Landanschluß vs Sicherheit

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O. Hansen
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Re: Landanschluß vs Sicherheit

Beitrag von O. Hansen »

*sorry for OT*

Finde immer wieder schön, wie hier persönliche Erfahrungen als allgemeingültig hingestellt werden, frei nach dem Motto: "Das kenn ich nicht, das gibt es also auch nicht."
Leute, der Tellerrand ist manchmal etwas größer, aber es lohnt immer, mal darüber hinaus zu sehen!

*sorry for OT" :oops:
Grüße von der Elbe...
Oliver
Johann
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Re: Landanschluß vs Sicherheit

Beitrag von Johann »

Moin,
um hier ein paar Halbweisheiten mal aufzulösen:

Im Hafen läuft der Hilfsdiesel zur Stromerzeugung nicht unter Volllast. Und wer es trotzdem tut, macht Blödsinn.
Ich benötige jederzeit eine gewisse Leistungsreserve, um mögliche Lastschwankungen auszugleichen. Diese entstehen durch Aufschaltung von Pumpen (z.B. Ballastpumpen um das Schiff beim Laden/Löschen zu trimmen), Festmacherwinden (die Moorings laufen ja oft auf Automatik und gleichen z.B. Tidenhub aus), Kühlcontainer, Ladepumpem, Lüftern (wenn der 2te Ing am Hauptmaschinengebläse bastelt und es anschliessend testet), Turnmaschine des Hauptmotors usw.
Sollte der Diesel an der Kotzgrenze laufen und es schaltet ein grosser Verbraucher auf, so habe ich entweder sofort Schwarzlicht (Blackout) oder mit Glück kann der Diesel bis zur Aufschaltung eines weiteren Diesels (kann gut 30-45 s dauern) die Lastspitze halten.
Da die Last im Hafen oft abhängig vom Fahrtgebiet und der Jahreszeit ist, sind manchmal Diesel mit gestuften Leistungen vorhanden. z.B. für ein modernes Grosscontainerschiff 1x 1600kW, 1x 2200kW, 2x 3600kW. in Hamburg im Winter löpt der kleine Hafendiesel (die Kühlaggregate der Kühlcontainer laufen selten an, Klimaanlage für Aufbauten gar nicht), in den Tropen dann der nächstgrößere.

Ferner haben bei weitem nicht alle modernen Schiffe Wellengeneratoren! Ich wage zu behaupten, dass die Mehrzahl der aktuellen Großcontainerschiffe keinen haben. Der Grund sind die enorm hohen Investitionskosten für diese Anlagen. Mit einem zusätzlichen Generator ist es oft ja nicht getan, das geht in der Regel nur bei Schiffen mit 4-Taktern, Verstellpropeller und Untersetzungsgetriebe. Die können Konstantdrehzahl fahren, da ist einfach über eine zusätzliches Getriebe ein Generator angepflanzt, der im Seebetrieb Strom liefert.
Bei 2-Taktern wirds kompliziert, da sie meist mit variabler Drehzahl fahren. Ergo liefert ein direkt angekuppelter Generator keine konstante Frequenz. Die Lösung ist ein zwischengeschalteter Frequenzumrichter, der aber keine Blindleistung liefert, also brauche ich ne Blindleistungsmaschine -und einen Chief/ Blitz der die ganze Chose auch noch reparieren kann... Und der Hauptmotor muss auch ne Nummer größer sein, schliesslich will ich auch mal schnell fahren ohne gleich die Hilfsdiesel anwerfen zu müssen. Die Hilfsdiesel brauche ich aber trotzdem in voller Größe, denn meine Wellengeneratorenanlage kann auch mal ausfallen usw. ....ihr seht, das ist alles nicht so einfach.
Die Schiffe der Monte Klasse der Hamburg Süd sind Schiffe ohne Wellengenerator. Die Hamburg Express Klasse der Hapag Lloyd haben welche installiert.

