Scrubber

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KaiR
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Scrubber

Beitrag von KaiR »

Ich finde es ja gut, dass die Emissionen der Schifffahrt durch den Einbau von Scrubbern gesenkt werden. Allerdings habe ich gelesen, dass die Abgase mit Hilfe von Meerwasser gewaschen werden und der Schwefel dann statt in der Luft im Wasser landet. Stimmt das? Was soll denn der Sinn daran sein? Es wird nicht lange dauern, dann bekommen wir ein Problem mit der Verschmutzung des Wassers. Oder sehe ich das falsch?
Grüße,

Kai
Garsvik
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Re: Scrubber

Beitrag von Garsvik »

Hallo,

Der Sinn ist, die Luft zu reinigen.
Von den Kohlekraftwerken in Deutschland fährt jeden Tag ein LKW mit verunreinigtem Kalk irgendwohin - die Luft ist sauber, der Dreck im Kalk. Das finde ich so in Ordnung, was auch immer hinterher mit dem Kalk passiert.

Bei den Schiffen ist das genau so. Mit Scrubber ist die Luft sauber, der Dreck ist im Reinigungswasser (offene Version). Nun ist bisher der Dreck erst in der Luft und dann setzt er sich im Wasser ab - da sehe ich jetzt aus Sicht des Wassers keinen Unterschied.

Zweifellos ist die Luft sauberer als vorher (was z.B. bei Häfen in Städten und bei dem Nord-Ostseekanal einen riesen Unterschied macht).
http://worldmaritimenews.com/archives/1 ... -rejected/

Garsvik
mirkman
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Re: Scrubber

Beitrag von mirkman »

Wie ja auch schon von Garsvik verlinkt, hat der NABU hat kürzlich eine Studie zu dem Thema in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse wurden hier veröffentlicht (Link zum pdf ist rechts):
http://www.cedelft.eu/publicatie/scrubb ... sment/1618

Ich habe mir das nicht durchgelesen, scheint aber recht interessant zu sein. Einige Ergebnisse der Studie (vom seereisenportal kopiert):

- Weltweit fahren rund 80 von 55.000 Handelsschiffen mit Scrubbern, rund 300 weitere Systeme sind nach Brancheninformationen geordert.
- Derzeit dominieren offene und Hybrid-Scrubber den Markt, die mit Meerwasser den Schwefel aus den Abgasen waschen und im Anschluss wieder ins Meer einleiten. Scrubber mit einem geschlossen Wasserkreislauf existieren hingegen kaum.
- Insbesondere kleinere RoRo-Fähren und Offshore-Serviceschiffe, aber auch große Kreuzfahrtschiffe setzen Scrubber ein.
- Die überwiegende Mehrheit der rund 14.000 Schiffe, die jedes Jahr die europäische SECA befahren, haben auf niedrigschwefelige Kraftstoffe (MGO) umgestellt, statt Scrubber zu installieren.
- Die im Waschwasser enthaltenen und ins Meer eingeleiteten Schadstoffe wie Schwermetalle (Quecksilber, Blei, Arsen etc.), Nitrate, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAHs) und Schwefel sowie der veränderte pH-Wert sind in der Summe und insbesondere auf viel befahrenen Schifffahrtrouten bedenklich. Es ist davon auszugehen, dass sich die schwer abbaubaren Stoffe in der Meeresumwelt anreichern und damit auch kritische Grenzwerte überschreiten können.
- In ökologischer Hinsicht wirft der Einsatz von Scrubbern zahlreiche Fragen auf. Offenkundig wurden die möglichen Auswirkungen bislang noch nie systematisch untersucht.
- Es bestehen mögliche Konflikte mit der europäischen Meeresrahmenstrategie sowie der europäischer Wasserrahmenrichtlinie. Diese sehen ein Verbesserungsgebot und ein Verschlechterungsverbot vor und haben einen guten Umweltzustand bis 2020 zum Ziel.
- Beim Einsatz von Scrubbern fahren die Schiffe weiterhin mit Schweröl. Dies verlängert die potenziellen Umweltgefahren im Falle einer Havarie.
Henri
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Re: Scrubber

Beitrag von Henri »

