Moin!
Ein letztes Mal schauen wir uns im Museum um, wobei ich auf den alten Holzschiffbau und auf die Kettenschleppschiffahrt eingehen möchte. Ich halte mich dabei zum Teil an die Ausstellungstexte im Museum:
Der Schiffbau in Wörth ist ohne die Familie Schellenberger nicht denkbar. Jahrhundertelang, d. h. seit dem 17. Jahrhundert, und über viele Generationen hinweg betrieben sie den Bau von Holz- und später dann Eisen- und Stahlschiffen, zunächst in Wörth, danach auf der gegenüber liegenden Main-Seite, in Erlenbach.

Schiffbauplatz in Wörth am Main. Bildnachweis: Schiffbau- und Schiffahrtsmuseum Wörth am Main.
Die Schellenbergs leiteten im 18. Jahrhundert mehrere Schiffbauplätze und wurden weit über die Region hinaus in Schifferkreisen bekannt.
Im 19. Jahrhundert kam es zu einem Niedergang des Wörther Schiffbaus: Die Kriegswirren der Napoleonzeit belasteten das wirtschaftliche Leben. Die politische Kleinstaaterei mit ihren Streitigkeiten verhinderten eine länderübergreifende Verkehrsführung. Der Holzschiffbau kam ans Ende seiner technischen Entwicklung, übrigens früher als dies an den norddeutschen Küsten geschah. Die neu aufkommende Eisenbahn konkurrierte mit der Fluss-Schiffahrt und machte ihr Transportmengen streitig. Die Regulierung der Flüsse beendete die Kettendampfschiffahrt.
Neben der Familie Schellenberger betrieb die Familie Zipprich weitere Schiffbauplätze in Wörth.
Für die Schiffbauer gab es bis ca. 1900 keine offizielle Lehr-Ausbildung. Um 1900 arbeiteten an einem Holzschiff ca. 13 bis 18 Schiffbauer. Zum Ausbau des Schiffes wurden noch andere Handwerker des Ortes herangezogen.
Der Arbeitstag war damals elf Stunden lang. Der Lohn wurde alle 14 Tage vom Arbeiter am Sonntag abgeholt.
Dringende Reparaturen wurden im Winter durchgeführt und Generalüberholungen alle sechs bis acht Jahre. Außerdem mussten die Schiffbauer das Holz für ihre Schiffe im Stadtwald von Wörth selbst schlagen. Sie schnitten die Eichenbretter zurecht und hatten einen Nebenverdienst, indem sie im Winter Eis aus dem Main für die Brauereien brachen.
Die Schiffbauerfamilien waren Nebenerwerbslandwirte. Die Landwirtschaft wurde meist von den Ehefrauen betrieben.
Im Winter arbeiteten die Frauen und Kinder der Schiffbauer für den Schiffbau, indem sie Moos sammelten und dies zum Abdichten der Holzplanken zusammen wickelten.
Die Schellenbergers wechselte Ende des 19. Jahrhunderts sozusagen "die Seite" und gingen nach Erlenbach. Der Grund: Zunehmend hatten sich Werksnachbarn in Wörth über den durch die Werftarbeit verursachten Lärm beschwert.

Allerdings gab es auch keine hochwasserfreien Erweiterungsflächen mehr. Davon hatte Erlenbach jedoch ausreichend.
Noch ein paar Sätze zur Besonderheit der Kettendampfschiffschleppschiffahrt (ein wunderbares Wort

). Die Kettenschiffahrt auf dem Main entstand um 1880 und wurde betrieben bis 1936. Zuvor bewegte man die Fluss-Schiffe im Verband vom Treidelpfad aus mit Pferden Fluss. Der Leinpfad wechselte von einem Ufer zum anderen, und die Pferde mussten übergesetzt werden. Flussabwärts ließen die Schiffer ihre Schiffe treiben oder als Segelboote vom Wind vorwärts bewegen. Ein mühsames Geschäft. Nach 1936 kamen die dieselgetriebenen selbstfahrenden Binnenschiffe auf, auch die Schlepper hatten nun einen Diesel. Diese Übergangsphase ist verleichbar mit der Umstellung auf Diesel in der Küstenschiffahrt.

Kettenschiff auf dem Main bei Wörth 1935. Bildnachweis: Schiffbau- und Schiffahrtsmuseum Wörth am Main.
Für die Kettenschiffahrt wurde am Boden des Main von Mainz-Kastel über Frankfurt bis Aschaffenburg und von dort weiter bis Würzburg eine kräftige Eisenkette auf dem Grund des Main verlegt, an dem sich die Kettenschlepper entlang hangelten. Dies geschah dadurch, dass ie Kette über den vorderen Ausleger aus dem Flussbett geholt und über Deck entlang der Schiffsachse zum Kettenantrieb in der Mitte des Schiffes geführt wurde. Führungsrollen sorgten für eine exakte Ausrichtung der Kette. Von dort führte die Kette über Deck zum Ausleger am Heck und wieder zurück in den Fluss. Der Volksmund nannte die Schlepper "Maakuh" (Main-Kuh), wohl wegen die von ihnen verursachte Geräuschkulisse.

Bildnachweis: Schiffbau- und Schiffahrtsmuseum Wörth am Main.
Im "Lueger" kann man es wie folgt genauer lesen:
Kettenschleppschiffahrt, Kettenschiffahrt, auch Tauerei, Touage (s. Seilschleppschiffahrt) genannt, ist die Fortbewegung von Schiffen auf Kanälen, Flüssen und Binnenseen an einer Kette oder einem Seil, das über den Boden des zu befahrenden Wasserweges ununterbrochen gespannt und an beiden Enden verankert ist. Das Kettenschiff nimmt einen Teil dicker Kette am Vorderende auf, führt ihn über Leitrollen zu Trommeln oder Kettengreifrädern, die mittels durch Dampf- oder elektromotorische Kraft betriebene Maschinen gedreht werden, und läßt ihn am Achterende des Schiffes wieder zu Wasser. Durch die Umdrehung der Trommeln, um welche die Kette oder das Seil in einer Windung oder in mehreren geschlungen ist, bewegt sich das Kettenschiff vorwärts. Es zieht sich gleichsam an der Kette entlang durch das Wasser und kann auf diese Weise eine Anzahl angehängter Ladekähne mitführen. [Lexikon: Kettenschleppschiffahrt. Lueger: Lexikon der gesamten Technik, 2. Auflage 1904–1920, (vgl. Lueger Bd. 5, S. 460)]
Diese kurze Episode in der Binnenschiffahrt ist es wert ausführlicher beschrieben zu werden. Vielleicht dazu später mal mehr.

Kettenschleppschiff mit Lastkähnen auf dem Neckar bei Heilbronn. Bildnachweis: Wikipedia. Public Domain.
Jedenfalls: Ein Besuch im Wörther Museum lohnt in jedem Fall. Wer über die Autobahn A 3 fährt, sollte diese mal bei Aschaffenburg oder Marktheidenfeld verlassen und den Weg durch das unterfränkische Maintal nehmen. Es lohnt nicht nur wegen der schönen Landschaft, den alten Ortschaften und dem Wein.
mfg Peter Hartung