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Historische Fotos von Schiffen und Hafenanlagen

Verfasst: Di 17. Aug 2010, 18:16
von Peter Hartung
Historische Panorama-Fotos von Schiffen und Hafenanlagen:
Die "EASTLAND"-Katastrophe 1915 in Chicago - Teil 1


"Es ist unmöglich, einen Augenblick anzuhalten." (Jacques Perrier)

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Quelle: Library of Congress

Dieses historische Panorama-Photo entstand am Vormittag des 24. Juli 1915 am Chicago River zwischen der La Salle Street und der Clarkstreet in Chicago. Im Schlick des Flussbettes liegt flach auf der Backbord-Seite der gekenterte Rumpf eines größeren Passagierschiffes. Auf dem Rumpf sind hunderte von Menschen zu sehen. Um den Rumpf sind zahlreiche Hilfsschiffe mit Rettungs- und Bergearbeiten befasst.

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Wir sehen das tragische Ende eines Betriebsausfluges, der gerade erst beginnen sollte.

Die Western Electric Company hatte den Great-Lakes-Passagierdampfer "EASTLAND" für eine Tagestour über den Michigan-See gechartert. Arbeiter und Angestellte mit ihren Frauen und Kindern waren eben in Chicago an Bord gegangen. In den "Hawthorne Works" der Western Electric produzieren sie Telefonapparate, Kabel und Telefonschaltanlagen. Sie sind überwiegend Einwanderer tschechischer ("Bohemians"), polnischer und deutscher Abstammung.

Mit ca. 2.500 Passagieren des Western Electric-Werkes ("Hawthorne plant") in Cicero, Illinois, an Bord wollte der 2-Schrauben-Passagierdampfer "EASTLAND" unter der Führung von Kapitän Harry Pedersen zu einer Tagestour ("Annual Picnic") von Chicago über den Michigan-See nach Washington Park, Michigan City, Indiana, auslaufen.

Um 07:30 Uhr Ortszeit kippte die "EASTLAND" plötzlich innerhalb weniger Sekunden in Richtung Flussmitte auf die Seite, schleuderte die Passagiere in den Fluß und begrub sie im Schiffsinneren, wo sie in den hereinbrechenden Fluten ertranken oder von umstürzenden Einrichtungsgegenständen erschlagen wurden. Die meisten der Todesopfer waren Frauen, Kinder und Jugendliche. Am Ende des Tages zählte man 844 Tote.

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Eastland (1903)
Späterer Name: USS Wilmette IX-29 (1918)
Gebaut für: Michigan Steamship Company, South Haven, Michigan

Ab 21. Dezember 1905: Michigan Transportation Company (Chicago-South Haven Line)
South Haven, Michigan
Ab 1907: Lake Shore Navigation Company
Cleveland, Ohio
Ab 1909:
Eastland Navigation Company
Cleveland, Ohio
Ab 1. Juni 1914:
St. Joseph-Chicago Steamship Company
St. Joseph, Michigan
Ab Dezember 1915:
Edward A. Evers
Chicago, Illinois
Ab 21. November 1917:
United States Navy
Bauwerft:
Jenks Shipbuilding Company
Port Huron, Michigan

Die "EASTLAND" war das erste und einzige Passagierschiff, das auf der Werft Jenks Shipbuilding Co., Huron, Michigan, gebaut wurde. Jenks baute sonst nur die Great-Lakes-typischen Frachtschiffe ("barges and bulk freighters"). Die Werft existierte von 1890 bis 1904 und baute angeblich insgesamt nur 24 Schiffe. Die Miramar Shipindex Datenbank registriert 18 Neubauten.

"EASTLAND" wurde bestellt im Oktober 1902
Baujahr: 1903
Stapellauf am 6. Mai 1903:
Schwesterschiffe: keine
Jungfernreise: 16. Juli 1903
Ende: Am 31. Oktober 1946 verkauft an Hyman Michaels Co., Chicago, Illinois und abgewrackt.

