Nautiker werden mit 36 Jahren

11066977
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Registriert: Sa 14. Nov 2020, 14:16

Re: Nautiker werden mit 36 Jahren

Beitrag von 11066977 »

Danke an Euch alle, dass Ihr Eure Erfahrungen mit mir teilt:)
StephanG2312 hat geschrieben: So 15. Nov 2020, 00:58
11066977 hat geschrieben: Sa 14. Nov 2020, 18:55 Die Schifffahrt bietet halt alles was meiner Arbeitsneigung und -persönlichkeit entspricht.
Ich will ja nicht, dass Du hier einen Seelen-Striptease ablegst, aber vielleicht beschreibst Du das, was Du von einem Job in der Seefahrt erwartest bzw. was Du glaubst, bieten zu können, mal etwas näher. Meine Erfahrung zeigt, dass die Vorstellungen in den allermeisten Fällen weit von der Realität entfernt sind. Gerne auch per PN, wenn gewünscht.
Als ich mein Abi hatte und meiner Mutter sagte, ich will Nautik studieren, sagte sie mir, dass sich mein Vater damals für die Binnenschifffahrt-Schule angemeldet hatte, bevor er verstorben war. Obwohl ich das nie wusste, hatte ich denselben Wunsch in mir. Daran erkenne ich, dass es mein eigener Wunsch ist zur See zu fahren und ich es nicht mache, wie zb bei meinem Erststudium, um mich an andere anzupassen.

Ich habe etwas drüber nachgedacht, was meine Erwartung an die Seefahrt ist:

Auf einem Schiff gibt es eine eindeutige Hierarchie in der jeder seine Aufgaben hat. Alle arbeiten zusammen, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Es ist eindeutig was zu tun ist, damit alles funktioniert. Ich kann ein Teil von dieser Strukur sein und meine Funktion erfüllen.

Es geht mir gut, wenn ich unterwegs bin. Ich verändere ständig mein Leben, weil ich Stillstand und Sicherheit nicht ertrage.

In meinem Leben bin ich stets auf mich allein gestellt gewesen. Dadurch habe ich viel Eigenverantwortung gelernt. Wenn es um Leben und Tod geht, dann behalte ich einen klaren Kopf und handle statt Ohnmacht zu fühlen. Ich gehe lieber meine eigenen Wege. Ich handwerke gerne.

Ich hoffe, dass ich das alles in der Seefahrt finde und mit meinen Einstellungen gut dazu passe.

Was hältst Du grundsätzlich davon Stephan?
Alexander
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Re: Nautiker werden mit 36 Jahren

Beitrag von Alexander »

Eine Freundin von mir hat mit 41 ihr Nautikstudium angefangen, es mit 44 beendet. Inzwischen fährt sie als Kapitänin.

Man muss aber bedenken, dass es in den 00er-Jahren noch ein wenig anders aussah als heute. Das war vor den massiven Einbrüchen in der Containerschiffahrt, also vor der Finanz- und der Corona-Krise, zu Zeiten in denen deutsche Reedereien ganz dick im Geschäft mit den Boxcarriern waren.

Alexander
Meine Schiffsfotos bei Fotocommunity: http://home.fotocommunity.de/squarerigg ... 4&g=240434
Fritz
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Re: Nautiker werden mit 36 Jahren

Beitrag von Fritz »

Es geht mir gut, wenn ich unterwegs bin. Ich verändere ständig mein Leben, weil ich Stillstand und Sicherheit nicht ertrage.



Nur zu dem Satz meine Gedanken. Ob es dir gut geht hängt von sehr vielen Dingen ab, auch von Dingen die du kaum beeinflussen kannst und es hängt vor allem von deiner psychischen Stabilität ab.
Du veränderst nicht ständig dein leben an Bord, eher das Gegenteil ist der Fall. Du veränderst deine Position auf der Weltkarte, aber die tägliche Aufgabe oder Tätigkeit ist doch vielfach so wie gestern oder letzte Woche.




Gruß

Fritz
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Stephan Giesen
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Re: Nautiker werden mit 36 Jahren

Beitrag von Stephan Giesen »

11066977 hat geschrieben: Di 17. Nov 2020, 18:49
Ich habe etwas drüber nachgedacht, was meine Erwartung an die Seefahrt ist:

Auf einem Schiff gibt es eine eindeutige Hierarchie in der jeder seine Aufgaben hat. Alle arbeiten zusammen, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Es ist eindeutig was zu tun ist, damit alles funktioniert. Ich kann ein Teil von dieser Strukur sein und meine Funktion erfüllen.

Es geht mir gut, wenn ich unterwegs bin. Ich verändere ständig mein Leben, weil ich Stillstand und Sicherheit nicht ertrage.

In meinem Leben bin ich stets auf mich allein gestellt gewesen. Dadurch habe ich viel Eigenverantwortung gelernt. Wenn es um Leben und Tod geht, dann behalte ich einen klaren Kopf und handle statt Ohnmacht zu fühlen. Ich gehe lieber meine eigenen Wege. Ich handwerke gerne.

Ich hoffe, dass ich das alles in der Seefahrt finde und mit meinen Einstellungen gut dazu passe.

Was hältst Du grundsätzlich davon Stephan?
Eine Hierarchie mag es geben, aber Teamgeist gibt es heute meist nicht mehr. Die Crew ist aus verschiedenen Nationalitäten zusammengewürfelt und alle haben nur ein Ziel: Möglichst schnell möglichst (für ihre Verhältnisse) viel Geld zu verdienen, welches sie nach Hause schicken können, um ihre Familie zu ernähren. Ein Zusammengehörigkeitsgefühl gibt es nicht, nach der Wache verschwindet jeder auf seiner Kammer und wird vor der nächsten nicht wieder gesehen. Dabei sind die Asiaten noch die geselligsten, aber die bleiben auch gerne unter sich. Der Arbeitgeber ist jederzeit auswechselbar und ein Schiff als solches interessiert heute auch kaum noch jemanden. Das wird ja von den Reedern auch so vorgelebt; heutzutage ist ein Schiff ein reines Renditeobjekt und es besteht kaum Interesse, es länger als 10-15 Jahre in Fahrt zu halten (schau Dir im Abwrackthread das durchschnittliche Alter der Schiffe an!) Warum sollte sich dann die Crew für ein Schiff einsetzen?

"Handwerken" wirst Du vielleicht kurzfristig mal während der Ausbildung; als Schiffsoffizier jedoch sicher nicht, dafür bist Du als Deutscher viel zu teuer!

Und wie viele Situationen hast Du schon erlebt, in denen es "um Leben und Tod" ging und Du den klaren Kopf beweisen musstest? Glücklicherweise gibt es solche Situationen in der Seefahrt heute kaum noch.

Ich sage es Dir offen und ehrlich auf den Kopf zu und das ist sicher nicht böse gemeint, aber Deine Vorstellungen von der Seefahrt und von der Art und Weise, wie Du Dich dort selbst verwirklichen kannst, fallen für mich in die Kategorie "Seefahrtsromantik" und haben nichts mit der Realität in der heutigen internationalen Berufsschifffahrt zu tun.

Bei Deinen Vorstellungen könnte ich mir höchstens vorstellen, dass Du auf einem kleinen, eignergeführten Passagiersegler Dein Glück finden könntest, da, wo jeder überall mit anpacken muss, aber die haben es momentan ja auch sehr schwer und es fragt sich, was hier nach der Pandemie übrig bleibt.

Gleichwohl wünsche ich Dir für Deine berufliche Zukunft alles Gute und hoffe, dass Du den richtigen Weg finden wirst.
Mit maritimen Gruß

Stephan
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