Die letzten Kümos

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Jan Myck
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Rückschau zum Filmabend MS BLEICHEN

Beitrag von Jan Myck »

Moin, moin
liebe Leute!

Gestern wars ja nun so weit: 25 Kümos konnten in der geräumigen Luke II ihre Runden drehen.
Mucksmäuschen still wars unter den Gästen um ja die verschiedenen Diesel-Takte unterscheiden zu können.
Ich habe damals ja besonderen Wert auf eine akurate Audioabmischung gelegt, weil ich weiß, wie sehr uns
diese wunderbaren Klänge der alten MAKs das Erlebnis Küstenschiffahrt nahe bringen.
Durch den gewaltigen Laderaum der BLEICHEN war leider der Lautsprecherklang etwas zu verhallt,
dafür hatte man aber das einmalige Ambiente eines 1958 gebauten Finnlandfahrers anstatt eines langweiligen Kinosaals.

Oben an Deck lief ein ganz anderer Film.
Zu diesem Zweck hatte man sogar den MGM-Löwen mitgebracht.
Der weilte aufrecht sitzend in seinem Transportkäfig auf der Pier unter dem Kran.
Meine Begleiterin will es nicht glauben, packt mich erschrocken am Arm.

Nach der Veranstaltung läuft einer mit ner ausgestopften Möwe am Stil durch das Schiff.
Meine Güte, was brauchen die nicht alles für ihre Fotosession.
Gibts jetzt auch schon keine Möwen mehr im Hafen?

Kümoleute und Fotoleute schienen an diesem sommerlich warmen Filmabend im Hansahafen
alle rundum zufrieden. Mit wiedermal interessanten Gesprächen und Anekdoten zum Thema Küstenschiffahrt
fand der Abend seinen harmonischen Ausklang.

Danke, an alle die gekommen sind und doch den Weg zu den hinteren Hafenbecken gefunden haben
um dabei zu sein!

Euer Kümo-Jan

* Noch ein Hinweis für die, die nicht kommen konnten:
Die DVD "Die letzten Kümos" ist ab sofort in den Hamburger Schiffahrtsbuchhandlungen erhältlich.
Weiterhin natürlich im Kehdinger Küstenschiffahrtsmuseum oder bei mir: avships@web.de
Bild
Zuletzt geändert von Jan Myck am Sa 7. Jun 2014, 14:38, insgesamt 1-mal geändert.
Arend
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Re: "Die letzten Kümos" MS BLEICHEN

Beitrag von Arend »

Hallo Jan

Leider war es nicht der MGM-Löwe und es wurde kein Film gedreht, :-). Es war eine niederländische Produktion, die dort ihre Foto-Session durch geführt hatte. Zu sehen im November im Neuen Stage Musicaltheater.
Jan Myck
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Re:"Die letzten Kümos" Unter Bäumen und Masten

Beitrag von Jan Myck »

Und weils so schön ist und keiner vom Löwen gebissen wurde bleiben wir noch ein wenig an Bord der BLEICHEN.
Nein, sie ist kein Kümo - steht aber mit ihrem Bordgeschirr stellvertretend für unzählige Küsten- und Hochseefrachter der damaligen Zeit.

Nicht ein einziges der letzten Kümos hatte volles Takelwerk, die wenigsten überhaupt Masten.
Nehmen wir ein top-renoviertes Museumsschiff wie die GREUNDIEK einmal aus.
Ihr wurden zwei neue Bäume spendiert. Ich glaube die Bausumme lag bei 20.000 Euro.
Aktuelle Nachrichten aus Wischhafen lassen übrigens verlauten, daß auch die IRIS-JÖRG neue Bäume von der Söby-Werft aus Aerö erhielt.
Tolle Sache!

Bild
MS GREUNDIEK mit neuen Bäumen an Deck, einlaufend Stadersand

Aber ihr wißt wie ich ticke, das Originale mag ich lieber.
Und das haben wir auf der BLEICHEN.
Dank dem Voreigner der alles hat stehen gelassen.

