Costa Concordia Havarie 13.01.2012

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xtom1973
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Re: Costa Concordia Havarie 13.01.2012

Beitrag von xtom1973 »

BlueWater hat geschrieben: War es letztendlich wirklich gut, daß er so zu liegen kam?
Ich habe mal versucht, die Situation für mich persönlich realistisch zu analysieren. Das ist zwar sehr hypothetisch, aber ich denke hier waren auch schon einige in grenzwertigen (lebensbedrohlichen) Situationen, genau wie ich. Man darf so eine Situation ruhig mal überdenken, für mich hat das als zweimal in meiner Kindheit aus dem Wasser geretteter sogar ne sehr persönliche Note.

Das Szenario "offene See" ist aber (glaube ich) nicht realistisch, weil vermutlich Schlepper gekommen wären, die die CC in Landnähe gedrückt hätten. Oder wie verfährt man in so einem Fall?

Es gibt also 2 Havarie-Varianten: das, was geschah und das antriebslose Treiben der CC auf offener See:
Ich nehme an, daß die Krängung "nur" so weit ging, wie sie nach der Wende war und auf offener See eventuell austariert wäre.

Also angenommen, der Kahn wäre antriebslos 200, 300 Meter vor Giglio getrieben. Man hätte beidseitig Rettungsboote zu Wasser lassen können. Trotzdem gibt es vermutlich immer Leute, die aus Panik ins Meer springen (200? 300?). Dabei muß man beachten wie nah das rettende Ufer mit seinen Lichtern ("ist ja nicht weit") zu sein scheint und Rettung suggeriert. Zumindest bei Unerfahrenen. Dazu die Rettungsschiffe, die schon vor dem Kahn lagen (das wäre ja weiter draussen auch so gewesen), "die werden mich schon irgendwie aufsammeln" und die zu diesem Zeitpunkt ruhige See!

Damit haben dann die Retter ein noch größeres Problem (Dunkelheit!). Im Ergebnis wären stundenlang Rettungshubschrauber übers Meer geflogen um nach "halbtot" treibenden Passagieren zu suchen und hätten die Kapazität für die mögliche Bergung von der CC begrenzt. Wie lange dauert es, bis Wassertemperaturen um 14 Grad gefährlich werden? 30 Minuten? Eine Stunde?

Hand aufs Herz: wer wäre von euch mit Schwimmweste ins Meer gesprungen, wenn stundenlang nichts vorwärtsgeht? Das erscheint vor dem Hintergrund ja fast als bessere Option: erst crasht der Kahn mit Wassereinbruch, was für viele Kreuzfahrer "zu Recht" undenkbar ist und mit Sicherheit zu den "unwahrscheinlichsten" aller denkbaren Situationen gehört. Anschließend wartet man ne Stunde im oder vor den Rettungsbooten, währenddessen man widersprüchliche Durchsagen und Anweisungen zu hören bekommt und auch die phantasievollen Gerüchte von anderen Passagieren hört. Dann muß man mit ansehen, daß die Mannschaft vollbesetzte Rettungsboote nichtmal zu Wasser bringt (siehe Video) und andere Passagiere bereits über Bord springen.

Also ich gehöre weder zu den Helden noch den Hasenfüssen, aber ich hätte mich schon gefragt, welcher Film das eigentlich ist, fürchterlich geflucht und wäre irgendwann den anderen hinterhergesprungen.