Das hätte man ja vorher wissen können das beim Einsatz von Scrubbern der Mist (kann einem ja keiner erzählen das man nicht wußte aus was für Stoffen sich die Abgase zusammensetzen) im Wasser landet. Das hätte man ja auch relativ einfach regeln können indem man diese Art von Scubbern von vornherein verbietet. Wiedereinmal schlampige Gesetzgebung.
Speed has never killed anyone. Suddenly becoming stationary, that's what gets you.
tulilautta
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Re: Scrubber

Beitrag von tulilautta »

Nun das die Politik nichtmal bis zur nächsten Wahl denken kann ist ja nichts neues - darüber zu diskutieren ist müßig. Das es eben technisch möglich wäre die Rückstände komplett rauszufiltern und dann im Hafen abzugeben ist eine Tatsache - und somit den Reedereien anzulasten wenn dieses nicht geschieht. Aber mal ehrlich: es ist leider immer alles ein Kompromiss. Klar, als ich auf der Fjordline nach Bergen gefahren bin: LNG ist top - da raucht und riecht nichts. Andererseits: Schweröl ist ein Rückstand aus der Herstellung von anderen Kraftstoffen - was meint ihr würde damit passieren wenn das nicht noch wenigstens in Schiffen verbrannt werden könnte? Entweder würde das Zeug in Müllkraftwerken landen oder einfach (je nach Umweltbewusstsein des Landes in dem die Raffinerie steht) auch nur in großen Erdbecken endgelagert werden.
toni montana
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Re: Scrubber

Beitrag von toni montana »

Ich bin kürzlich mit der Color-Magic gefahren. Die hat ja jetzt auch mittlerweile die Scrubber intalliert. Mein Eindruck: Besonders sauber waren die Abgase im Vergleich zu vorher nicht - es waren schon deutliche Schwaden zu erkennen. Außerdem roch es wie in einer Pommesbude. Wenn das der wirkliche Fortschritt ist - :?:
Schöne Grüße aus dem Münsterland!

Toni
Meereszoologe
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Re: Scrubber

Beitrag von Meereszoologe »

Moin,
ich wollte eigentlich in die Runde fragen, wie es sein kann, dass Scrubber-Waschwasser überhaupt in Nordsee und Ostsee eingeleitet werden darf. Beide sind doch MARPOL Sondergebiet und PSSA (nach IMO: besonders sensibles Meeresgebiet). Ich habe dann selbst recherchiert und möchte Euch an meinen Rechercheergebnissen teilhaben lassen.

@mirkman: Danke für den Link auf die NABU Studie zu ökonomischen und ökologischen Auswirkungen von Scrubbern. Das war sehr hilfreich als Start. Darin ist auch die Studie des Umweltbundesamtes von 2014 (Auswirkungen von Abgasnachbehandlungsanlagen (Scrubbern) auf die Umweltsituation in Häfen und Küstengewässern) als Quelle genannt, die wirklich wertvolle Informationen gibt, und das sogar auf deutsch. Hier der Link: http://www.umweltbundesamt.de/publikati ... ngsanlagen.

Sowohl bei offenen als auch geschlossenen (!) Systemen von Scrubbern fällt neben dem an Land zu entsorgenden Rückstand (Sludge) auch belastetes Waschwasser an. Dieses enthält neben meist weniger problematischen Stoffen wie Sulfaten und Nitraten (Nitrat trägt zur Überdüngung bei ist aber nicht giftig) auch nicht abbaubare giftige Inhaltsstoffe wie PAHs (polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe) und Schwermetalle (z. B. Vanadium, Nickel, Kupfer, Zink, Blei, Quecksilber, Arsen). Woher die Schwermetalle genau kommen, ist oft unklar: entweder aus den Treibstoffen oder auch aus den Scrubbern selbst.
Während bei offenen Systemen das belastete Waschwasser ständig ins Meer geleitet wird, ermöglichen geschlossene Systeme mit Rückhaltesystemen einen abwasserfreien Betrieb des Scrubbers über wenige Stunden (Beispiel einer untersuchten Fähre: bis zu 6 h).
Somit ergibt sich beim Betrieb von Scrubbern ein konstanter Eintrag von Schadstoffen :o , der bei offenen Systemen um ein Vielfaches höher liegt als bei geschlossenen Systemen.
Für die Tiere im Meer ist nicht nur die Konzentration der Schadstoffe im Abwasser, sondern auch die Gesamtmenge von Bedeutung, insbesondere bei nicht abbaubaren Bestandteilen wie Schwermetallen (Anreicherung über die Nahrungskette!). Für PAH gibt es einen Grenzwert der IMO: Konzentration unter 50µg/l bezogen auf einen bestimmten Bestandteil dieser unheilvollen Mischung. Damit der Grenzwert eingehalten werden kann, darf beliebig viel Seewasser dazu gemischt werden, d. h. die Menge ist nicht begrenzt.