Und nun zum Kessel:
Richtig ist, das dieser mit Schweröl HFO betrieben werden kann und das meist auch getan wird.
Falsch ist, das er generell ne Dreckschleuder ist. Die NOx Schademmisionen sind durch niedrigere Verbrennungstemperaturen niedriger als beim Dieselmotor. Läuft der Diesel dann noch im unteren Teillastbereich, wird es mit den Partikeln ganz mau. Die Einführung von Common Rail CR trägt sicher zur Verbesserung der Schadstoffemmision im Teillastbereich bei (die ultrafeinen Rußpartikel sind dann viel einfacher wegzuatmen), allerdings sollte man im Hinterkopf behalten, dass die Motorenhersteller immer noch Probleme haben den Brennverlauf im CR Motor auf die Güte eines guten Motors mit konventioneller Einspritzung zu bringen. Und bei Vollast bringt CR nichts oder nur marginale Verbesserungen! (Außer das es nen Haufen kostet und Betrieb/ Wartung) verschlechtert.
Zur Erzeugung von Prozessdampf ist der Kessel einfach unererlässlich. Schon mal versucht 1000m3 Schweröl elektrisch aufzuheizen bzw. zu heizen??? Klar geht das, wir stellen uns einfach nen 2ten Hauptmotor zur Stromerzeugung an Bord.
Und ein Kessel kann auf jeden Fall auch mit entschwefeltem Diesel betrieben werden.
Ein Ansatz wäre sicher die korrekte Bedienung, Wartung und Pflege des Kessels (verhindert oder vermindert scharze Wolken) öfter mal zu überprüfen...

Zum Landstrom: Ich werde das hoffentlich nicht mehr erleben. Und die grauen Schiffe fahren ja eh nur zum Spaß zur See :-) Aber wer mal die aktuelle HANSA in die Hand nimmt, wird lesen können, dass die Bordstromerzeugung mit HFO billiger sei als Industriestrom (Studie für Bremen, Bordstrom ohne Investitions- und Wartungskosten ->Diesel sind eh da, Besatzung zum Schrauben auch). Der Reeder muss sich aber einen zusätzlichen Trenntrafo (wurde vorher eingehend erläutert warum) hinstellen, das kostet Geld und davon haben die Reeder doch keins. Die Probleme sind aber wirklich die unterschiedlichen Frequenzen und Spannungsebenen auf Schiffen, z.B. 50Hz 6kV, 1kV, 600V, 230V, 60Hz 6,6kV, 3,3kV, 660V, 440V, 230V usw.
Und den Betrieb totmachen (beim Synchronisieren von Land- und Bordstrom) wollen die wenigsten, denn das ist oft sehr zeitaufwändig und ausserdem hängen da ne Menge wichtiger Verbraucher dran (z.B. die Kesselspeisewasserpumpe, die Moorings, der Ladungsrechner usw.)


Mfg Johann
RomanL

Re: Landanschluß vs Sicherheit

Beitrag von RomanL »

Es geht bei on-shore-connection (bzw. -provision) vor allem um Häfen, die mitten in Städten liegen (vor allem in USA, Hamburg, Sankt Petersburg...) und von vielen kleinen Schiffen frequentiert werden. Derzeit sind 3 Systeme im Test, die alle mehr oder weniger funktional für verschiedene Schiffsgrößen sind.
Das Thema Blitz ist Panikmache von Seiten einiger Lobyisten. Es darf halt nicht funktionieren, was nicht funktionieren soll ;-)

Was die Leistung angeht, gibt es schon jetzt funktionierende 15ooV-Systeme, die problemlos über sogenannte Powerlocks angeschlossern werden können. Im Binnenschiffahrtsbereich z.B. ist das seit Jahren Stand der Technik (z.B. 400A-PL-System). Das geht im Seebereich ebenso...

