Unglücks-Thread

Volker Landwehr
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Volker Landwehr »

Ich denke, man hat schon genau die Risiken und Erfolgschancen einer Verschleppung nach Bangladesh abgewogen. Im Erfolgsfall wären beim Verkauf als Schrott trotz der Kosten für den Schlepper sicher noch einige Millionen Dollar übrig geblieben. Sinkt das Vorschiff aber auf der Schleppreise bleibt man auf den Kosten für den Schlepper sitzen.
Gruß, Volker
Tim S.
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Tim S. »

StephanG2312 hat geschrieben: So 23. Aug 2020, 00:34
Tim S. hat geschrieben: Sa 22. Aug 2020, 13:47 Ich finde es jetzt aber auch nicht wirklich problematisch, ein Stück praktisch schieren Stahls zu versenken.
..Ich würde es durchaus begrüßen, dass die verantwortlichen Crewmitglieder empfindlich bestraft würden (falls dem Unglück tatsächlich Fahrlässigkeit zugrunde liegt) und diese einige Jahre hinter Gittern verbringen müssen und dass die Ansprüche an die Reederei derart hoch sind, dass auch ein Großkonzern hier durchaus ans Existenzlimit gebracht wird. Ich denke schon, dass so künftig das ein oder andere Unglück vermieden werden könnte.
Also da würde aber das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Das Schiff war in einem ordnungsgemäßen Zustand und ebenso inspiziert und zertifiziert. Die Crew war auch den normalen Zeitraum an Bord und mit den erforderlichen Zeugnissen. Von daher ist der Reederei keine Schuld anzulasten. Das scheint mir ganz klar unter menschliches Versagen zu fallen, soweit das bisher zu beurteilen ist.
Volker Landwehr
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Volker Landwehr »

Tim S. hat geschrieben: So 23. Aug 2020, 15:52 Also da würde aber das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Das Schiff war in einem ordnungsgemäßen Zustand und ebenso inspiziert und zertifiziert. Die Crew war auch den normalen Zeitraum an Bord und mit den erforderlichen Zeugnissen. Von daher ist der Reederei keine Schuld anzulasten. Das scheint mir ganz klar unter menschliches Versagen zu fallen, soweit das bisher zu beurteilen ist.
Das sehe ich anders. In heutigen Corona Zeiten mit den damit verbundenen Schwierigkeiten Crew Changes durchzuführen, halte ich es für äußerst unwahrscheinlich, dass die gesamte Crew noch im normalen Rahmen ihrer Vertragslaufzeiten war. https://www.seafarers.org/itf-defends-wakashio-crew/
Zitat: It has been reported that most of the crew on the Wakashio were kept on board beyond their normal contractual terms. While it would be premature to speculate on the findings of ongoing investigations, it is appropriate to remember that during the present crew change crisis, we have warned of the threat to human life, property and the environment from an increasingly tired and fatigued global seafaring workforce.

Ganz egal, wie gut die Crew ist, die Reederei bleibt verantwortlich für die Abläufe an Bord. Lies mal Unfallberichte des NTSB oder des MAIB. Du wirst selten welche finden, in denen keine Anweisungen für die Eigner enthalten sind. Auch wenn dabei nicht um Schuldzuweisungen geht, sondern um Vermeidung weiterer Unfälle, kann doch einiges heraus lesen.

Und dann sind da die Unterschiede im Haftungsrecht. In Deutschland muss auch in Firmen einzelnen Personen ihre persönliche Schuld nachgewiesen werden. In sehr vielen anderen Ländern haftet die Firma für die Firma auch rechtlich für die Schuld Ihrer Mitarbeiter.

Gäbe es ein Verschulden der Besatzung, so würde in letzteren System auch die Firma haften. Stichwort Corporate Liability.
Gruß, Volker
Tim S.
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Tim S. »

Danke, Volker. Vielleicht lag ich bei der Crew falsch. Aber das Schiff hat alle notwendigen Clearances auf jeden Fall gehabt. Ich frage mich aber dennoch, was eine Reederei dafür kann, wenn ein so eklatantes Fehlverhalten, wie es möglicherweise vorlag mit Feiern einer Geburtstagsparty und Annäherung an Land für besseres WLAN sowie die Nichterreichbarkeit über Funk, vorlag.
Hamburch
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Hamburch »

Tim S. hat geschrieben: So 23. Aug 2020, 20:39 Ich frage mich aber dennoch, was eine Reederei dafür kann, wenn ein so eklatantes Fehlverhalten, wie es möglicherweise vorlag mit Feiern einer Geburtstagsparty und Annäherung an Land für besseres WLAN sowie die Nichterreichbarkeit über Funk, vorlag.
Die kann da wohl nichts dafür. Aber falls die von Volker angedachten Konsequenzen gelebte Realität wären, hätte die Reederei im Vorfeld deutlich gemacht, dass so etwas nicht mit der Firmenpolitik vereinbar ist.
Gruß

Christian

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Volker Landwehr
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Volker Landwehr »

Die mögliche Schuld der Firma könnte schon darin liegen, dass es evt. keine Regeln für Geburtstagsfeiern an Bord gab, die sicher stellten, dass die Brücke besetzt blieb. Oder das keine Kursabweichungen zum Finden eines WLan-Netzes zulässig sind.