In der „Deutschen Handelsflotte 1966“ wird das Ladegeschirr
für das Schwesterschiff BORGESCH wie folgt angegeben:
8 Bäume a 3/5 t, 1 Baum 10 t, 1 Baum 20 t.

Das ist schon ein ganz schöner Mastenwald.
Und wie die einzelnen Teile heißen, das konnte
man damals so hervorragenden Ausbildungsbüchern,
wie z.B. dem bekannten Werk „Decksarbeit“ entnehmen.

Bild

Bild

Ein Textauszug meiner Ausgabe von Kpt. Wagner, 5. Auflage 1951:
Der Hanger ist aus einem Drahttau hergestellt, dessen Stärke der zulässigen Belastung des Baumes entsprechen muß.
Der Teil des Hangers, der vom Hangerblock an Deck reicht, wird aus einer langgliedrigen Kette hergestellt,
die hinter dem Hangerblock in den Drahtteil des Hangers geschäkelt ist. An dieser Stelle ist ferner ein parallel zur
Hangerkette bis an Deck reichender dünner Draht , der Faulenzer (Baumaufholer), angebracht, der dazu dient,
das Aufbringen, niederlegen und Verschiften des Baumes in handlicher Weise zu ermöglichen.

Zeichnung und Text stammen aus einer Zeit, die eher noch der Dampfschiffära zugehörig ist.
Soweit ich weiß, ist die erste Auflage von Ernst Wagners "Decksarbeit" bereits in den dreißiger Jahren erschienen.
So werden noch die Bedienungen von Dampfwinden erklärt, außerdem befindet sich im Anhang ein kompletter Takelplan
eines Vollschiffes mit insgesamt 85 genauen Bezeichnungen des stehenden und laufenden Gutes.

Demnächst weiter hier..
Gruß
jan
Zuletzt geändert von Jan Myck am Sa 7. Jun 2014, 14:26, insgesamt 3-mal geändert.
Jan Myck
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Re: "Die letzten Kümos" Unter Bäumen und Masten

Beitrag von Jan Myck »

Schon etwas moderner geht es hier zu.
Die Abbildung zeigt die Anordnung mit zwei Bäumen
und entpricht etwa dem Ladegeschirr auf der BLEICHEN.

Bild

Der Text sagt dazu:
Wenn bei Arbeiten mit zwei feststehenden Ladebäumen
und zusammengeschäkelten Windenläufern größere Gewichte
gehoben werden, oder die Windenläufer einen rechten Winkel
überschreiten, müssen die Geien der Ladebäume durch einen
Sicherungsdraht (Preventer) rechtzeitig entlastet werden,
der auf der Ladebaumnock anzubringen ist.


Bild
Auf dem Schanzkleid eingeschäkelt ist die sog. Talurit-Seilklemme
zur Längeneinstellung des Preventers.


Text und Bild sind dem Lehrbuch "Wahrschau" zur Unfallverhütung der
Großhandels-und Lagerei-Berufsgenossenschaft von 1961 entnommen.
Das Buch zeigt in höchst detaillierter Art durch zahlreiche Abbildungen,
wie mit den verschiedenen Ladegütern und Umschlaggeräten sicher
umzugehen ist.
Bild
Zuletzt geändert von Jan Myck am Sa 7. Jun 2014, 14:28, insgesamt 2-mal geändert.
Jan Myck
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Re: "Die letzten Kümos" Unter Bäumen und Masten

Beitrag von Jan Myck »

Sicher kennen viele von euch das einzigartige Tagebuch des ehemaligen
Hafenarbeiters K. Heinrich Altstaedt "Schauermann im Hamburger Hafen",
in dem er eine Woche seiner Arbeit Mitte der sechziger Jahre beschreibt.
Ein Buch in dem ich staunend wieder und wieder blättern muß, um mir die
Atmosphäre der damaligen Hafenwelt noch einmal zu vergegenwärtigen.
Wer es kennt, dem muß ich nicht sagen, welches Dokument durch die
wunderbaren Fotos, aufgenommen auf Agfa-Diafilm, hier hinterlegt wurde.
Der einfache aber sehr lebendige Text lässt den Leser unmittelbar
am Umschlaggeschehen teilnehmen.

