Der Nostalgie-Thread

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Stephan Giesen
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Re: Der Nostalgie-Thread

Beitrag von Stephan Giesen »

Fritz hat geschrieben: Sa 8. Jun 2024, 21:25 Moin Stephan,

das was du schreibst finde ich für 2004 auch verwunderlich. Über 20 Jahre vorher auf den Madagaskarreisen war es wohl so üblich und normal. Die Frauen kamen an Bord, blieben die Liegezeit über an Bord, wurden verpflegt, haben Wäsche gewaschen (Waschmaschine hatten wir noch nicht) und mitgefeiert. Wie einige Männer mit hnen umgegangen sind war eigentlich wiederlich. Dabei war das Verbale ("mein Kohlensack in der Koje") noch recht harmlos.
Ob die Frauen dann auch mitgefahren sind zum nächsten Hafen habe ich vergessen. Ich denke eher nicht. Der Rückweg wäre wohl schwierig gewesen.

Meine moralischen Maßstäbe gerieten so etwas durcheinander als ich feststellen musste, dass vor allem die verheirateten Männer für die Rückreise hofften, dass wir vor dem ersten deutschen Hafen noch einen anderen in Europa anliefen. Hier konnten sie dann zumindest zum "Tripperdoktor" gehen bevor sie ihre Ehefrau wieder sahen. Dass sie vorher den Ziehschein geküzt haben (angeblich keine Überstunden mehr) um ihr Landleben zu bezahlen war auch so ein überraschendes Erlebnis.


Gruß

Fritz
Naja, da sie ja in unserem Fall im gleichen Hafen wieder von Bord gingen, in dem sie gekommen sind, war das wohl möglich. In den Häfen dazwischen waren sie meist in den Kabinen versteckt. Solange die Immigration mit genug "Beute" in Form von Softdrinks und Spirituosen wieder von Bord gehen konnten, gab es auch nichts zu befürchten.
Einerseits bin ich froh, diese Erfahrung gemacht zu haben, hat sie mich schließlich doch irgendwo geprägt, andererseits war das nicht mein Verständnis von Seefahrt, so dass ich meinen baldigen Wechsel in die Kreuzfahrt dann auch nicht bereut habe. Da ging zwar auch nicht immer alles moralisch einwandfrei zu, aber es wurde zumindest nicht die Not anderer Menschen ausgenutzt.
Mit maritimen Gruß

Stephan
Fritz
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Re: Der Nostalgie-Thread

Beitrag von Fritz »

Moin Stephan,

ich bin auch ab 1969 für einige Jahre aufs Passagierschiff gewechselt. Ob der Charakter der Crew (moralische Grundeinstellung) besser war? Es boten sich weniger Gelegenheiten wegen der kurzen Liegezeiten für das sich in Afrika gezeigte Verhalten einiger Kollegen. Derartige Charaktere gibt es immer noch, wie mir scheint eher mehr als weniger.

Wie ist es heute auf dem Passagierschiff mit der Behandlung der Crew durch den Reeder? 1969 wurden noch alle nach dem deutschen Heuertarfif bezahlt, aber dann begann auch bald die Aktion Outsorcing fürs Servicepersonal. Vorbei mit Tarifbindung.

Gruß

Fritz
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Stephan Giesen
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Re: Der Nostalgie-Thread

Beitrag von Stephan Giesen »

Fritz hat geschrieben: Di 11. Jun 2024, 21:03 Moin Stephan,

ich bin auch ab 1969 für einige Jahre aufs Passagierschiff gewechselt. Ob der Charakter der Crew (moralische Grundeinstellung) besser war? Es boten sich weniger Gelegenheiten wegen der kurzen Liegezeiten für das sich in Afrika gezeigte Verhalten einiger Kollegen. Derartige Charaktere gibt es immer noch, wie mir scheint eher mehr als weniger.