Ein Kreuzfahrtschiff mit einem offenen System würde auf der Route Emden-Cuxhaven (148 sm) nach Modellierungen in dem Bericht des Umweltbundesamtes mit dem Scrubber-Waschwasser z. B. 1080 g Öl, 541 g Zink, 440 g Vanadium, 313 g Kupfer, 111g Nickel, 35 g Blei, 0,5 g Arsen und 0,2 g Quecksilber abgeben. (Wenn ich 1 Liter Schweröl ins Wasser gieße und noch Schwermetalle nachwerfe, werde ich wahrscheinlich bestraft.) Wer mag, kann das mal auf den gesamten Schiffsverkehr der Nord- und Ostsee hochrechnen.

Mein Fazit: Scrubber sind eine gute Möglichkeit, sehr effektiv die Schadstoffe aus der Luft ins Wasser zu verlagern, wo sie am Ende sowieso gelandet wären. Erkauft wird diese Abkürzung der Gifte ins Meer mit einer Zusatzbelastung von Schwermetallen aus den metallischen Oberflächen im Scrubber selbst und 3% höherem Treibstoffverbrauch. Lediglich die Partikel werden im "Sludge" abgetrennt und entsorgt. Das gilt z. B. für einen Teil des Rußes, die langkettigen PAHs).

Zweites Fazit: Politik muss nicht gut sein, nur gut aussehen.

Nun zurück zur Ausgangsfrage: MARPOL Sondergebiet nach Anhang 1 (bezüglich Öleinleitungen) erlaubt 15 g Öl pro Kubikmeter abgepumpten Wassers (dies gilt ausdrücklich für Bilgenwasser, wird aber auch auf Scrubber-Waschwasser angewendet). Diese Konzentration hält das Scrubber-Waschwasser ein. Wenn nicht, wird einfach verdünnt. Wie heißt es so schön: "The solution for pollution is dilution" (die Lösung für Umweltverschmutzung ist Verdünnung).

Hochinteressant ist auch eine Aussage auf der IMO Homepage, die einem das ganze Dilemma und die Absurdität noch einmal vor Augen hält. Ich wollte wissen, ob ein als PSSA (besonders sensibles Meeresgebiet) ausgewiesenes Gebiet strengere Kriterien erfordert. Die IMO dazu: Ein PSSA erfordert die strikte Einhaltung der MARPOL Einleitungsvorschriften. ("When an area is approved as a particularly sensitive sea area, specific measures can be used to control the maritime activities in that area, such as routeing measures, strict application of MARPOL discharge and equipment requirements for ships, such as oil tankers..."). - Mit anderen Worten: Außerhalb eines PSSA sind dieselben Einleitungsvorschriften einzuhalten, aber nicht so strikt. Der REst ist Auslegungssache.

Viele Grüße,
Sven
Hamburch
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Registriert: Do 17. Jan 2013, 18:27

Re: Scrubber

Beitrag von Hamburch »

Moin Sven,

die Anlage VI der Marpol 73/78 regelt eben gerade die Emission von Schadstoffen in die Luft. Mit dem Inkrafttreten des neuen Kapitels 4 am 1.1.2013 gelten somit verschärfte Grenzwerte insbesondere für Schwefeloxide (SOx), die in die Luft abgegeben werden. Hintergrund war damals, dass die Schwefelverbindungen als Schwefelsäure (H2SO4) oder schwefelige Säure (H2SO3) in die Meere gelangen und die Versäuerung der Meere vorantreiben. Ziel war es, dass schwefelreduziert Kraftstoffe zum Einsatz kommen sollte.

Die Industrie nutzt mit den Scrubbern ein Schlupfloch damit die Reeder weiterhin günstige Abfallprodukte verfeuern zu dürfen.
Gruß

Christian

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