Wenigstens ein Zitat soll hier zum Themenabschluß "Stückgutumschlag mit Bordgeschirr"
aus meinem Lieblings-Hafenbuch gebracht sein.
Längsseits liegen Schuten, der Autor bedient die Winde, gelöscht wird Kakao:

Gib mehr Dampf“ ruft mir Otto ärgerlich zu, doch ich zögere –
der Draht spinnt sackt durch, schießt es mir durch den Kopf, und ich muß
besonders sachte weiterhieven. Da knackt es wieder vernehmlich auf der
Trommel und ein Zucken geht durch den belasteten Draht.
„Ünner rut, vorsicht Säcke!“ schreit Otto in die Schute,
und die Hieve setzt auf die Reling.

Auch ich sehe das Unglück kommen:“Vorsicht, weg, weg, weg!“
Die Spannung wird durch das Aufsetzen aus der Schlinge genommen,
wieder rudert Otto mit den Armen über der Reling.
„Weg, weg, Säcke!“ brüllt er hinunter, als wolle er die Schute und Leute
wegschieben. Dann rutschen die Säcke aus der Schlinge.
Plumps,plumps, plumps, und immer schneller fallen die restlichen über Bord.

Wie gelähmt stiere ich den Haken über der Reling an, dann weht der Stropp
nur noch leer hin und her. Hoffentlich keiner getroffen, kneift sich mein
Atem zusammen. Alles auf Stop, ich gehe ganz vorsichtig zur Reling.
Ein Blick nach Rechts. Theo hängt wie geschafft an der Reling.
Ich kann ihn verstehen, mir geht es nicht viel besser.

Langsam kommen die vier Ewerführer unter den Gangbördern der Schute
wieder heraus. „Passt doch auf, wir müssen uns doch auf euch verlassen können“
rufen sie uns ärgerlich zu. Schweigen. Wir stecken uns eine an.

Aus: Heinrich Altstaedt „Schauermann im Hamburger Hafen“, Koehler-Verlag 1999

Bild
Die BLEICHEN einsam am Schuppen 50, Mai 2014. Was könnte sie erzählen?

Soweit erst mal.
Ich wünsch euch einen schönen Sonntag!
jan
Zuletzt geändert von Jan Myck am Sa 7. Jun 2014, 14:28, insgesamt 1-mal geändert.
Jan Myck
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Re: Große Frachter, kleine Frachter - In der Zeitenwende

Beitrag von Jan Myck »

Ein Blick durch die Klüse vom weit ausholenden Bug der BLEICHEN macht
deutlich, welche Größenunterschiede zwischen einem ausgewachsenem
Frachtschiff und einem Küstenmotorschiff bestehen. Und doch ist dieser
Vergleich Schnee von gestern: Im Tonnage-Verhältnis zu einem modernen
Küstenfahrer, einem Feederschiff, wäre heute die BLEICHEN das Kümo.

Bild
Tief unterhalb der BLEICHEN liegt das kleine Hamburger Kümo HILLE.
Das überschaubare Achterdeck mit Spielzeugschornstein und Boot nimmt
sich fast zierlich aus gegenüber dem mächtigen alten Finnlandfahrer.


Zum Thema Stückgutumschlag füge ich noch ein Foto der guten alten IRIS-JÖRG bei.
Es zeigt eine Ladeszene wie man sie noch Ende der 70er/Anfang 80er Jahre nicht
häufig, aber doch ab und zu erleben konnte.

Der Burchardkai war als Containerhafen schon voll im Betrieb, weitere Flächen waren
in Arbeit. Es war eine interessante Zeit des Übergangs, denn der konventionelle
Frachtumschlag mit den alten Kampnagel-Kränen war auf der anderen Hafenseite
noch voll im Betrieb - wenn auch mit stark nachlassender Tendenz.