Wie ist es heute auf dem Passagierschiff mit der Behandlung der Crew durch den Reeder? 1969 wurden noch alle nach dem deutschen Heuertarfif bezahlt, aber dann begann auch bald die Aktion Outsorcing fürs Servicepersonal. Vorbei mit Tarifbindung.

Gruß

Fritz
Moin Fritz,

klar, solche Charaktere gab und gibt es auch dort und die werden auch nie aussterben, aber wie gesagt wird da nicht die Not anderer ausgenutzt. Wer sich auf ein "Bordabenteuer" einlässt, tut das aus freien Stücken oder hat eben auch die Möglichkeit, klar Nein zu sagen. Sexuelle Ausbeutung wie Du und ich es auf den afrikanischen Reisen erlebt haben, habe ich in meiner Kreuzfahrtzeit jedenfalls nie bewusst mitbekommen, was natürlich nicht heißt, dass es sie nicht gibt (auch hier werden exotische Ziele angelaufen und es bleibt immer Zeit für einen Landgang). In Zeiten von #Me too und Social Media Zugang auch mitten auf dem Atlantik dürfte das zumindest an Bord theoretisch inzwischen garkein Thema mehr sein. Aber auch hier gab es zu meiner Zeit dennoch "Kollegen", die auf der einen Reise noch ein Techtelmechtel mit einem Crewmitglied hatten und während der nächsten die Ehefrau auf Mitreise dabei hatten. Es geht aber auch "moralisch einwandfrei" und ich konnte einige Kollegen kennenlernen, die dauerhaft ihr Glück innerhalb der Crew gefunden haben; ich bin zum Beispiel einer davon. ;)

Da es mittlerweile kaum bzw. gar kein Kreuzfahrtschiff mehr unter deutscher Flagge gibt, brauchst Du hier nach Heuertarif nicht mehr zu suchen. Es gelten die Bedingungen der zumeist Billigflaggen. Meist ist es so, dass die Offiziersränge nicht schlecht verdienen, die westlichen "Rankings" knapp an der Ausbeutungsgrenze entlang schrammen und man aber bei den asiatischen oder osteuropäischen Kollegen ruhigen Gewissens von Ausbeuterei sprechen kann. Dazu gibt es reichlich Berichte und Dokumentationen, die von den Verfechtern dieser Reiseform gern als übertrieben bzw. Hetze dargestellt werden, nach meiner Erfahrung aber doch zum größten Teil zutreffen, wobei wie überall nicht alle Reedereien über einen Kamm geschoren werden dürfen. Dennoch und genau deswegen lehne ich diese Form des Reisens heute für mich persönlich ab, ohne dabei meine Haltung anderen aufdrängen zu wollen.
Mit maritimen Gruß

Stephan
Fritz
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Re: Der Nostalgie-Thread

Beitrag von Fritz »

Autotransport war nicht immer so rationell wie heute.
1976 bin ich für ca. 8 Wochen als 2. Ing auf diesem Schiff gefahren. Von Savona an die Ostküste USA mit Fiats, zurück ins Mittelmeer mit amerikanischen Autos.

Wegen der Bürgerkriegsprobleme in Beirut konnten wir dort die Pick Ups nicht löschen sondern legten in Tartous an.

Gruß

Fritz



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fuhri1186
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Re: Der Nostalgie-Thread

Beitrag von fuhri1186 »

Ich kann mich noch gut an mein erstes "Kolbenziehen" erinnern, war spannend und anstrengend zugleich. Die ungezählten Male danach kam aber dann eine gewisse Routine rein und wir konnten uns auf den großen Zweitaktern auf gut acht Stunden pro Station einspielen. War zwar auf jedem Schiff eine neue Herausforderung, aber lernen konnten wir bei jeder Überholung!