Spätestens im kalten Wasser, oder wenn das Ufer trotz aller Anstrengung einfach nicht näher kommen will, hätte ich allerdings noch mehr geflucht. Von da aus ist es mit zunehmender Auskühlung nicht mehr weit bis zur totalen Verzweiflung.

interessanter Artikel:
http://de.wikipedia.org/wiki/Verzweiflung

Die Strandung bringt demgegenüber eine gewisse Beruhigung, man ist ja "fast an Land". Ich nehme also weiterhin an, daß diese Situation viele, vielleicht sehr viele Menschenleben gerettet hat. Einwände, Kritik und Meinungen sind wie immer erwünscht.
Tauchschwager
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Re: Costa Concordia Havarie 13.01.2012

Beitrag von Tauchschwager »

Bernd Klehn hat geschrieben:
wolfgang b hat geschrieben:Laienfrage:
Wenn ein Schiff langsam volläuft, sinkt damit auch die Kentergefahr ?
Ja es ist die spannende Frage, wann kentert ein Schiff?
selbst die Titanic ist wegen mangelnden Auftriebs gesunken und nicht gekentert. Warum ist dieses Schiff gekentert? Das Backbordleck hätte dazu nicht gereicht, das Hinterschiff wäre/ ist abgesackt und es hätte /hat sich eine leichte Neigung eingestellt. Wie man auf den ersten Bildern nach der Strandung sehen konnte. Das Schiff wäre so liegen geblieben, da sie Schotten hoch genug gezogen sind. Ende der Vorstellung. Er muss also mehr passiert sein. waren die zusätzlichen Lecks
meine Frage mal dazu in Bezug auf die Titanic.
Die Titanic hatte bei größeren Tiefgang weniger Decksaufbauten. Dagegen die heutigen ca. 15 Decks. Zwar Deck für Deck leichter gebaut aber trägt dies bei einem Wassereinbruch nicht auch zur verstärkten Krängung bei ? Das dürften ja einige Tausende Tonnen sein die da drücken, vom Wind dabei ganz abgesehen.
Die Aida konnte bei meiner letzten Tour bei schlappen Windstärke 7 trotz Schlepperhilfe in Casablanca nicht anlegen.
Garsvik
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Re: Costa Concordia Havarie 13.01.2012

Beitrag von Garsvik »

Tauchschwager hat geschrieben:
Bernd Klehn hat geschrieben:
wolfgang b hat geschrieben:Laienfrage:
Wenn ein Schiff langsam volläuft, sinkt damit auch die Kentergefahr ?
Ja es ist die spannende Frage, wann kentert ein Schiff?
selbst die Titanic ist wegen mangelnden Auftriebs gesunken und nicht gekentert. Warum ist dieses Schiff gekentert? Das Backbordleck hätte dazu nicht gereicht, das Hinterschiff wäre/ ist abgesackt und es hätte /hat sich eine leichte Neigung eingestellt. Wie man auf den ersten Bildern nach der Strandung sehen konnte. Das Schiff wäre so liegen geblieben, da sie Schotten hoch genug gezogen sind. Ende der Vorstellung. Er muss also mehr passiert sein. waren die zusätzlichen Lecks
meine Frage mal dazu in Bezug auf die Titanic.
Die Titanic hatte bei größeren Tiefgang weniger Decksaufbauten. Dagegen die heutigen ca. 15 Decks. Zwar Deck für Deck leichter gebaut aber trägt dies bei einem Wassereinbruch nicht auch zur verstärkten Krängung bei ? Das dürften ja einige Tausende Tonnen sein die da drücken, vom Wind dabei ganz abgesehen.
Die Aida konnte bei meiner letzten Tour bei schlappen Windstärke 7 trotz Schlepperhilfe in Casablanca nicht anlegen.
Ganz richtig, die Windangriffsfläche ist bei modernen Schiffen viel größer. Nur ändert das in diesem Fall nichts, weil a) kein Sturm herrschte und natürlich diese Schiffe von vornherein so gebaut sind, daß b) sie nicht zum umfallen neigen.