Ich erinnere, daß zu dieser Zeit noch einige konventionelle Frachtschiffe mit Mittelaufbau
im Hafen zu sehen waren. Für HAPAG-Lloyd liefen die letzten modernen Stückgutschiffe
im Indonesien-Dienst. Edelschiffe wie CAP SAN NICOLAS und CAP SAN MARCO waren auf
der Südatlantik-Route im Einsatz. Kurze Zeit später änderte sich das Bild drastisch.
Im Hafen wurde umgeräumt. Konventionelle Frachter tauchten wenn, nur noch unter
exotischer Flagge auf.

Als letzte Vertreter klassischer Schiffbaulinien im Design der 50er/60er-Jahre sind lediglich
die Kümos erhalten geblieben. Sie haben ihre Kollegen aus der Hochseefahrt um Jahrzehnte
überlebt und sind damit die letzten Zeugen der großen Schiffbauära im nordeuropäischen Raum.

Bild
Das heutige Museumsschiff IRIS JÖRG mit Schute beim Stückgutumschlag. Die Kaiflächen waren damals für
jedermann zugänglich - man fuhr rauf und machte Fotos..


Bei meinen Streifzügen durch den Hafen machte ich ab und zu Dias wie oben, denn ich ahnte bereits, daß das
alles in kürzester Zeit vorbei sein wird. Als Mitarbeiter des Seemannsheim-Altona hatte ich durch sog. Schiffsbesuche
die Gelegenheit an Bord der Linienschiffe zu kommen, um unsere "Missions"-Broschüre und andere mehr oder weniger
belanglose Dinge zu verteilen.

In diesem Zusammenhang sehe ich vor meinem geistigen Auge eine abgewetzte Dateikarte mit handschriftlichen
Einträgen zweier Schiffsnamen und Schuppen-Nummern: "IRIS-JÖRG" und "ANGELA-JAGEMANN". Wenn ich es
recht erinnere, fuhren diese beiden Kümos damals im Liniendiest für HAPAG-Lloyd Zubringerdienste nach Süd-
Skandinavien. Ein Rundlauf dauerte etwa eine Woche und bediente die Metropolen Göteborg, Kopenhagen, Aarhus,
sowie nach Bedarf einige weitere Häfen in Dänemark. Die Deutsche Seemannsmission nutzte diese Kümo-
Liniendienste um ihre Hauszeitung "Lass Fallen Anker" an ihre Aussenstationen in besagten Häfen zu verteilen.
(Gerade sehe ich, daß es diese Zeitschrift immer noch gibt:
http://www.seemannsmission-brunsbuettel ... _13_04.pdf)

Meine Aufgabe war es, für jede dtsch. Seemannsmission weltweit das richtige Schiff mit Abfahrtzeit und Liegeplatz
zu finden, an Bord zu gehen und die Schiffsführung um Mitnahme zu bitten. Der Job machte mir natürlich enorm Spaß,
weil ich dadurch raus in den Hafen kam. Oft kam man dann beim vollen Lade- oder Löschbetrieb da an.
Besonders bei Ebbe sahen die Kümos vom Kai oben verdammt klein aus.

War ich erst einmal an Bord, wunderte ich mich, wie großzügig doch die Räumlichkeiten selbst auf einem 299er-Kümo
in der Dänemark-Fahrt sein konnten - besonders bei offenen Luken. Von der Position an Deck aus tronte das, was ich
vom Weiten auf der Elbe als kleine Holzhütte wahrnahm, nämlich der schöne holzvertäfelte Brückenaufbau, doch relativ
erhaben und deutlich höher über dem sonstigen Bordgeschehen.
Jedenfalls mußte ich gucken wie ich da hoch kam.

