Unglücks-Thread

bonito
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von bonito »

Volker Landwehr hat geschrieben: Fr 2. Apr 2021, 21:02 Wieso eigentlich General Average? Erläuterung aus dem Cambridge Dictionary übersetzt: eine Vereinbarung, bei der die Kosten für Schäden an einem Schiff oder den darin befindlichen Gütern von der Reederei und den Eigentümern der Güter geteilt werden, wenn es notwendig wird, entweder das Schiff oder die Güter in einer Notsituation zu retten.

Eine derartige Situation ist doch garnicht eingetreten. Sieht für mich danach aus, als wollte sich jemand um Schadensersatz drücken.
Gruß, Volker
Warum soll das keine Notsituation sein ? Das Schiff kam nicht aus eigner Kraft frei und brauchte dringend Bagger und Schlepperunterstützung. Ansonsten wäre die Seereise hier beendet gewesen. Es geht dabei um die Kosten der Bergung, nicht um Schadensersatzansprüche. Ausserdem ist das Schiff beschädigt, der genaue Umfang ist uns unbekannt. Und selbst wenn GA deklariert wird bedeutet das noch nicht, dass die auch ausgeführt wird. Verfrachter, welche eine Transportversicherung haben, können dem jedenfalls gelassen entgegensehen.
Aber der Job, die Kosten auf die Ladungsbeteiligten aufzulösen ist wohl eine Lebensaufgabe.

Gruß
Pathfinder
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Pathfinder »

Volker Landwehr hat geschrieben: Fr 2. Apr 2021, 21:02 Wieso eigentlich General Average? Erläuterung aus dem Cambridge Dictionary übersetzt: eine Vereinbarung, bei der die Kosten für Schäden an einem Schiff oder den darin befindlichen Gütern von der Reederei und den Eigentümern der Güter geteilt werden, wenn es notwendig wird, entweder das Schiff oder die Güter in einer Notsituation zu retten.

Eine derartige Situation ist doch garnicht eingetreten. Sieht für mich danach aus, als wollte sich jemand um Schadensersatz drücken.
Gruß, Volker
Zu General Average gibt es folgendes zu sagen:

Der Fall tritt ein wenn:

“There is a general average act when, and only when, any extraordinary sacrifice or expenditure is intentionally and reasonably made or incurred for the common safety for the purpose of preserving from peril the property involved in the common maritime adventure.”

Also ziemlich allgemein gehalten. Grundsätzlich ist General Average bzw Havarie Grosse so alt wie die christliche Seefahrt und geht davon aus dass unter bestimmten Umständen Maßnahmen getroffen werden, die das Schiff vor einer drohenden Gefahr bewahren die unmittelbar droht aber effektiv nicht eintreten muss. Hierbei ist genau festgeschrieben welche dieser Maßnahmen für General Average Beteiligungen herangezogen werden können und welche nicht. Hierzu zählen u.a. die Bergungskosten, Kosten für das Leichtern des Schiffes, Kosten für das Anlaufen eines Nothafens und vieles mehr (würde den Rahmen sprengen, kann man googeln).

Der Grundsatz des Prinzips entspringt der Überlegung das im Altertum bzw in grauer Vorzeit noch Schiff und Eigentümer der Ladung "im selben Boot" saßen (daher der Begriff "common maritime adventure") und das auf Grund dessen alle die sich an dem gemeinsamen maritimen Abenteuer der Ladungsverschifffung von A nach B beteiligen auch das Risiko gemeinsam tragen.

Heutzutage stellt sich das ganze etwas anders da. Auf einem Schiff wie der EVER GIVEN gibt es viele tausend Ladungsbeteiligte, Versicherer, Interessenten die gerade alle ihre Anwälte einschalten und eine riesige Klagewelle lostreten die erst einmal auf das Schiff allein zurollt. Die Versicherer sagen in so einem Fall auch das das Schiff unter Umständen auch den Versicherungsschutz verliert wenn General Average NICHT oder zu spät deklariert wird. In sofern kann man das tatsächlich so sagen das der Schiffseigentümer sich vor den Schadenersatzforderungen "drückt" und ganz unkritisch wird General Average auch nicht gesehen heutzutage aber das Prinzip hat sich als sinnvoll erwiesen und bislang hat sich kein System gefunden das in der Lage wäre dieses Prinzip zu ersetzen. Man kann es als antiquiert bezeichnen aber man kann es auch so sehen: Wenn man seine Fracht per Seeschiff bewegen möchte muss man auch das Risiko eingehen das etwas passiert. Ich denke aber mal das viele Ladungseigentümer ihre Ladung versichert haben, diese Versicherung sollte dann für die General Average Beiträge einspringen. Nachteil an der Sache: Der Schiffseigentümer hat ein Pfandrecht auf die Ladung und gibt diese erst frei wenn die Beiträge bezahlt sind, was bei so einem großen Fall zum Teil Jahre dauern kann.