Zuerst natürlich Pläne lesen, mein Blick ist wohl der Inbegriff für "doof aus der Wäsche gucken" und man sieht, wir hatten keinen fähigen Friseur in der Crew :D

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Den ersten Kolben haben wir auf einer 7S70MC-C gezogen, zu der Zeit bei weitem nicht mehr der größte Motor, aber immerhin schaffte der Siebenzylinder es auch schon auf knapp 21000kW.

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Alleine die ganze Hydraulik antakeln hat seine Zeit gedauert und wir sind schier verrückt geworden, weil niemals alle acht Bolzen gleichzeitig kamen, was nach Handbuch aber genau so sollte. Zudem hat jeder Mann an seinem Bolzen eine eigene Meinung, sodass der Chief dann irgendwann durchgegriffen hat.

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Am Ende kam der Kolben dann doch fast freiwillig an die frische Luft und wir konnten Kolbenringe erneuern und die Buchse vermessen!

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Auch Deckel und Auslassventil haben Liebe erhalten und wurden ohne Neuteile für die nächsten 8.000 Betriebsstunden wieder aufgebaut.

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Und dann war der Motor auch schon wieder komplett!

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Sieht man mal von kleineren Katastrophen wie geplatze Brennstoffleitungsdichtungen ab, war auf dem Dampfer eigentlich nur Routinewartung und wir Azubis hatten viel Zeit uns mit den Stoff für den anstehenden Schulzeitblock zu beschäftigen!

Was eine Sauerei, hat Tage gedauert den Maschinenraum wieder Klar zu bekommen....

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Dafür gab es dann aber zum Ausgleich ein ausgewogenes BBQ mit viel Bier und Spanferkel nach Filipino Art.

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Das Schiff wurde 2006 in Polen gebaut und fuhr bis 2016 als IBN Khallikan und Hermann Wulff. Heute fährt sie ncoh als MSC Tania für MSC als Eigner.

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Fritz
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Re: Der Nostalgie-Thread

Beitrag von Fritz »

Moin,

als Seemann war (und ist es auch vielleicht noch) relativ einfach an Land zu gehen, so gesehen ja in das Land einzureisen. Kein Visa etc. Zu meiner Zeit kam ich so ganz einfach in die Länder bzw. Staaten derSowjetunion und in den gesamten Ostblock. Man bekam an Bord ein Ticket für den Landgang und gut war es.
Einige dieser Tickets habe ich noch, allerdings nicht von den Staaten des Warschauer Paktes. Vielleicht wurden die bei Ausreise auch wieder eingezogen.

Gruß

Fritz


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Stephan Giesen
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Re: Der Nostalgie-Thread

Beitrag von Stephan Giesen »

Fritz hat geschrieben: So 30. Jun 2024, 21:59 Moin,

als Seemann war (und ist es auch vielleicht noch) relativ einfach an Land zu gehen, so gesehen ja in das Land einzureisen. Kein Visa etc. Zu meiner Zeit kam ich so ganz einfach in die Länder bzw. Staaten derSowjetunion und in den gesamten Ostblock. Man bekam an Bord ein Ticket für den Landgang und gut war es.
Einige dieser Tickets habe ich noch, allerdings nicht von den Staaten des Warschauer Paktes. Vielleicht wurden die bei Ausreise auch wieder eingezogen.

Gruß

Fritz
Klasse, vielen Dank für‘s teilen! Wusste nicht, dass Du auf der HANSEATIC warst. Ein wunderschönes Schiff für meine Begriffe. Mich würde interessieren, wie Du zu der Zeit das Leben auf einem Musikdampfer im Vergleich zur Frachtschifffahrt empfunden hast. Die Privilegien, die heute zumindest die Offiziersränge auf einem Kreuzfahrer genießen, gab es damals ja wohl so noch nicht.
Auch über Bilder vom Schiff, wenn Du welche hast, würde ich mich sehr freuen!
Mit maritimen Gruß

Stephan
Fritz
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Re: Der Nostalgie-Thread

Beitrag von Fritz »