Oben stand der Alte hemdsärmelig, überwachte das Ladegeschehen, brummte einen halben Witz und ließ mich
mein Päckchen ablegen. Ein Erlebnis das Sekunden dauerte - sich aber unauslöschbar bis zum heutigen Tage in meiner
Empfindungswelt-Küstenschiffahrt verankerte. Damals begriff ich sofort, was ich bis heute nicht beschreiben kann:
Eine andere Art - aber doch keine andere Welt. Irgendetwas tickt anders auf diesen kleinen Coastern.
Verdammt anders - und ich mochte es sofort. Ein Gefühl für dessen Beschreibung ich nur ein einziges Wort bereit hätte:
Kümos eben.


und bald weiter hier..
Beste Pfingst-Wünsche!
jan
Zuletzt geändert von Jan Myck am Sa 14. Jun 2014, 23:29, insgesamt 1-mal geändert.
Cornelia
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Re: "Die letzten Kümos" Große Frachter, kleine Frachter

Beitrag von Cornelia »

Zum Thema Kümos:

Wieder ein kleines Küstenmotorschiff weniger in der Region: Die Reederei Meyer aus Wischhafen verkaufte ihren Frachter "Lolland" an griechischen Interessenten. Das Schiff heißt nun "Panagia Xenia", Heimathafen Piräus.

Hier Bilder vom Ruthenstrom/Krautsand:

ShipSpotting.com
Bild
© Cornelia Klier

ShipSpotting.com
Bild
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Jan Myck
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Re: "Die letzten Kümos" Große Frachter, kleine Frachter

Beitrag von Jan Myck »

Ja, da gehen sie hin...

Vielleicht sollte man mal wieder Urlaub am Mittelmeer machen
um auf alte Bekannte zu treffen. Wenns nur nicht so heiß da wär..)

Ruthenstrom/Krautsand: Wie schön. Und das gleich vor der Haustür.
Das letzte mal sah ich dort die HELA.
Kommt eigentlich das Nachfolger-Schiff FREDO noch dahin, oder ist es zu groß?
Ich sah die Blanck-Kümos da öfter liegen, damals.

Gruß
jan
Ferryman
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Re: "Die letzten Kümos" Große Frachter, kleine Frachter

Beitrag von Ferryman »

moin moin
natürlich ist die FREDO regelmäßiger gast im ruthenstrom.
die Gebrüder blanck kommen ja aus FREiburg und DOrnbusch
mfg arne
Jan Myck
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Re: "Die letzten Kümos" Große Frachter - kleine Frachter

Beitrag von Jan Myck »

Sorry, diesmal keine Fotos aus Zeitgründen.
Vielleicht kann einer was bildliches beisteuern.

Wie in den meisten großen Seestädten spielen auch im Hamburger Hafen die Küstenmotorschiffe
eine entscheidende Rolle in ihrer Funktion als Verteiler und Zubringer der Güter von und nach Übersee.
Mit dem Umbruch zum Containerzeitalter haben die vielen an der Elbregion ansässigen familiären
Küstenschiffahrtsbetriebe, deren Wurzeln oft bis in die ländliche „Bauern-und Apfelschifferei“ zurückreicht,
sehr frühzeitig und vorausschauend reagiert.

Bereits 1965, also noch zur Hoch-Zeit der konventionellen Kümo-Ära, wurde von Kapitän Jürgen Breuer
das erste deutsche Containerschiff, die BELL VANGUARD bei Sietas in Auftrag gegeben.
Mit Beginn der siebziger Jahre folgte auf der Werft an der Este ein Neubauauftrag nach dem Anderen,
denn der Bedarf war groß: Die Container auf dem Weg von USA nach Nordeuropa wollten verteilt werden.
Mit dem neuen Bedarf entstand ein neuer Schiffstyp:
Das Feederschiff. (Zubringer/Verteiler)

Konventionelle Kümos waren weiterhin in großer Zahl im Einsatz, jedoch nicht mehr im Stückgutverkehr.
In den großen Seehäfen verschwanden die Stückgüter sozusagen „über Nacht“ in den praktischen Boxen.
Jedenfalls fand eine sehr rasche Entwicklung statt.

