Fährunglück Norman Atlantic

schwedenelch
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Fährunglück Norman Atlantic

Beitrag von schwedenelch »

WeißerHai hat geschrieben:Vielleicht sollte man das mal in einen neuen Thread verschieben? Wird ja doch eine rege Diskussion darum. :)
Derzeit schwer zu dem Unglück etwas zu sagen. Von allen Seiten und insbesondere den Medien werden wieder wilde Gerüchte gestreut.

Das Ladedeck sei überladen gewesen. Die LKW sind ins Rutschen gekommen, dadurch gegen die Spanten des Schiffes gerutscht und es hat Funkenflug gegeben.
Da frage ich doch erstmal: Wie können die LKW so stark verrutschen, wenn das Deck doch überladen gewesen sein soll? Zumal ist es bei diesen Routen (und Wetterbedingungen) i.d.R. an der Tagesordnung ist / sein sollte entsprechende Güter zu laschen.

Oder vom Nautik"experten" des ADAC: Wären viele kleine Fischerboote in der Nähe gewesen, hätten die Leute über Bord springen und eingesammelt werden können.
Geht's noch? Erstmal herrschen derzeit keine sommerlichen Wassertemperaturen. Dann sah das Oberdeck noch sicherer aus, als der Sprung ins kalte Wasser aus bestimmt 20 Metern Höhe (!). Die Gefahr, dass irgendjemand versucht direkt auf ein Boot zu springen und sich dabei alle Haxen bricht und Nachahmer findet, wäre viel zu groß gewesen. An Deck hingegen war noch kein Abplatzen der Farbe oder eine Farbveränderung dieser durch Hitze zu sehen, somit der Aufenthalt dort m.M.n. sicher(er).

Aussagen, dass die Besatzung nichts gemacht habe, sind vom derzeitigen Stand auch nur schwer zu beweisen.
56 Personen Besatzung waren an Bord. Man ziehe 16 Personen für den Versuch der Brandbekämpfung ab - bleiben 40 übrig. Eventuell sind ja einige von den Toten auch Teil der Crew gewesen? Dann reduziert sich die Zahl noch weiter. Diese verteilen sich auf so einem riesen Schiff mit 500 Personen an Bord extrem schnell und können sich bei solch einem Crew / Passagierverhältnis nicht um die Bedürfnisse eines jeden einzelnen kümmern. Klingt traurig, aber so ist es nunmal mit der immer fortschreitenden Kosten- und somit Personaleinsparung. Offiziell sicherlich alles genehmigt von den Behördern, im Fall der Fälle...

Camping an Bord: Laut Anek Website, ist es zur derzeitigen Jahreszeit nicht vorgesehen. Ob in den Ladedecks sich blinde Passagiere oder Personen unerlaubt aufgehalten haben, weiß wohl keiner so genau. Gibt's in den LKW / Bussen etc. leider auch genügend Versteckmöglichkeiten, wo es auch in der Verantwortung eines jeden selbst liegt, sich aus diesem Bereich zurück zu ziehen.
http://web.anek.gr/portal/page/portal/A ... ffid_11078

Aber wie gesagt, warten wir mal sachliche Berichte (evtl. vom BSU?) ab. Dass die Presse derzeit ihre Artikel verkaufen will und dafür möglichst viele Horrormeldungen braucht, ist doch nichts neues.
Ich denke auch, das ein eigenständiger Thread sinn macht und eröffne ihn hiermit...da wirds ja die nächsten Tage immer weitere neue Informationen geben und der "normale" Unglücksthread wird sonst vermutlich etwas überschwemmt mit Beiträgen...

In der letzten Nacht sind leider zwei Helfer/Seeleute durch eine gebrochenen Schleppleine getötet worden: http://www.spiegel.de/panorama/norman-a ... 10724.html Somit gibt es jetzt mindestens 12 Todesopfer bei diesem Unglück.
KaiR
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Re: Fährunglück Norman Atlantic

Beitrag von KaiR »

Wie kann man das Ladedeck überladen? Wenn kein LKW mehr draufpasst ist voll. Platz verschwendet wird da eh nicht.
Das Chaos mit den Passagierlisten ist sehr griechisch. Aber wenn irgendwo noch 38 Menschen abgängig wären würde das wohl irgendwie auffallen.
Grüße,

Kai
Garsvik
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Re: Fährunglück Norman Atlantic

Beitrag von Garsvik »

Ein weiterer Bericht mit anderen Zahlen:
http://www.welt.de/vermischtes/article1 ... taens.html
schwedenelch
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Re: Fährunglück Norman Atlantic

Beitrag von schwedenelch »