Wie habe ich es auf dem Musikdampfer nach der Frachterzeit empfunden? Ist in der Rückschau gar nicht so einfach zu beantworten. Ich versuche es erst mal mit einigen Fakten. Hanseatic, ex Shalom, damals vorwiegend Kreuzfahrten.
Ich bin zusammen mit einem Kollegen/Freund als Ing. Assi. eingestiegen, er auch auch Ing. Assi. Es gab für uns eine 2 Bett Kabine mit Bullauge, Schmierer, Reiniger und entsprechende Mannschaften etc. 4 Bett Innenkabinen.
Für uns gewöhnliches Personal gab es nur ein kleines Deck als Aufenthalt ganz achtern, dort war auch die Kneipe, Bierklappe genannt. Der Rest vom Schiff war tabu, vor allem der Innenbereich.
Nach einigen Monaten wurde ich "Diensttuender 4. Ing.", auf der Wache dann "Chef" im Kesselraum. Einen 4. Ing mit einem wirklichen kleinen Patent fand man nicht für die Heuer. Mit der Beförderung verbunden war der Umzug aufs oberste Deck und die Einzelkabine (ohne Dusche, Toilette). Dazu das Privileg, dass oberste Deck und das Peildeck als Sonnendeck zu nutzen. Hier durften auch die die weiblichen Crewmitglieder ihre Freizeit verbringen. Ich denke es waren ca. 15 % der Crew Frauen, vorwiegend als Kabinenstewardess. Auf dem Offiziersdeck gabe es auch einen Partyraum für uns. Zu den Partys wurden natürlich auch die weiblichen Crewmitglieder eingeladen und vom Zahlmeister gab es im Voraus auch Hinweise auf alleinreisende Frauen die auch eingeladen wurden.
Positiv war sicherlich, dass es eine größere Anzahl an Personen gab unter denen man Freunde finden konnte. Freundin war schon schwierig, viele Männer, wenig Frauen. Ich ging diesbezüglich leer aus.
Aber die langen Abende und Nächte in den Tropen an Deck auf dem Frachtschiff ohne Klimaanlage werde ich nicht vergessen, derartiges gab es auf dem Passagierschiff nicht. Die Nordkappartys waren vielleicht so ähnlich. Die vielen Häfen in kurzer Zeit waren sicherlich auch positiv, wenn es auch nicht immer mit dem Landgang klappte. In der Karibik hatte man aber so seine "Insel", tauschte die Wache und hatte auch Zeit für einen Ausflug, Badeausflug an den Strand (eines Hotels). Taxi oder Leihwagen mieten und als Kleingruppe was erkunden.
Die Offiziere ab 2 Streifen hattten dann wirklich Privilegien, sie durften (und sollten) am Dinner und dem gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Konversation mit dem Seeman war quasi ein Angebot für die Passagiere. Den Offizieren wurde ein Tisch zugeteilt, also Entertainer für die Passagiere spielen. Auf den Reisen mit US-Amerikanischen Passagieren war dies eher unbeliebt, das Durchschnittsalter war sehr hoch und die Motivation anschliessend ans Dinner noch mit einer 80-jährigen das Tanzbein zu schwingen eher gering. Anders sah das aus bei den Reisen die in Europa begannen. Hier war es ein ganz anderes Publikum. Es gab z. B. Nordlandkreuzfahrten auf denen ein Teil der Passagiere an einem Ärztekongress teilnahmen, die Kreuzfahrt also als Fortbildung steuerlich absetzen konnten. Die mitreisende Ehefrau wurde natürlich gerne beim Landgang begleitet. Auf diesen Reisen gab es für manchen Offizier wenig Schlaf. Z.B. Wache 4-8, Dinner um 8, danach die Bar und der Tanz, dann wieder 4-8 und vielleicht die Begleitung beim Landgang gegen 9 Uhr.
Es hat mir gefallen auf dem Schiff, auch mit dem halben Streifen den ich da hatte. Ich habe auch in den Semesterferien gerne wieder angeheuert. Habe aber das angebotene Stipendium verbunden mit der Verpflichtung dann die gleiche Zeitdauer auf dem Schiff zu arbeiten abgelehnt. Ich wollte mich nicht binden lassen. Das Geld hätte ich mitnehmen können. Vor dem Ende des Studiums war die DAL Insolvent.