Hauptschwierigkeit ist nach wie vor die Synchronisation derart großer Lasten (speziell Reefer CV) auf das Hafensystem. Und da wir weltweit ja nicht mit einheitlicher Frequenz arbeiten, ist das gar kein so kleines Problem. Auch der Platz für die Anschlußschalttafeln und das Notsystem sind nicht auf jedem Schiff nachrüstbar - wohl aber planbar (und werden auch schon geplant).
Lest mal ein wenig die Fachzeitschriften zum Thema - dann wird nicht gleich jede Panikmache auch als Fakt verstanden ;-)

LG
Roman


PS: Der Schwefel im HFO ist in diesem Fall gar kein Thema - das wurde bereits durch passende Tri-Fuel-Konzepte "gelöst". Und Heizen muß man vor allem so viel, weil vermehrt Reeder mit 380cSt bzw. sogar mit 500cSt HFO fahren. Das wird aber im Hafen nicht geheizt - und vor allem wenn, dann mit schwefelarmem HFO oder MDO.
horkini

Re: Landanschluß vs Sicherheit

Beitrag von horkini »

Moin,
um das Thema Landanschluß vorerst abzuschließen, hie ein Artikel aus der letzten BWK:
http://www.bilder-hochladen.net/files/8oql-1-jpg.html
http://www.bilder-hochladen.net/files/8oql-2-jpg.html
Grüße
horkini
heavyfuel
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Re: Landanschluß vs Sicherheit

Beitrag von heavyfuel »

Sirius hat geschrieben:Ich habe nur eine einzige Frage gestellt : Wo besteht die Gefahr, bei Landanschluß, eines Blitzschlages in diese Leitung?

Mehr wollte ich nicht wissen.
Moin,
da gibt es keinen Unterschied zu einem Blitzschlag in ein Blockheizkraftwerk oder ähnliches. Das Risiko wird von den Versicherern als gering eingestuft.
Das auf der Veranstaltung am 05.11.2007 zur Landstromversorgung in Bremen genannte
GAU-Szenario eines Blitzschlags in das Stromkabel war kein Hindernis bei der
Versicherungsvertragsgestaltung der Landstromversorgung in Lübeck. Ein Schadensereignis
durch Blitzschlag wäre nach Ansicht der Zertifizierungsgesellschaften durch die land- bzw.
bordseitigen Sicherungssysteme begrenzt.
Quelle: http://www.aknev.org/download/AKN%20-%2 ... 0Hafen.pdf
und gleich dazu: http://www.aknev.org/download/AKN%20Abs ... ckdose.pdf

Johann hat geschrieben:Zum Landstrom: Ich werde das hoffentlich nicht mehr erleben.
Zu spät, dat gifft dat schon. Wat dat nich allens so gifft...

Hier mal auf Deutsch das ganze zusammengefasst:
http://194.94.25.215:81/img/pool/Diplom ... Pamela.pdf

Geschrieben von ner Frau und dann noch angehende Fensterkuckerin: ob damit die langgedienten Schiffsingenieure umgehen können?
Auf alle Fälle sind hier mal alle möglichen Szenearien und Argumente beleuchtet worden.
Und: Ja, man kann synchronisieren! Es muss nicht schwarzes Licht gemacht werden.

Dann hab ich hier noch was von NSB: http://www.reederei-nsb.de/?node_id=2260 Sie wollens es tun und rüsten ihre Schiffe mit Landanschlusscontainern aus.

Sowas liefert SAM: http://www.sam-electronics.de/dateien/epd/amp.html

ABB hat bereits im Jahr 2000 Gothenburg ausgerüstet: http://www.abb.com/industries/db0003db0 ... country=DE
http://www.nytimes.com/2008/04/26/busin ... wanted=all

So, genug zu lesen. Ist ja auch schon spät. Wer weitergooglen möchte: cold ironing ist das Stichwort.

Gruß

heavyfuel
Viele Grüße
heavyfuel

...und immer eine Handbreit
Rum im Glas...
Sirius

Re: Landanschluß vs Sicherheit

Beitrag von Sirius »

Bei den Kriegsmarinen gibt es Landanschluß/Strom vom Nachbarboot schon seit 100 Jahren.

Bei der Bundesmarine gingen wir schon 1960 immer an Landanschluß bzw Nachbar- Wachboot.

Blitzeinschläge? Nie erlebt.
Ich glaube auch nicht, dass Kriegsschiffe, voll mit Munition, sich selbst in die Luft blasen wollen. Die wären die Ersten, die schnell vom Landanschluß weggehen würden.

mfgSirius
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