Garsvik
wolfgang b
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Re: Costa Concordia Havarie 13.01.2012

Beitrag von wolfgang b »

xtom1973 hat geschrieben:
Es gibt also 2 Havarie-Varianten: das, was geschah und das antriebslose Treiben der CC auf offener See:
Gut zusammengefaßt, es sind die beiden Havarievarianten, die die Diskussion
am laufen halten.
Spekulationen haben einen gewissen Unterhaltungswert, aber
erst nach Abschluß der Untersuchungen wird das Ergebnis feststehen.
Für mich stellt sich die Frage, inwieweit ein Kapitän in seiner Ausbildung auf diese
Situation vorbereitet wird.
Wenn dieses Scenario geübt wurde, müßte daraus eine
logische Abfolge von Handlungen resultieren ? Wenn ich lese, der Kapitän sei nach der Havarie
orientierungslos auf der Brücke rumgerannt, müssen doch die anderen Offiziere in der Lage sein,
dessen Part zu übernehmen und vorher festgelegte Entscheidungen zu fällen.
War diese Situation so undenkbar, so nicht voraussehbar, daß dies eine Panik auf der Brücke
rechtfertigen würde ?
Zuletzt geändert von wolfgang b am Fr 27. Jan 2012, 19:05, insgesamt 1-mal geändert.
Haui
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Re: Costa Concordia Havarie 13.01.2012

Beitrag von Haui »

Tham hat geschrieben:noch 100 m Kette wenn der Anker aus dem Grund ist wiegen auch so einiges, da hat schon manches Spill schlapp gemacht, deshalb habe ich es als Kapitän vermieden auf solchen Tiefen zu Ankern

Gruß Tham


Nachtrag
das sagt der GL zu Notstromversorgung, und ich glaube die italienischen Kollegen von RINA sehen das genauso:
http://www.gl-group.com/infoServices/ru ... schn14.pdf
nix mit Ankerwinde,

---Schnipp/ Schnapp---

270m bei 0,15m/s = 1800s = 30min, mag ja schneller gegangen sein weil es die Mindestanforderung ist, aber in 8 Minuten? oder waren es sogar 14 Schäkel mit theoretisch 42min Hievzeit? 100m Kette vertikal hängend sind auch wieder eine Höchstanforderung, also zu meiner aktiven Fahrenszeit dauerte das Ankerhieven schnell mal 20 Minuten, ohne das 10 Schäkel draussen waren
Richtig, Tham.
Deshalb glaube ich auch nicht an die Anker- theorie.
Ich hab's doch auch nur Flari zuliebe mal durchgespielt.

Gruß,
Haui
Bernd Klehn
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Re: Costa Concordia Havarie 13.01.2012

Beitrag von Bernd Klehn »

wolfgang b hat geschrieben:[ inwieweit ein Kapitän in seiner Ausbildung auf diese
Situation vorbereitet wird.
Wenn dieses Scenario geübt wurde, müßte daraus eine
logische Abfolge von Handlungen resultieren ?
Ist mir auch unklar, der Kapitän braucht eigentlich nur Meldung in welchen Abteilungen Wasser eingedrungen ist, dann müsste er nur den entsprechenden Leckfall heraussuchen, die ja alle durchgerechnet worden sind, um zu wissen, was mit seinem Schiff passiert. Dann hat er bei einem Wassereinbruch in den beiden? Maschinenräumen auf jeden Fall die geordnete Evakuierung vorzubereiten. Telfonkontakte und Diskussionen mit der Reederei sind hierbei zu unterlassen. Die Software die Leckfälle berechnet (Onboard Napa) verfügt sogar über die Möglichkeit dass weltweit Fachleute bei der Einleitung von Massnahmen helfen.

Ich zitiere aus der Napa Seite:


Damages ranging from flooding to structural failure and groundings can be modelled efficiently. Initial loading conditions can be imported from the ship’s NAPA Loading Computer or quickly defined in the NAPA ER user interface. Recovery strategies using any combination of techniques – such as cargo transfer, shifting of liquid loads, pumping, mass loading, over-pressurization and under-pressurization – can simultaneously be analysed as serial or alternative actions.