Länge: 83,8 Meter (275 ft.) über alles. 80,77 Meter (265 ft) zwischen den Loten.
Breite: 11,6 Meter (38 ft.)
Tiefgang (molded depth): 6,90 Meter (22 ft, 8 inch), eingetragen waren im Register 5,94 Meter (19 ft, 6 inch).
Maschine: Zwei Dreifach-Expansions-Dampfmaschinen mit vier kohlebefeuerten Scotch-Kessel
1.750 PS
Zwei Schrauben
Geschwindigkeit 16,5 Knoten.
Brutto-Tonnage 1.961 bei 2.600 tdw
70 Mann Besatzung, max. 3.000 Passagiere
2 Schornsteine, 2 Masten.

"Dass aber Rettungsboote unter bestimmten Umständen auch die Schiffssicherheit selbst gefährden können, bezeugte schon bald der Untergang der "EASTLAND". Dieser Great-Lakes-Dampfer, der 1915 im Hafen von Chicago vollbesetzt kenterte und mit seinen 844 toten Passagieren (gegenüber 694 auf der "TITANIC") den bis heute verlustreichsten Schiffbruch am Landungssteg erlitt, hatte aufgrund seiner Konstruktion und häufiger Decksumbauten ein Stabilitätsproblem, das man ebenso ignorierte wie man die nötigen Neuberechnungen der "metazentrischen Höhe" (des Abstands zwischen dem Gewichtsschwerpunkt der Schiffs und dem Schnittpunkt von Mittschiffsebene und der Auftriebsrichtung des verdrängten Wassers) unterließ. Neben einem sorglosen Kommando und falsch gefluteten Ballasttanks war es zuletzt das Dogma des "boats for all", das für diesen Unfall den Ausschlag gab."

Aus: Burkhardt Wolf: Schiffbruch mit Beobachter. Zur Geschichte des nautischen Gefahrenwissens. In: Die Unordnung der Dinge: Eine Wissens- und Mediengeschichte des Unfalls. Christian Kassung (Hg.), Bielefeld 2009.

mfg Peter Hartung

Quellen:
The Eastland Disaster Historical Society, Chicago
The Eastland Memorial Society
Chicago History Museum
Library of Congress
The Daily News, Chicago
Ted Wachholz: The Eastland Disaster, Eastland Disaster Historical Society,Chicago Historical Society, Arcadia Publishing, Chicago, 2005
Lizenzhinweis: Lizenzfrei. Public domain. This media files are in the public domain in the United States. This applies to U.S. works where the copyright has expired, often because its first publication occurred prior to January 1, 1923.

Re: Historische Panorama-Fotos von Schiffen und Hafenanlagen

Verfasst: Mi 18. Aug 2010, 06:14
von Peter Hartung
Die "EASTLAND"-Katastrophe 1915 in Chicago - Teil 2

Guten Morgen!

Vor den Augen der entsetzten innerstädtischen Öffentlichkeit von Chicago begannen sofort nach dem "EASTLAND"-Unglück die Rettungsarbeiten. Die nachfolgenden dramatischen Bilder sprechen für sich selbst:

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Bildnachweise: Chicago History Museum, Library of Congress, The Daily News, Chicago
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mfg Peter Hartung

Re: Historische Panorama-Fotos von Schiffen und Hafenanlagen

Verfasst: Do 19. Aug 2010, 14:50
von Peter Hartung
Die "EASTLAND"-Katastrophe 1915 in Chicago - Teil 3

844 Menschen an Bord der "EASTLAND" fanden den Tod in den Fluten des Chicago Rivers. Die Bergung der Ertrunkenen führte zu herzzerreissenden Szenen:

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Photo by Junnosuke Fujita for The Daily News, Chicago, 24th July, 1915.
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Bildnachweise: Chicago History Museum, Library of Congress, The Daily News, Chicago
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Die Leichen der Ertrunkenen wurden zur Identifizierung in das Second Regiment Armory (ein Militär-Arsenal) am Washington Boulevard gebracht. Die Chicagoer Zeitungen veröffentlichten lange Todeslisten mit vielen tschechisch, polnisch und deutsch klingenden Namen. Bei Durchsicht der Listen fällt auf, dass die Mehrheit der Opfer weiblich und unter 30 Jahre alt waren. Die Friedhöfe und Trauerhallen waren tagelang überlastet, die Kirchen mit Trauernden überfüllt. In St. Mary of Czestochowa Catholic Church in Cicero, am Western Electric Werksstandort, fand die zentrale Trauerfeier statt. Ihre letzte Ruhe fanden viele Tote auf dem "Bohemian National Cemetery" im Norden Chicagos.

Sofort nach dem Unglück begann vor dem Hintergrund einer aufgebrachten Öffentlichkeit die Suche nach den Ursachen und den Schuldigen. Alle Schiffsoffiziere der "EASTLAND" und viele Besatzungsmitglieder waren sofort nach dem Unglück festgenommen und verhört worden und umfangreiche Ermittlungen und Untersuchungen angestellt.

Dabei beschäftigten sich die Öffentlichkeit und die Ermittler insbesondere mit folgenden Kern-Fragen:

War das Schiff schon von der Konstruktion her zu topplastig?

Waren spätere Um- und Einbauten die Ursache für eine zu große Topplastigkeit?

War die Umsetzung der "Boat-For-All"-Kampagne nach dem Untergang der "TITANIC" die Ursache dafür, dass die "EASTLAND" umschlug?

Benutzten zu viele Fahrgäste die oberen Decks, um dort gute Aussicht zu haben?

Funktionierten die Ballastpumpen und -Tanks nicht richtig?

Waren die zulässigen Passagierzahlen überschritten worden?

Die Untersuchungen und Gerichtsverfahren zogen sich über zwanzig Jahre hin. Ein Bundesgericht kam zu dem Ergebnis, dass die Mannschaft und die Offiziere der "EASTLAND" nicht schuldig waren. Schließlich erklärte 1935 das höchste angerufene Gericht, der "United States Circuit Court of Appeals", dass die Reederei der "EASTLAND" nur verantwortlich sei für die Bergekosten des Schiffes, dass das Schiff im seetüchtigen Zustand gewesen sei und dass die Schiffsleitung ordnungsgemäß gehandelt habe. Lediglich der für die Ballasttanks verantwortliche und mittlerweile verstorbene Ingenieur sei schuldig gewesen. Wörtlich berichtete die Nachrichtenagentur Associated Press wie folgt:

"Chicago, Aug. 7.--(AP)--The United States Circuit Court of Appeals today upheld a District Court ruling that the St. Joseph-Chicago Steamship Co. ... is not liable for the ... deaths in the disaster." (...)
"The court held that the company was liable only to the extent of the salvage of the vessel; that the boat was seaworthy; that the operators had taken proper precautions and that the responsibility was traced to an engineer who neglected to fill the ballast tanks properly."

mfg Peter Hartung

Re: Historische Panorama-Fotos von Schiffen und Hafenanlagen

Verfasst: Fr 20. Aug 2010, 21:09
von Peter Hartung
Die "EASTLAND"-Katastrophe 1915 in Chicago - Teil 4

Ab dem 24. Juli 1914 begannen die Bergungsarbeiten am gekenterten Schiff.

Der Auftrag ging an das Bergungsunternehmen Dunham Towing and Wrecking Company, einer lokalen Tochtergesellschaft der Great Lakes Towing Company. Beauftragt wurde sie von der St. Joseph-Chicago Steamship Company, dem Eigner der "EASTLAND". Zum Einsatz kam das Bergungsschiff "FAVORITE", ein 55 Meter langes Spezial-Bergungsschiff, welches von Duluth nach Chicago beordert wurde.

Die Commonwealth Edison Company sorgte für die Beleuchtung der Unglücksstelle mit 125 Tungsten-Nitrogen-Lampen.

Das Innere des gekenterten Passagierdampfers wurde zuvor untersucht. Dabei entstanden u. a. die nachfolgenden Aufnahmen.