Garsvik hat geschrieben:Ein weiterer Bericht mit anderen Zahlen:
http://www.welt.de/vermischtes/article1 ... taens.html
das wird wohl noch ein paar Tage dauern, bis man da Gewissheit hat, was Zahlen anbelangt. Ich bin leider ziemlich sicher, das die Zahl der Toten noch steigen wird. ggf. findet man das eben erst heraus, wenn das Schiff auseinander genommen wird, denn den Passagierlisten kann man ja ganz offensichtlich nicht trauen. Da kann man ggf. nur die "fehlenden" Personen durch die Behörden an Land suchen und das auf diesem Wege abklären, was aber immernoch keine Klarheit über die anzahl derer gibt, die zwar auf der Fähre waren aber nicht auf der Passagierliste stehen. Der zweite Seenotfall im gleichen Seegebiet (Blue Sky M) wirft ja leider ebenfalls ein eher merkwürdiges Bild auf die Sicherheit in griechischen Häfen. Da schauen doch ganz offensichtlich viele Augen weg, wenn man einen Frachter unbehelligt mit 600 Flüchtlingen "beladen" kann und auch bei Kontrollen der Hafenpüolizei und der griechischen Marine nichts bemerkt wird ( http://www.tagesschau.de/ausland/blue-sky-107.html )

Was Kapitän und Mannschaft der Norman Atlantic betrifft, so gehe ich jede Wette ein, das auf nahezu jedem Schiff bei einem solchen Feuer auch die Besatzung in Panik gerät. Das sind auch nur Menschen...und gegen solch ein Feuer am Ende sowieso machtlos. Wenn beispielsweise Rettungsboote nicht funktionieren/sich nicht manuell bedienen lassen, so würde ich das Problem nur sehr bedingt den Teilen der Mannschaft zurechnen, die (selbst in Panik) versuchen diese Einrichtungen zu bedienen. Warten wir mal ab, was offizielle Untersuchungen ergeben, im Schock getätigte Passagieraussagen weichen manchmal ja auch noch von der Realität genauso ab, wie vorzeitige Helden-Heiligsprechung des Kapitäns in manch Pressebericht.
HansP
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Re: Fährunglück Norman Atlantic

Beitrag von HansP »

schwedenelch hat geschrieben:
Garsvik hat geschrieben:Ein weiterer Bericht mit anderen Zahlen:
Wenn beispielsweise Rettungsboote nicht funktionieren/sich nicht manuell bedienen lassen, so würde ich das Problem nur sehr bedingt den Teilen der Mannschaft zurechnen, die (selbst in Panik) versuchen diese Einrichtungen zu bedienen. Warten wir mal ab, was offizielle Untersuchungen ergeben, im Schock getätigte Passagieraussagen weichen manchmal ja auch noch von der Realität genauso ab, wie vorzeitige Helden-Heiligsprechung des Kapitäns in manch Pressebericht.
... und bestimmte Meldungen scheinen sich in der Presse vollkommen unreflektiert zu halten, wie die Spinne in der Yucca-Palme!
Wo kommt eigentlich diese mantra-artig widerholte Geschichte her, dass die Rettungsboote nicht funktionierten? Habe mir diverse Luftaufnahmen des brennenden / ausgebrannten Schiffes angesehen und beide großen Rettungsboote hängen nicht mehr in den Davits! Also, wo sind die geblieben? Das Boot auf Steuerbordseite könnte natürlich verbrannt sein, auf Backbord ist aber eindeutig zu erkennen, dass die Davits ausgeschwungen sind. Was hat hier also nicht funktioniert?

Ich gebe Schwedenelch außerdem vollkommen Recht, dass die Aussagen von Passagieren nach einer derartig traumatischen Situation von der Realität abweichen könnten ...

Was mich allerdings vielmehr aufregt ist die absolut unprofessionelle Berichterstattung vieler Medien! Dort schreiben in Hamburg ansässige Zeitungen Berichte, welche genausogut vom Köter des Praktikanten stammen könnten: Vollkommen falsche Fachbegriffe (wenn überhaupt!), die ZEIT (von welcher ich normalerweise sehr viel halte!!!), zeigt ein gestrandetes Rettungsboot auf dem dick und breit "CRUISE EUROPA" draufsteht und macht dazu die Bildunterschrift: "Ein Rettungsboot der "NORMAN ATLANTIC" (nicht wörtliches Zitat) - da frage ich mich schon: a.) Was machen Journalisten heute eigentlich für eine Arbeit? Recherche und logisches Denken ist nicht gewünscht? b.) Gibt es in Hamburg keine nautischen Experten, welche man anheuern kann um einen Bericht vorab Korrektur lesen zu lassen, damit man nicht irgendwelchen Blödsinn verfasst? Armer Berufsstand des Journalisten!!!

Mit sehr nachdenklichen Grüßen
Hans
rhombex
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Re: Fährunglück Norman Atlantic

Beitrag von rhombex »

Moin !