Die Corporate Liability (Unternehmenshaftung) bestimmt, inwieweit eine Firma als juristische Person für die Handlungen und Unterlassungen der von ihr beschäftigten natürlichen Personen haftbar gemacht werden kann.
Gruß, Volker
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Stephan Giesen
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Stephan Giesen »

Ich habe noch kein ISM-Manual gesehen, in dem geregelt wäre, wie sich im Falle von Geburtstagsparties zu verhalten ist. Abgesehen davon bleibt natürlich auch die Unschuldsvermutung bestehen, solange nichts entsprechendes erwiesen ist.
Ansonsten gebe ich Volker Recht; auch wenn eine Reederei im Vorfeld nicht wissen kann, welche Flachzangen sie sich eventuell ins Nest holt, hat sie am Ende mMn doch die Verantwortung, denn sie hat sie eingestellt und es ist darüberhinaus auch ihre Verantwortung, die Schlüsselpositionen während des Einstellvorgangs und auch danach ständig zu überprüfen. Und der Kapitän ist und bleibt die Stellvertretung des Reeders an Bord...mit allen Konsequenzen. Unabhängig davon würde eine zivilrechtliche Haftungshaltung der verantwortlichen Crewmitglieder ohnehin im Sande verlaufen, da selbst ein Kapitän niemals so viel verdient, dass er für den entstandenen Schaden aufkommen könnte. Daher kann eine Signalwirkung nur insofern erfolgen, wenn diejenigen auf zivilrechtlicher Basis empfindlich bestraft würden (nochmal: vorausgesetzt, die Fahrlässigkeit ist einwandfrei erwiesen).

Abgesehen davon sind Kursabweichungen zwecks Handyempfang auch heute sicher keine Seltenheit. Während meines Einsatzes auf einer Linie Europa - Westafrika wurde Anfang der 2000er auf Anordnung des Kapitäns stets ein Kurs dicht an den kanarischen Inseln vorbei gewählt, um Handyempfang zu gewährleisten. Auch, wenn die Technik inzwischen weit fortgeschritten ist, ist eine dauerhafte und stabile VSAT-Verbindung zumindest auf den meisten Frachtern auch heute aus Kostengründen wohl eher die Ausnahme. Auch hier ließe sich sicher einiges verbessern, so dass die Crew auf solche Abweichungen nicht mehr angewiesen ist...die Technik gibt das jedenfalls allemal her.
Mit maritimen Gruß

Stephan
Sven J
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Sven J »

Volker Landwehr hat geschrieben: Mo 24. Aug 2020, 00:15 Die mögliche Schuld der Firma könnte schon darin liegen, dass es evt. keine Regeln für Geburtstagsfeiern an Bord gab, die sicher stellten, dass die Brücke besetzt blieb. Oder das keine Kursabweichungen zum Finden eines WLan-Netzes zulässig sind.
Dafür muss es keine speziellen Regeln geben. Natürlich darf sich jede Reederei Gedanken machen, in welcher Form es für welche Schiffe/auf welchen Routen sinnvoll ist, Bord-WLAN zur Verfügung zu stellen, oder die Besatzung in begrenztem Umfang Umwege fahren zu lassen.

In jedem Fall ist zu gewährleisten, dass das Schiff immer und überall eine Handbreit Wasser unter dem Kiel hat, die Besatzung weder sich noch andere gefährdet und auch keinen Umweltschaden anrichtet.

Oder einfach: Die Besatzung muss sich an geltende Regeln halten. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit.
Volker Landwehr
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Volker Landwehr »

Natürlich sollten Crews die Regeln einhalten, nur zeigt die Erfahrung, dass das häufiger als uns lieb sein kann nicht geschieht. Hier muss das Reedereimanagement ein Regelwerk schaffen, dass die Verstöße verhindert.
Der Anstieg von auf menschliches Versagen zurück zu führenden Unfällen in den 1980iger Jahren zeigte eine Verbindung zu Fehlern des Managements. Die Folge war der IMO ISM-Code: https://de.wikipedia.org/wiki/ISM-Code
Danach muss für jedes Schiff ein Sicherheits-Managementsystem bestehen, dessen Einhaltung durch Verfahrensanweisungen und Checklisten durchgesetzt und überprüft werden soll.
Gruß, Volker
Sindbad
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Sindbad »

Vorweg: Ich arbeite an Bord von Seeschiffen.
1) Der Rederei bestimmt nicht die Route.
Wird meistens durch der 2e Offizier angefertigt. Und meistens vom Kapitain, mehr oder weniger kontroliert.
Es geht kein Kopie zum Rederei
2) Für fast alle hier die 24 Stunden Tag empfang haben, und jede Abend daheim sind, ist es schon sehr einfach zu schreiben:
warum änderd man die Route für ein Stunde Empfang.
3) Es gibt Schiffe mit Sateliten WIFI für die Besatzung, ist aber eher Ausnahme als Regel
4) Für diejenige die Extreme Busgelder wollen und gefängnis , bekommt ihr die auf die Arbeit auch?
Oder nicht da ihr wohl mehr (!) verdient als der Asiatische Wacht Offizier ??
5) Party's gibt es mehr oder weniger auf jedes Schiff, und das ist gut so. Wir sind ja 7 Tagen die Wochen an Bord
Normal ist naturlich, das der Wachthabende, nicht mit macht, und der nächste Offizier, bis Zeitpunkt x, weniger als 0,5 Promille, oder Skandinavie 0,0 hat.

Einige machen es sich hier schon recht einfach.
Gehe erst mal 2 Monate von zuhause weg, mit kein oder kaum möchlichkeiten um von die Arbeit (Schiff) auch nur Stundenweise weg zu kommen.
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