Shipbreaking: Die Eisenfresser von Chittagong

Peter Hartung
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Shipbreaking: Die Eisenfresser von Chittagong

Beitrag von Peter Hartung »

Guten Tag!

Am Donnerstag, den 12. Juni 2008 startet in einigen Kinos im Bundesgebiet die Film-Dokumentation "EISENFRESSER" des Filmemachers Shaheen Dill-Riaz, der in der Nähe von Chittagong aufgewachsen ist und seine Regisseurausbildung in Deutschland absolvierte.

Aus der Filmbeschreibung des Verleihs: Mit bloßen Händen zerlegen die Eisenfresser Frachtschiffe, Luxusdampfer und Öltanker: Arbeiter in der größten Abwrack-Zone der Welt, in Chittagong, im Süden Bangladeschs. Mit seinem Film EISENFRESSER kehrt der Regisseur Shaheen Dill-Riaz an den Ort seiner Kindheit zurück: in unglaublichen Bildern erzählt er uns von den Männern aus dem verarmten Norden des Landes, die - wie tausend andere - gezwungen sind, tagtäglich ihr Leben einzusetzen, um die Schrott-Giganten der Zivilisation auseinander zu nehmen. Sie ziehen riesige Stahlseile durch den Schlick zu den Schiffen, schweißen und hämmern, wobei ganze Schiffshälften unter und über ihnen zusammenkrachen. Umwelt-Auflagen werden umgangen. Schonungslos belichtet der Film die verhängnisvolle Allianz der lokalen Machtstrukturen mit den Mechanismen des globalen Marktes. Es ist die unglaubliche Nähe zu den Arbeitern, die den besonderen Blick des Films ausmacht, begründet das Festival New Berlin Film Award die Auszeichnung des Werkes als besten Dokumentarfilm 2008 (Farbe, 85 Min., mit Untertiteln).

Ein Filmtrailer ist hier zu finden: http://www.aries-images.de/Downloads/Bi ... 070508.wmv (Lange Downloadzeit, aber das Warten lohnt wirklich...).

Die Preview-Termine mit dem Regisseur:
Montag 2.6. Stuttgart, Atelier am Bollwerk, Hohe Straße 26
Dienstag 3.6. Heidelberg, Karlstor-Kino, Am Karlstor 1
Donnerstag 5.6. Münster, Cinema, Warendorferstraße 45-47
Montag 9.6. Hamburg, Abaton, Allendeplatz 3, Ecke Grindelhof
Dienstag 10.6. Bremen, Schauburg, Vor dem Steintor 114
Mittwoch 11.6. Berlin-Mitte, Babylon, Rosa-Luxemburg-Straße 30
Freitag 13.6. Köln, Filmpalette, Lübecker Straße 15
Bundesweiter Kinostart: 12. Juni 2008

mfg Peter Hartung
Zuletzt geändert von Peter Hartung am So 13. Jul 2008, 09:47, insgesamt 2-mal geändert.
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momo

Re: Demnächst im Kino: Die Eisenfresser von Chittagong

Beitrag von momo »

Hallo Peter
na das iss ja mal ein Trailer,
wen soll man jetzt mehr bedauern, die Leute die da arbeiten müßen oder die Schiffe die ausgeschlachtet werden.
gruß momo
Johann
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Re: Demnächst im Kino: Die Eisenfresser von Chittagong

Beitrag von Johann »

Moin,

ein interessanter Film mit einer vergleichbaren Sequenz und ähnlicher Thematik (arme Bauern und Hirten vom Land werden Hilfsarbeiter beim Abbrecher) ist "Workingman's Death" vom Ösi Michael Glawogger (u.a "Megacities").

http://www.workingmansdeath.com

In 5 Abschnitten wird gezeigt, dass Schwerarbeit als Teil der Industrialisierung zwar bei uns, aber nicht aus der Welt verschwunden ist. So u.a. illegale Kohleminen in der Ukraine, Schwefelabbau in Indonesien, Abbrecher in Pakistan, Schlachter in Port Hancourt und als Abspann eine stillgelegte Stahlhütte im Pott.
Sehr sehenswert!

Mfg Johann
Peter Hartung
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Re: Demnächst im Kino: Die Eisenfresser von Chittagong

Beitrag von Peter Hartung »

Moin!