Different scenarios can be tested using a logical tree structure of dependent actions and the results – for instance, cargo outflow, stability, grounding force, shear force and bending moment – can be studied throughout the tidal range. Multi-objective genetic algorithms can be harnessed to quickly evaluate and optimize loading combinations in order to achieve a desired floating position while keeping the ship within stability or structural constraints.
Tauchschwager
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Re: Costa Concordia Havarie 13.01.2012

Beitrag von Tauchschwager »

Ganz richtig, die Windangriffsfläche ist bei modernen Schiffen viel größer. Nur ändert das in diesem Fall nichts, weil a) kein Sturm herrschte und natürlich diese Schiffe von vornherein so gebaut sind, daß b) sie nicht zum umfallen neigen.

Garsvik[/quote][/quote]

Das hatte ich nur so nebenbei bemerkt mit dem Wind, vielmehr ob die extrem hohen Decksaufbauten auf den heutigen Schiffen nicht leichter zum Kentern beitragen. Da drücken bei einer Krängung doch tausende Tonnen.
wolfgang b
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Re: Costa Concordia Havarie 13.01.2012

Beitrag von wolfgang b »

Bernd Klehn hat geschrieben: Ist mir auch unklar, der Kapitän braucht eigentlich nur Meldung in welchen Abteilungen Wasser eingedrungen ist, dann müsste er nur den entsprechenden Leckfall heraussuchen....... die geordnete Evakuierung vorzubereiten. Telfonkontakte und Diskussionen mit der Reederei sind hierbei zu unterlassen. (Onboard Napa) verfügt sogar über die Möglichkeit dass weltweit Fachleute bei der Einleitung von Massnahmen helfen.
Danke für die Antwort, bringt neues Licht in die Diskussion

Hab nachgeschaut :

NAPA Group is a world leading software house supplying the marine industry with environmentally
friendly solutions for ship design and operation.

d. h wer die Software kauft ist klar im Vorteil

oder ist diese auf allen Schiffen ( > x -Meter ) verbindlich ?
Haui
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Re: Costa Concordia Havarie 13.01.2012

Beitrag von Haui »

wolfgang b hat geschrieben:Laienfrage:
Wenn ein Schiff langsam volläuft, sinkt damit auch die Kentergefahr ?
http://www.welt.de/vermischtes/article1 ... unken.html
Schaun wir mal hier.
Kann ich pauschalisiert nicht beantworten....
Gruß
Haui
spreepirat
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Re: Costa Concordia Havarie 13.01.2012

Beitrag von spreepirat »

Moin Forum!

Mal eine ganz grundsätzliche Frage: Kann der Kapitän, in diesem Fall Signore Schettino, tatsächlich allein sein Schiff wie in einem Computerspiel an der Insel völlig allein vorbei lenken? So nach dem Motto 'jetzt lasst mich mal fahren'?

Ich fahre nicht zur See, bin aber als Reporter auf einigen Brücken gewesen und habe (am Rande) manchen Ablauf mitbekommen. Und selbst auf deutlich kleineren Schiffen wie der Wappen von Hamburg (R.I.P.) hat nicht der Käptn mit dem Rauschebart das Schiff gesteuert wie seinen privaten Daimler, sondern er stand da, sondierte die Lage und sagte einen neuen Kurs durch (oder aber der 1. Offizier tat das stellvertretend). Und der Rudergänger, oder Steuermann heißt das ja heute, hat das dann umgesetzt.

Das wird ja auf der wesentlich größeren CC mindestens genauso gewesen sein. Kann denn dann, weil eine Moldawierin oder ein Schiffskoch oder was den Käptn ablenkt, gleich derartiges passieren?

Dass Schettino die Verantwortung trägt ist mir klar und muss auch nicht mehr wiederholt werden. Aber warum fällt ein derart folgenschwerer Kurs niemandem auf bzw. wieso war offenbar, und so wird ja suggeriert, nur ein einziger Mensch an diesem Kurs beteiligt? Geht das überhaupt bei einem Schiff dieser Größe?

Gruß
Thilo
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