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Dreht man das Foto, das eines der Decks auf der Steuerbordseite zeigt, um 90 Grad nach links, erkennt man die Decksplanken und auf der linken Seite offene Bulleyes.

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Ein weiteres Foto:

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Und um 90 Grad nach rechts gedreht:

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Ein Deck höher bot sich diese Szenerie:

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Dreht man das Foto um 90 Grad nach rechts, erhält man einen Eindruck vom Inneren des Schiffes:

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Bevor die Bergungsarbeiten begannen, mussten die beiden Schornsteine, die Masten und das Rigg, die Boote und Davits und der Rest entfernt werden. Die Öffnungen und während der Bergearbeiten hineingeschweissten Löcher im Rumpf wurde abgedichtet, ebenso die Luken, Bulleyes und Gangways. Große Mengen an zerstörten Mobilar, Trümmer sowie die Bunkerkohle wurden an Land gebracht. Dann begannen die Pumparbeiten und das Schiff konnte langsam aufgerichtet werden. Dies geschah in der Zeit zwischen dem 4. und dem 13. August 1915. Unterstützt wurde das Bergungsschiff "FAVORITE" dabei von einem Ponton-Kran und mehreren Schleppern. Die Bergungsmannschaft bestand aus 32 Mann, die täglich 12 bis 14 Stunden an der Bergung arbeiteten, die insgesamt 16 Tage dauerte.

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Bildnachweise: Chicago History Museum, Library of Congress, The Daily News, Chicago
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mfg Peter Hartung

Re: Historische Panorama-Fotos von Schiffen und Hafenanlagen

Verfasst: Fr 20. Aug 2010, 22:19
von Tim S.
Hallo Peter,
vielen Dank, dass du diese Katastrophe mit den hervorragenden Bildern in Erinnerung gerufen hast. Es handelt sich um ein im Vergleich zu anderen ja deutlich weniger in Erinnerung gebliebenes Schiffsunglück. Hochinteressant!

Re: Historische Panorama-Fotos von Schiffen und Hafenanlagen

Verfasst: Sa 21. Aug 2010, 07:39
von Peter Hartung
Die "EASTLAND"-Katastrophe 1915 in Chicago - Teil 5 und Schluss

Der Rumpf der "EASTLAND" wurde schon im Dezember 1915 an die US-Marine verkauft. Capt. Edward A. Evers von der Ninth Naval Training Group suchte dringend ein Kanonenboot als Ausbildungsschiff für Kanoniere und Torpedoschützen. Die Wahl fiel auf die "EASTLAND", wofür die Marine US-Dollar 46.000 an die St. Joseph-Chicago Steamship Company bezahlte, die das Geld dringend brauchte, da hohe Kosten im Zusammenhang mit dem Unglück angefallen waren. 1916 wurden Teile der oberen Decks entfernt, achtern wurde der Rumpf niedriger. Das neue Kriegsschiff bekam die Nummer SS 25 und wurde unter dem Namen "WILLMETTE" registriert.

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Ausgerüstet mit vier 10-cm-Kanonen, 2-3,6-cm-Kanonen sowie zwei "2-Pfünder" blieb die "WILLMETTE" bis 1945 (ab 1941 mit der Nummer IX-29) auf den Großen Seen als Ausbildungsschiff mit einigen zwischenzeitlichen Stilllegungen im Einsatz. Am 31. Oktober 1946 verkaufte die Marine die "WILLMETTE" an die Hyman Michaels Company of Chicago, Illinois zum Abwracken. Die Verschrottung erfolgte dann 1947.

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Bildnachweis: Chicago History Museum, Library of Congress, The Daily News, Chicago
Lizenzhinweis: Lizenzfrei. Public domain. This media files are in the public domain in the United States. This applies to U.S. works where the copyright has expired, often because its first publication occurred prior to January 1, 1923.