Die modernen Feederschiffe, die sehr schnell aus der klassischen Kümogröße von 499 BRT
zum 999er und wesentlich größeren Einheiten auswuchsen, haben den entscheidenden Vorteil des
konventionellen Küstenmotorschiffes allerdings wieder rückgängig gemacht: Für die meisten Häfen der
kleinen Küstenschiffahrt sind die neuen Schiffe zu groß.

Auch wenn es so scheint: Es war nicht der Container, sondern in Zusammenhang mit anderen Faktoren
vor allem der Strassengüterverkehr der den konventionellen Kümos das Ende bescherte.

Von der enormen Flexibilität eines gerade mal 40m langen Seeschiffes, das mit flachem Brückenaufbau
und gelegten Masten von wilder Nordseefahrt aus England kommend bis in das Kanalnetz des Ruhrgebiets
vordringen kann, das auf der Rückreise an menschenleerer und hafenloser Fjordküste mit dem eigenen
Bordgeschirr selbstständig Ladung von der Klippe nimmt, um in Städten wie Stade, Elmshorn, Itzehoe
oder Oldenburg, die weit vom Hauptstrom entfernt liegen, mit der Tide fast bis an den Marktplatz zu rutschen,
ist ein Feederschiff weit entfernt.

Das Küstenmotorschiff der ersten Generation, meist noch unterhalb von 300 BRT, war das geniale
Transportmittel im Verkehr zwischen Seehafenmetropolen und ländlichen kleinsten und abgelegenen Umschlagplätzen.
Mit seinen unermüdlichen Lieferungen von Kohle, Getreide, Holz, Baustoffen und Gütern aller Art hat das Kümo der
fünfziger Jahre einen entscheidenden Beitrag zum Wiederaufbau des Nachkriegseuropas geleistet.

Mit dem Wunsch nach „jederzeit und überall“ kann als Transportmittel neben dem Kümo allein der LKW konkurrieren
- und hat Dank des politischen Rückenwindes einer gut situierten Strassenverkehrslobby natürlich auch gewonnen.

Ich möchte keine Binsenweisheiten vertellen.
Solche Entwicklungen sind großen Formats und niemand wird sie zurückdrehen oder hinterfragen wollen.
Meine Bewunderung geht an die alten Küstenschiffer, die den Umbruch vom Kümo zum Feederschiff in so rasanter
Geschwindigkeit vollzogen haben. Wenn die Fachliteratur recht hat, besitzt Deutschland heute die modernste und
evtl. auch größte Küstenschiffsflotte weltweit.

Als Liebhaber alter Schiffe geht es mir darum, neben dem ästhetischen, oder sagen wir überspitzt formuliert
„romantischen“ Aspekt, auch die Einmaligkeit einer zurückliegenden Epoche Seeverkehr darzustellen.

Einmalig, weil die Seefahrt in der Zeit des Wirtschaftswunders bis in die frühen siebziger Jahre hinein einen vorübergehenden
Zustand vermittelt, in dem die Dinge zwischen Mensch und Technik einigermaßen in Harmonie schienen.So gab es moderne Schiffe,
ausreichend Ladung, gut ausgebildete und motivierte Seeleute und ein ausreichendes Arbeitsplatzangebot sowohl in der großen,
mittleren, und kleinen Fahrt. Es gab keine Unmäßigkeiten.

Aber der Zustand des Gleichgewichts lässt sich, fast wie nach einem Naturgesetz, immer nur für kurze Dauer halten.
Eine menschliche Regung sagt sich: Was gut läuft, könnte ja noch ein bischen besser laufen….
und schon kommen wir wieder in die Zonen der Unstabilität - durch Anspruch und Unmaß.

So, keine Philosophie, das Thema heißt Kümos.
Deshalb wie immer weiter hier.

(Ich geh jetzt mal raus, ein schönes Licht, ein bischen Wind,
vielleicht kommt HANNELORE vorbei…)

Habt einen schönen Sonntag!


.
Zuletzt geändert von Jan Myck am Sa 14. Jun 2014, 23:36, insgesamt 4-mal geändert.
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