Wie mir heute das Orfeo-Kino in Frankfurt am Main (Hamburger Allee 45, 60486 Frankfurt am Main) mitteilt, läuft der Film "EISENFRESSER" dort ab dem 3. Juli 2008 an.

mfg Peter Hartung

Bild
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Peter Hartung
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Die Eisenfresser von Chittagong

Beitrag von Peter Hartung »

Guten Morgen!

Ich habe mir den Film in der vergangenen Woche in Frankfurt angeschaut. Er macht das Shipbreaking-System in Bangladesh transparent.

An der Spitze des PHP-Konzerns stehen Seniorchef Mohammed Mizanur Rahman und sein Sohn Mohammed Mohsin. PHP steht im eigenen Verständnis des Konzerns für "Peace, Happiness & Prosperity" und ist mittlerweile zu einem großen Konglomerat herangewachsen.

Der Senior hat ein "Leitbild", mit dem er seine Lohnabhängigen ausbeutet ("Peace, Happiness & Prosperity") und im Film äußert er u. a., dass nicht Krankheiten wie Malaria, Lepra oder Krebs das Schlimmste für die Menschen sind, sondern viel schlimmer sei es, "wenn die Menschen nicht gebraucht würden". Während dem Senior-Chef Mohammed M. Rahman in seinem weißen Kaftan und von einem Helfer gegen Sonne und Regen gut beschirmt eine geradezu "pharaonische Aura" umgibt, tritt Sohnemann als kühl kalkulierender Geschäftsmann auf. Bei den Arbeitern ist der Senior beliebter als der Sohn, lässt sich doch der Alte öfter mal am "breaking beach" blicken, um sich nach dem "Wohlergehen" seiner Leute zu erkundigen. Dazu fährt er in einem chromblitzenden Toyota-Geländewagen-Konvoi vor, begleitet von zahlreichen privaten Sicherheitskräften. Die Arbeiter schmeißen sich vor ihm in den Dreck, berühren seine Fuße mit der Hand, um diese anschließend zu küssen. Junior ist weniger beliebt, weil er nicht genügend Schiffe an den Strand holt, dafür aber für einen zügigen Abtransport der abgeschweißten Schiffsstahlplatten in die Stahlwerke sorgt. Die Ankaufspreise für Schrottschiffe seien stark gestiegen, heißt es in dem Film, deshalb müsse der Stahlwerkschrott vermehrt in die Hochöfen abgefahren werden, damit von dieser Seite her Geld reinkommt.

An der Spitze von PHP stehen also Senior und Junior. Sie verfügen seit 1985 in der Nähe von Chittagong über einen Strandabschnitt, der auch einige Fischerdörfer mit umfasst. Aus diesen Fischerdörfern rekrutieren die Breaker-Bosse ihre "Contractors". Contractors sind eine Art von Sub-Unternehmer aus verschiedenen Clans, die die lukrativeren Tätigkeiten beim Abbruch der Schiffe unter sich aufgeteilt haben.

Das beginnt mit Schadensersatzforderungen für zerrissene Fischernetze, wenn sich die Fischer beim Beachen eines alten Frachters genau vor dem Bug des heranrauschenden Schiffes positionieren, um nach der Strandung Ersatz für angebliche Schäden an ihren Netzen einzufordern.

Die Contractor-Clans stellen die Schweißer, die für ihre Arbeit umgerechnet 3 US-Doller pro Tag erhalten. Contractors sitzen auch an den uralten Winden, mit denen die gebeachten Schiffe an langen Stahltrossen an Land gezogen werden. Und sie haben eine starke Position beim lokalen Lebensmittelhandel. Davon später mehr.

Ganz unten in der Hierarchie des Arbeitssystems stehen die Wanderarbeiter aus dem Norden Bangladeshs, die am Strand die Drecksarbeit machen müssen. Es sind überwiegend verarmte Reisbauern, die nicht mehr ihre Familien ernähren können. Sie werden von den Contractors angeheuert und eingesetzt. Meist holt ein "Eisenfresser", der schon etwas eingearbeitet ist, in der nächsten Saison arbeitswillige Familienangehörige (Brüder, Neffen, Onkel) aus dem Norden an den breaking beach. Sie fahren mit dem Bus in den Süden, hausen dort in Bruchbuden zwischen den Schrottplätzen am Strand. Ihre Lebensmittel bekommen sie auf Pump von den Contractors, die den Lebensmittelhandel kontrollieren.