Nachtrag: An das Unglück erinnert heute diese Gedenktafel am Chicago River in der Innenstadt von Chicago:

mfg Peter Hartung

Re: Historische Panorama-Fotos von Schiffen und Hafenanlagen

Verfasst: Mi 25. Aug 2010, 05:34
von Peter Hartung
Guten Morgen!

Mit 31.550 BRT war die "LUSITANIA" im Oktober 1907 das größte und schnellste Schiff der Welt. Hier sehen wir den britischen Passagierdampfer der Cunard-Reederei bei seiner Ankunft in New York. Mit mehr als 26 Knoten Geschwindigkeit hatte sie gerade das "Blaue Band" errungen. Das Schiff wird von einem großen Publikum erwartet, das mit Pferdekutschen und Automobilen auf die Passagiere wartet.

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Bildnachweis: Library of Congress, Washington (D.C.), USA. Bildtitel "The Lusitania at end of record voyage", No known restrictions on publication (Public domain). N. W. Penfield; dated November 22, 1907.

Da über die "LUSITANIA" und Cunard eigentlich fast alles gesagt und geschrieben wurde, verweise ich für weitere Informationen auf die Wikipedia-Links, über die Zugang zu weiteren Quellen möglich ist:
http://de.wikipedia.org/wiki/RMS_Lusitania
http://de.wikipedia.org/wiki/Cunard_Line

mfg Peter Hartung

Re: Historische Panorama-Fotos von Schiffen und Hafenanlagen

Verfasst: Do 26. Aug 2010, 08:08
von toni montana
694 Tote beim Untergang der Titanic kann ja wohl nicht stimmen.

Die offiziellen Berichte nennen immer um die 1.500 Opfer.

Trotzdem sonst ein hochinteressanter und klasse dokumentierter Bericht von einem Ereignis, von welchem ich bislang noch nie gehört habe (und das obwohl ich mich sehr für die Schifffahrt interessiere!)!

Re: Historische Panorama-Fotos von Schiffen und Hafenanlagen

Verfasst: Sa 28. Aug 2010, 08:28
von Peter Hartung
toni montana hat geschrieben:694 Tote beim Untergang der Titanic kann ja wohl nicht stimmen.
Die offiziellen Berichte nennen immer um die 1.500 Opfer.
Trotzdem sonst ein hochinteressanter und klasse dokumentierter Bericht von einem Ereignis, von welchem ich bislang noch nie gehört habe (und das obwohl ich mich sehr für die Schifffahrt interessiere!)!
Guten Morgen, "toni montana",
danke für Deine Anmerkung. Zur Klarstellung: Die von mir zitierte Zahl von 694 Titanic-Tote bezieht sich nur auf die Verlustzahlen der Titanic-Passagiere (ohne Besatzung) und wurde vom Autor mit den Passagier-Opferzahlen der "EASTLAND" verglichen. Zitat s.o.: "(...) der 1915 im Hafen von Chicago vollbesetzt kenterte und mit seinen 844 toten Passagieren (gegenüber 694 auf der "TITANIC") den bis heute verlustreichsten Schiffbruch am Landungssteg erlitt, (...)" *.

Die vom Autor angegebene Zahl von 694 erscheint allerdings auch mir zu niedrig, meine Nachprüfung ergab 817 tote Titanic-Passagiere. Ursache mögen Diskrepanzen in den Titanic-Passagierlisten sein. Und man muss bedenken, dass in Chicago alle Opfer geborgen wurden, während die "Titanic"-Überlebenden mit den Passagierlisten abgeglichen werden mussten.
mfg Peter Hartung

* zitiert aus: Burkhardt Wolf: Schiffbruch mit Beobachter. Zur Geschichte des nautischen Gefahrenwissens. In: Die Unordnung der Dinge: Eine Wissens- und Mediengeschichte des Unfalls. Christian Kassung (Hg.), Bielefeld 2009.

Re: Historische Panorama-Fotos von Schiffen und Hafenanlagen

Verfasst: Sa 28. Aug 2010, 08:28
von Peter Hartung
Historische Panorama-Fotos von Schiffen und Hafenanlagen:
Die "VENEZIA" läuft zum ersten Mal den "New State Pier" von Providence (Rhode Island) an. Teil 1.