Bilder folgen noch.

Gruß

Fritz
Fritz
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Re: Der Nostalgie-Thread

Beitrag von Fritz »

Hier nun einige Fotos.


Landausflug mit Mietwagen
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Treffen auf See, Hanseatic und Hamburg.
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Treffen auf See, Hanseatic und Gorch Fock
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Kleine Show beim Treffen mit der Hamburg
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Auf Reede in der Karibik
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Stephan Giesen
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Re: Der Nostalgie-Thread

Beitrag von Stephan Giesen »

Vielen Dank, Fritz, für die Schilderung Deiner Erfahrungen auf der HANSEATIC und natürlich auch für die tollen Bilder, insbesondere der HAMBURG, auf der meine Eltern etwa zu der Zeit des Fotos eine Kreuzfahrt unternommen haben.

Ich plaudere einfach mal im Gegenzug ein wenig aus meiner AIDA-Zeit, so dass man einen Vergleich zwischen damals und "heute" - wobei man das ja 15 Jahre später so auch nicht mehr sagen kann - bekommt. Einiges davon habe ich sicher an anderer Stelle schonmal zum besten gegeben.
Die Privilegien, die man hier als Offizier hatte, waren schon etwas umfangreicher als zu Deiner Zeit. Zunächst hatte man recht großzügige Einzelkammern mit eigenem Bad (siehe unten zur Veranschaulichung meine Kammer auf der AIDAdiva). Die waren ordentlich ausgestattet, aber kein Vergleich zu denen, die ich später mal auf den Disney-Schiffen gesehen hatte (die waren wie die Pax-Kabinen ausgestattet und hatten sogar Badewanne). Die Kabinen wurden täglich gereinigt, Uniform und private Oberbekleidung hängte man morgens an die Tür und hatte sie abends gebügelt wieder zurück. Man konnte sich in allen öffentlichen Bereichen frei bewegen und aufhalten, nur das Casino auf der Sphinx-Klasse (also ab AIDAdiva) war tabu. Die Frischluft-Möglichkeiten waren auch eher beschränkt: Da gab es die Back mit einem kleinen Whirlpool, die der Crew vorbehalten war und achtern einen offenen Bereich mit einer einfachen Bar und Bänken und Tischen. Da ich aber eh nicht so der Sonnenanbeter bin, habe ich da nichts vermisst.

Bis etwa 22.00 war Uniform angesagt (wobei bis 18.00 die Hosen weiß und abends dunkelblau waren), danach konnte man sich auch in Privatkleidung, jedoch mit Namensschild in den öffentlichen Bereichen bewegen. Zwang gab es hierbei überhaupt nicht, wobei es gerne gesehen wurde, wenn man sich auch mit den Paxen unterhalten hat. Grüppchenbildung innerhalb der Crew im öffentlichen Bereich war nicht gerne gesehen, wurde bis zu einem gewissen Punkt aber toleriert. Die nicht-gestreiften Crewmitglieder konnten einen sog. Leasure-Pin bei ihrem Vorgesetzten bekommen, der sie zum Betreten des öffentlichen Bereichs berechtigte. Zudem waren diese meist in Zweier-Kabinen untergebracht, in denen es schon ganz schön eng zuging. "Interessant" waren zu meiner Zeit als Safety Officer die Kabineninspektionen, bei denen man gezwungenermaßen und ungewollt auch Einblicke in die Privatsphäre der Crew bekam. Wenn man so gesehen hat, wie manch einer hauste, der sich nach außen als sonst wie wichtig und bedeutsam dargestellt hat, musste man sich oft sehr wundern. Unangenehm war dabei immer, wenn man höherrangige Crewmitglieder verwarnen musste (wegen Sauberkeit in der Kabine, Brandgefahr etc.) und die sich dann lauthals beim Clubdirektor beschwerten, der dann wiederum beim Kapitän vorsprach, noch bevor die Inspektionsrunde beendet war. Meistens hatte man da aber normalerweise immer die volle Rückendeckung, aber beliebt machte man sich damit natürlich selten. Dafür wurde dann im Gegenzug gerne mal versucht, Fehlverhalten im öffentlichen Bereich nachzuweisen, in meinem Fall jedoch leider immer erfolglos, da hatten andere mehr "Glück". :lol:

Zu Beginn meiner Zeit bei AIDA habe ich die Privilegien gerne und oft genutzt, aber mit der Zeit verblasste der Reiz schnell. Irgendwann kannte man alle Shows und alle Mottoparties und auf bestimmten Reisen waren die Paxe auch teils sehr unangenehm. In die Restaurants bin ich irgendwann garnicht mehr gegangen. Natürlich war man immer bereit, auch während des Essens Fragen zu beantworten, aber wenn man quasi noch beim kauen aus dem Stuhl gerissen wird, um für ein Foto zu posieren, ging das doch zu weit. Da hat man doch die Ruhe der Offiziersmesse irgendwann vorgezogen.
Hin und wieder mal ins Steakhouse war jedoch ok, da es da keinen "Durchgangsverkehr" gab und Tischservice bestand, so dass es dort sehr ruhig zuging.

Wie an anderer Stelle sicher schon mal erwähnt, habe ich auf der AIDAaura auch meine Frau kennengelernt. Sie arbeitete dort als Juwelierin im Shop. Interessant zu beobachten war die Veränderung bei der Crew, die eintrat, nach dem bekannt war, dass wir zusammen waren. War sie anfangs noch sehr beliebt, hieß es dann schnell, man müsse vorsichtig sein, was man ihr sage, denn sie trägt ja gleich alles an die "böse" Schiffsführung weiter, was vollkommener Blödsinn war bzw. als ob ich nicht auch so wusste, was an Bord los ist ;) Als sie dann auch noch hochoffiziell in meine Kammer einzog, war es dann ganz vorbei. Als ich dann auf die AIDAdiva wechseln sollte und ein damals befreundeter Kapitän sich dafür einsetzte, dass wir auch dort zusammen fahren, erhielt sie während unseres Urlaubs einen Anruf aus Rostock, in dem ihr der Abteilungsleiter lautstark vorhielt, wie sie es wagen könne, sogar Kapitäne für ihren Vorteil einzusetzen und und und. Der folgende Einsatz war dann auch unser letzter gemeinsamer. Ich habe danach noch ein paar Kurzeinsätze gefahren und dann ebenfalls gekündigt. Es ist schade, dass die Reederei damals nicht begriffen hat, wie leicht sie Mitarbeiter hier hätte motivieren und an sich binden können. Aber wahrscheinlich haben wir nicht demütig genug "bitte, bitte" gesagt. Den Weggang bereuen wir jedenfalls beide nicht ansatzweise, erinnern uns aber trotzdem gerne an die Zeit zurück.

Wäre ich weiter zur See gefahren, wäre ich in jedem Fall bei der Kreuzfahrt geblieben. Die Möglichkeiten, die man im Vergleich zur Frachtschifffahrt hat, sind doch deutlich umfangreicher, die Aufgaben vielfältiger und die Hafenaufenthalte und Urlaube planbarer. Allerdings glaube ich, dass ich mit meiner Art in der heutigen Zeit und bei den ganzen Vorgaben dort heute auch nicht mehr so ohne weiteres klarkommen würde.

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Mit maritimen Gruß

Stephan
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