Trossenziehen und Plattentragen sind ihre Haupttätigkeiten. Meist barfuß ohne Arbeitshandschuhe müssen sie durch den Strandschlick die hunderte von Meter langen und tonnenschweren Stahltrossen zu den gebeachten Schiffen tragen, wo diese an den dort abgeschweißten Schiffsteilen befestigt werden. Anschließend werden die Schiffsteile mit der Seilwinde näher an den Strand gezogen und dort weiter auseinander geschweißt. Brechende Trossen sind üblich, manchmal müssen auch die an den Strand gefahrenen Schiffe später bei höherer Flut näher ran gezogen werden.

Mit einem schweren Hammer werden Gußteile zerschlagen, auch diese Arbeit machen die Trossenzieher und Plattenträger.

Es gibt am Strand ein riesiges Stahlplattenlager. Die schweren Schiffsplatten werden von den Plattenträgern zu den LKW getragen: Meist barfuß und ohne Handschuhe, manchmal wird ein Tuch auf die Schulter gelegt, weil die Platte an den Schweißrändern noch heiß ist. Die Arbeit wird beim Trossenziehen und Plattentragen unter shantyähnlichen Gesängen bewältigt. Ein Vorsänger "besingt" die Qual der Arbeit und der Chor fällt mit "Heho" ein.

Trossenzieher und Plattenträger verdienen US-Dollar 1,50 pro Tag. Der Lohn wird später verrechnet mit den bei den Contractors auf Pump erworbenen Lebensmitteln, so dass kaum etwas am Ende übrig bleibt. Hinzu kommt noch, dass die Contractors bzw. der PHP-Konzern die Auszahlung der Löhne häufig mit fadenscheinigen Begründungen hinauszögern. Angeblich würden die Wanderarbeiter nach der Lohnzahlung sich gleich wieder auf den Weg zu ihren Familien im Norden machen und die Arbeit bliebe "am Strand liegen". Also werden bei großem Arbeitsanfall Löhne zurückgehalten. Das hat wiederum zur Folge, dass die Familien im Norden ihren Lebensunterhalt nur noch auf Kredit bestreiten können, weil das männliche Familienmitglied vom "breaking beach" im Süden nicht rechtzeitig mit dem Lohn nach Hause kommen kann. Ausserdem werden die Männer zur Reisernte im Norden dringend gebraucht.

Die erfahrenen Trossenzieher und Plattenträger sind für die Einarbeitung der jüngeren und weniger erfahrenen Arbeiter verantwortlich. Es gibt viele Arbeitsunfälle am Strand: Mal kommt es beim Schweißen zu Verpuffungen und Bränden in den Schiffsrümpfen, mal kracht ein Arbeiter "versehentlich" mit den abgebrannten Schiffsteil auf den Strand, ständig kommt es zu Fuß- und Schulterverletzungen. Eine schwere Fußverletzung wird mit einem dreckigen Tuch umwickelt und der Verletzte auf dem Rücken eines Kollegen an Land getragen.

Insbesondere die verzögerte Lohnauszahlung sorgt für Unruhe unter den Arbeitern, offenes Aufbegehren oder ein organisiertes Vorgehen dagegen war in dem Film nicht erkennbar. Einzig die Absicht, nie wieder an den Strand zum Arbeiten zurückzukehren, wird in dem Film geäußert. Aber dann sind sie doch nach der nächsten Reisernte im Norden wieder zum "Eisenfressen" am "breaking beach".

Nachfolgend zur Veranschaulichung noch einige Fotos, die bei PHP entstanden:

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Fotos: Sammlung Peter Hartung (genaue Quelle/Copyright unklar).

mfg Peter Hartung
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Andreas_Elmshorn
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Re: Shipbreaking: Die Eisenfresser von Chittagong

Beitrag von Andreas_Elmshorn »

