somit ergibt sich beim Betrieb von Scrubbern ein konstanter Eintrag von Schadstoffen

, der bei offenen Systemen um ein Vielfaches höher liegt als bei geschlossenen Systemen.
Für die Tiere im Meer ist nicht nur die Konzentration der Schadstoffe im Abwasser, sondern auch die Gesamtmenge von Bedeutung, insbesondere bei nicht abbaubaren Bestandteilen wie Schwermetallen (Anreicherung über die Nahrungskette!). Für PAH gibt es einen Grenzwert der IMO: Konzentration unter 50µg/l bezogen auf einen bestimmten Bestandteil dieser unheilvollen Mischung. Damit der Grenzwert eingehalten werden kann, darf beliebig viel Seewasser dazu gemischt werden, d. h. die Menge ist nicht begrenzt.
Ein Kreuzfahrtschiff mit einem offenen System würde auf der Route Emden-Cuxhaven (148 sm) nach Modellierungen in dem Bericht des Umweltbundesamtes mit dem Scrubber-Waschwasser z. B. 1080 g Öl, 541 g Zink, 440 g Vanadium, 313 g Kupfer, 111g Nickel, 35 g Blei, 0,5 g Arsen und 0,2 g Quecksilber abgeben. (Wenn ich 1 Liter Schweröl ins Wasser gieße und noch Schwermetalle nachwerfe, werde ich wahrscheinlich bestraft.) Wer mag, kann das mal auf den gesamten Schiffsverkehr der Nord- und Ostsee hochrechnen.
Mein Fazit: Scrubber sind eine gute Möglichkeit, sehr effektiv die Schadstoffe aus der Luft ins Wasser zu verlagern, wo sie am Ende sowieso gelandet wären. Erkauft wird diese Abkürzung der Gifte ins Meer mit einer Zusatzbelastung von Schwermetallen aus den metallischen Oberflächen im Scrubber selbst und 3% höherem Treibstoffverbrauch. Lediglich die Partikel werden im "Sludge" abgetrennt und entsorgt. Das gilt z. B. für einen Teil des Rußes, die langkettigen PAHs).
Zweites Fazit: Politik muss nicht gut sein, nur gut aussehen.
Nun zurück zur Ausgangsfrage: MARPOL Sondergebiet nach Anhang 1 (bezüglich Öleinleitungen) erlaubt 15 g Öl pro Kubikmeter abgepumpten Wassers (dies gilt ausdrücklich für Bilgenwasser, wird aber auch auf Scrubber-Waschwasser angewendet). Diese Konzentration hält das Scrubber-Waschwasser ein. Wenn nicht, wird einfach verdünnt. Wie heißt es so schön: "The solution for pollution is dilution" (die Lösung für Umweltverschmutzung ist Verdünnung).
Hochinteressant ist auch eine Aussage auf der IMO Homepage, die einem das ganze Dilemma und die Absurdität noch einmal vor Augen hält. Ich wollte wissen, ob ein als PSSA (besonders sensibles Meeresgebiet) ausgewiesenes Gebiet strengere Kriterien erfordert. Die IMO dazu: Ein PSSA erfordert die strikte Einhaltung der MARPOL Einleitungsvorschriften. ("When an area is approved as a particularly sensitive sea area, specific measures can be used to control the maritime activities in that area, such as routeing measures, strict application of MARPOL discharge and equipment requirements for ships, such as oil tankers..."). - Mit anderen Worten: Außerhalb eines PSSA sind dieselben Einleitungsvorschriften einzuhalten, aber nicht so strikt. Der REst ist Auslegungssache.
Viele Grüße,
Sven