Auch das nächste Panorama-Photo erzählt wieder eine ganze Schifffahrtsgeschichte.

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Bildnachweis: Library of Congress, Washington (D.C.), USA. Bildtitel "Opening of the new state dock, Dec. 17, 1913, arrival of the first ocean steamship". No known restrictions on publication (Public domain). Photo by Wm. Mills and Son, Prov. R.I., dated June 12, 1914.

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Wir sehen den Fracht-/Passagierdampfer "VENEZIA" der französischen Fabre Line, der soeben am neu erbauten "New State Pier" von Providence (Rhode Island) angelegt hat. Die Farben des Schornsteins leuchten schwarz-weiß-rot. Das neue Dock wird am 17. Dezember 1913 eröffnet. Providence war eine aufstrebende Großstadt in der Nähe von New York und 1910 zählte man 223.326 Einwohner. Italienische Einwanderer ("Little Italy") bildeten damals die Mehrheit der Bevölkerung von Providence. Kurz zuvor hatte New York die umliegenden Städte aufgefordert, verstärkt Hafen-Infrastruktur aufzubauen für die zunehmende Zahl von Einwanderern. Die New Yorker Kapazitäten reichten nicht mehr aus. Also wurde das neue Dock in Providence gebaut und mit der Ankunft der "VENEZIA" eröffnet.

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Die "VENEZIA" war ein Fracht- und Passagierschiff der 1880 von dem französischen Kaufmann Cyprien Fabre in Marseille gegründeten Fabre Line (Compagnie Francaise de Navigation a Vapeur Cyprien Fabre & Compagnie). Die Schiffe der Fabre Line fuhren von Neapel, Palermo, Marseille, Lissabon und den Azoren nach New York und später nach Rhode Island und waren beliebt bei italienischen und portugiesischen Auswanderern. Der Transatlantik-Dienst aus dem Mittelmeer zur US-Ostküste wurde bis 1934 betrieben.

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Schornsteinfarben Fabre Line
Bildnachweis: The Ships List

"VENEZIA" war mit der Baunummer 772 am 30. April 1907 bei der britischen Werft Swan, Hunter & Wigham Richardson Ltd. in Wallsend-on-Tyne (Low Walker) vom Stapel gelaufen und wurde im August 1907 fertiggestellt. Das Schiff hatte eine Brutto-Tonnage von 6.707 tons, war zwischen den Loten 139,3 Meter lang, hatte eine Breite von 15,6 Metern und eine Seitenhöhe (bis Lukenrand) von 9,3 Metern. Das Zwei-Schrauben-Schiff wurde angetrieben von einer Dreifach-Expansions-Dampfmaschine und erreichte eine Dienstgeschwindigkeit von 15,5 Knoten. Insgesamt 1.880 Passagiere konnte das Schiff neben Ladung befördern, davon 80 in der Ersten Klasse und 1.800 in der Dritten Klasse. Eingesetzt wurde die "VENEZIA" zunächst im Mittelmeer-New York-Dienst, ab 1913 nach Providence (R.I.).

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Bildnachweis: United States Environmental Protection Agency - Narragansett Bay Commission - University of Rhode Island (Office of Marine Programs)
http://omp.gso.uri.edu/ompweb/

Auf dem obigen Foto sehen wir Einwanderer, die gerade die "VENEZIA", die am "New State Pier" von Providence liegt, verlassen haben. Das Foto entstand auch im Dezember 1913. Es zeigt italienische und portugiesische Migranten.

Zwischen Mai 1911 und Juli 1914 beförderte die Fabre Line mehr als 30.000 Passagiere nach Providence.

1919 charterte die French Line (Compagnie Générale Transatlantique) die "VENEZIA", der wenig später am 14. Oktober 1919 auf Hoher See im Atlantik (Position 43.32N/45.04W) durch Feuer zerstört wurde und unterging.

mfg Peter Hartung