Hallo Peter, Hallo Forum!
Sind alles sehr beeindruckende Bilder! Man glaubt, viel gesehen zu haben, dann gibt's wieder was zum Kopfschütteln. Mich als Metaller bringen die Arbeitsbedingungen zum schaudern! So würde hier in Europa niemand arbeiten.
(O.T.: Als es letzte Woche so heiß war, musste mein Meister mir 'nen Ventilator besorgen, weil ich direkt unterm Dach arbeite! Hoffentlich gucken er und mein Chef den Film nicht!!!).
Ich denke aber auch für uns Mitteleuropäer ist die dortige Mentalität nur sehr schwer zu begreifen. Ich hörte auch schon in Berichten, die Arbeiter würden ihre persönliche Schutzausrüstung lieber auf dem Markt versilbern als zu benutzen! Ob das nun Schutzbehauptungen sind............??? Mag sein! Fakt ist, solange die Reedereien ihre Flotten so massiv verjüngen gibt es kaum Alternativen! Die Abbrecher in Indien und Bangladesh haben nun mal das Pech im internationalen Focus zu stehen. Um die türkischen Werftarbeiter machen sich die Leute weniger bis gar keine Gedanken, wobei ich glaube, denen geht's nur zum Teil besser und umweltbewusster sind die auch nicht! Vielleicht muß nur mal eine deutsche oder westeuropäische Reederei auf die Idee kommen hier ein Schiff nach westlichem Standart abzuwracken um festzustellen, dass es geht!
Schönes Sonntag u. Grüße!
Andreas B.
Geduld zu haben bedeutet nicht, sich alles gefallen zu lassen!
Gottfried Knöbel
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Re: Shipbreaking: Die Eisenfresser von Chittagong

Beitrag von Gottfried Knöbel »

Hallo Peter,
danke für Deinen beeindruckenden Bericht, der jeden der sich täglich mit immer neuen Berichten über Neubauten und neuen Produktions-
abläufen im Schiffbau befasst, schaudern lässt. Es ist eigentlich in dem Bericht alles gesagt. Als ich den Bericht gelesen habe, fiel mir dabei ein,
dass ich vor Jahren mal bei einem indischen Abbrecher per e-mail angefragt habe, ob man dort ein altes Steuerrad erstehen konnte. Die Antwort fing mit einem 'the Lord Almighty bless you' und weiteren Lobpreisungen an, dann pries man die Errungenschaften des Unternehmens an. Am Ende fragte
ich mich, ob ich ein Schiff zum Abwracken angeboten hatte, oder ob ich nur nach einem alten Steuerrad angefragt hatte. Das Prinzip scheint in Indien
wohl ziemlich ähnlich zu sein.
Beste Grüße
Gottfried
Werftarchiv
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Re: Shipbreaking: Die Eisenfresser von Chittagong

Beitrag von Werftarchiv »

Moin Peter,

vielen Dank für diesen umfangreichen "Review" von den Eisenfressern. Ich hatte schon im DRadio Kultur einen Bericht über diesen Film gehört, der jedoch (ob der fehlenden Sachkenntnis der Redakteure) eine ganz andere Ausrichtung hatte und mein Interesse zwar geweckt hat, aber bei weitem nicht so sehr, wie deine Zusammenfassung. Nun muß ich nur noch die nötige Zeit und ein Kino finden, daß den Film ausstrahlt, oder noch besser: hoffen daß er irgendwann auf DVD erscheint.

Nur noch eine Anmerkung eines Schiffbauers: Schweißen = Zusammenfügen (auseinander Schweißen geht nicht) - Brennschneiden (ugs.: "Brennen") mit dem Schneidbrenner (ugs.: "Messer-Griesheim-Säge" :D ) = Trennen...

Schöne Grüße,
Dieter
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Peter Hartung
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Re: Shipbreaking: Die Eisenfresser von Chittagong

Beitrag von Peter Hartung »

Guten Abend!

Zufällig fand ich bei YouTube dieses Video von einem Shipbreaking Beach in Gadani, Pakistan, das diesen Thread noch einmal anschaulich illustriert:

http://www.youtube.com/watch?v=mRJYgNc_TNc

mfg Peter Hartung
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Claus Heinrich
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Re: Shipbreaking: Die Eisenfresser von Chittagong

Beitrag von Claus Heinrich »

Hallo Peter,
sehr beeindruckend, aber es ist schon alles gesagt worden.
Vielen Dank für Deine immer wieder sehr umfangreichen Recherchen.
Aber bitte noch ein kurzer Zwischenruf:
Sind meine mail (drei an der Zahl) bei Dir angekommen?

Liebe Grüße aus Hamburg
Claus
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