Hat denn jemand mitbekommen, wo sich der Havarist denn jetzt befindet ? Alle an der "heissen" Rettungsaktion beteiligten Schiffe sind, lt. AIS, wieder in Fahrt.
Der Havarist selbst wird bei MT nicht mehr angezeigt (was ja verständlich ist), und die ital. Marineschiffe senden wohl kein AIS.
Die an der Brandbekämpfung beteiligte "Aline B" liegt seit heute morgen wieder in Brindisi (hat gestern Abend gegen 21.00 h die Havariestelle verlassen) , der Schlepper "Asamara" sendet kein AIS-Signal mehr (wird wohl noch beim Havaristen sein).
Aussergewöhnliche Schlepperaktivitäten sind auch nicht zu erkennen, aber ich denke mal nicht, dass "Asamara" die allein auf den Haken nehmen würde.
Die Rechte der gezeigten Bilder (Ausnahmen werden gesondert benannt), liegen bei mir
Jens.G
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Re: Fährunglück Norman Atlantic

Beitrag von Jens.G »

HansP hat geschrieben: Wo kommt eigentlich diese mantra-artig widerholte Geschichte her, dass die Rettungsboote nicht funktionierten? Habe mir diverse Luftaufnahmen des brennenden / ausgebrannten Schiffes angesehen und beide großen Rettungsboote hängen nicht mehr in den Davits!
Das stammt wohl aus dem Bericht eines Passagiers. Aus der eigentlichen Aussage, das durch den Brand die elektrischen Winden nicht mehr funktionierten wurde in den Meldungen ein:"...Rettungsboote defekt".
Es ist natürlich mittlerweile auch ein Problem, das in unserer Auffassung von einer hochtechnisierten Welt, schon der Ausfall eines von mehreren vorhandenen Systemen als Katastrophe wahrgenommen wird. Der Rückgriff auf vorhandene Rückfallebenen (Kurbel, Schwerkraftsystem) zählt schon als totales Versagen...

Was mich im Moment irritiert, sind Berichte die die Unstimmigkeiten bei den Passagierzahlen mit in Igoumenitsa an Bord gelangten Stowaways begründen.
Gruß Jens
spirit
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Re: Fährunglück Norman Atlantic

Beitrag von spirit »

Uns sollte doch wohl allen klarsein, dass die allgemeine Presse (shz, Springer, usw.) nur "Fachidioten" oder Laien bei der Berichterstattung vorhalten.
Diese stützen sich dann auch noch auf die laienhaften Berichte irgendwelcher, zwar direkt betroffenen, aber traumatisierter Opfer.
Was soll also dort an fundierten Informationen herauskommen?
Die "normale" Presse kann doch nicht mehr als Bilder liefern.
Der Rest und die realen Geschehenisse werden erst nach Besichtigung einer Fachkommision ans Tageslicht kommen - sofern das gewünscht ist....
Ich erlaube mir hier den Hinweis Richtung "Estonia-Bericht"....

Gruß aus dem hohen Norden
und einen guten Rutsch
sven911
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Re: Fährunglück Norman Atlantic

Beitrag von sven911 »

rhombex hat geschrieben:Moin !

Hat denn jemand mitbekommen, wo sich der Havarist denn jetzt befindet ? Alle an der "heissen" Rettungsaktion beteiligten Schiffe sind, lt. AIS, wieder in Fahrt.
Der Havarist selbst wird bei MT nicht mehr angezeigt (was ja verständlich ist), und die ital. Marineschiffe senden wohl kein AIS.
Die an der Brandbekämpfung beteiligte "Aline B" liegt seit heute morgen wieder in Brindisi (hat gestern Abend gegen 21.00 h die Havariestelle verlassen) , der Schlepper "Asamara" sendet kein AIS-Signal mehr (wird wohl noch beim Havaristen sein).
Aussergewöhnliche Schlepperaktivitäten sind auch nicht zu erkennen, aber ich denke mal nicht, dass "Asamara" die allein auf den Haken nehmen würde.

Hallo

Gestern im Laufe des Tages hatte ich den AHTS A.H.Varazze bei Marinetraffic aus Brindisi auslaufen sehen Ziel im AIS war Norman Atlantic. Bei Vesselfinder findet sich das letzte AIS Signal nahe der Albanischen Küste. Dort scheint der AIS Empfang nicht der beste zu sein. In Anbetracht der Windsituation mit mit über 20kn und nördlich mit über 40kn werden die sicherlich im Schutz der Küste dort bleiben bis sich die Adria wieder beruhigt.
schwedenelch
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Re: Fährunglück Norman Atlantic

Beitrag von schwedenelch »

sven911 hat geschrieben: Hallo

Gestern im Laufe des Tages hatte ich den AHTS A.H.Varazze bei Marinetraffic aus Brindisi auslaufen sehen Ziel im AIS war Norman Atlantic. Bei Vesselfinder findet sich das letzte AIS Signal nahe der Albanischen Küste. Dort scheint der AIS Empfang nicht der beste zu sein. In Anbetracht der Windsituation mit mit über 20kn und nördlich mit über 40kn werden die sicherlich im Schutz der Küste dort bleiben bis sich die Adria wieder beruhigt.
http://www.vesselfinder.com/?mmsi=247277400 vesselfinder scheint in dem betreffenden bereich eine bessere Abdeckung zu haben als marinetraffic. A.H. Varazze fährt vor der albanischen Küste zick zack. ob mit oder ohne Norman Atlantik am haken weiß man natürlich nicht. in einem de rvielen Berichte stand auch das man die Norman Atlantic zunächst nach Vlore schleppen will. angesichts der Wettersituation vielleicht nicht die schlechteste Idee, liegt Vlore doch etwas geschützt in einer Bucht und wesentlich näher als Brindisi.
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