Hoffe etwas zur Aufklärung beigetragen zu haben.

Grüße,
Jan
Volker Landwehr
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Volker Landwehr »

Pathfinder hat geschrieben: Fr 2. Apr 2021, 22:22

Zu General Average gibt es folgendes zu sagen:

Der Fall tritt ein wenn:

“There is a general average act when, and only when, any extraordinary sacrifice or expenditure is intentionally and reasonably made or incurred for the common safety for the purpose of preserving from peril the property involved in the common maritime adventure.”

Hoffe etwas zur Aufklärung beigetragen zu haben.

Grüße,
Jan
Danke für die Erläuterungen. Ich sehe nur nicht, dass die obige Definition oder die aus dem Cambridge Dictionary erfüllt wäre. Hier musste die Besatzung nicht irgendetwas opfern, um das Schiff zu retten. Sie haben es schlicht in die Böschung gesetzt.

Und ich habe Zweifel, dass es unabwendbar war, wenn ich sehe, dass die zwei vorausfahrenden Schiffe mit Eskort-Schlepper fuhren.
Die York Atwerp Rules von 2016 regeln General Average: https://transportrecht.org/wp-content/u ... tw2016.pdf

Shoei Kisen Kaisha, Eigner der EVER GIVEN, muss nachweisen, dass die Erklärung des General Average berechtigt ist.
Gruß, Volker
Pathfinder
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Pathfinder »

Volker Landwehr hat geschrieben: Fr 2. Apr 2021, 23:26
Pathfinder hat geschrieben: Fr 2. Apr 2021, 22:22

Zu General Average gibt es folgendes zu sagen:

Der Fall tritt ein wenn:

“There is a general average act when, and only when, any extraordinary sacrifice or expenditure is intentionally and reasonably made or incurred for the common safety for the purpose of preserving from peril the property involved in the common maritime adventure.”

Hoffe etwas zur Aufklärung beigetragen zu haben.

Grüße,
Jan
Shoei Kisen Kaisha, Eigner der EVER GIVEN, muss nachweisen, dass die Erklärung des General Average berechtigt ist.
Genau - das anzufechten und das zu rechtfertigen ist der erste Schritt in einer sehr langen Reihe von Gerichtsprozessen und Schiedsgerichtsentscheidungen die jetzt folgen werden. Jeder der General Average deklariert, kann einschätzen das es, egal wie man es dreht und wendet, sehr lange dauern wird. Die entsprechende initiierende Partei, in diesem Fall der Reeder, ist nur in einer starken Position weil sie durch das Pfandrecht in der Lage ist die Herausgabe der Ladung zu verweigern bis gezahlt wurde.

Und geopfert hat das Schiff tatsächlich so wie man es jetzt von außen im ersten Anschein nach sehen kann in der Tat wenig. Aber es sind auch die Kosten die drumherum entstanden sind, die man schon in General Average einrechnen kann. Z.B. den Bergelohn. Smit Salvage hat erstmal ein Pfandrecht auf das Schiff bis eine entsprechende Sicherheit für den Bergungslohn hinterlegt wurde. Hierfür kann das Schiff auch arrestiert werden. Alleine das zu klären dürfte schon kompliziert werden, weil meiner Information nach keine Lloyds Open Form geschlossen wurde. Hinzu kommen die Kosten für die Schlepper, für die Bagger... - Was davon genau wie umlegbar ist muss der General Average Adjuster klären. Dafür bin ich zu wenig Rechtsexperte und zu sehr Nautiker :mrgreen:

Grüße
bonito
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von bonito »

Pathfinder
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Pathfinder »

bonito hat geschrieben: Sa 3. Apr 2021, 00:03 Hier mal eine Erklärung

https://www.tis-gdv.de/tis/bedingungen/ ... alt-htm/#4
Danke, nach sowas hatte ich gesucht!
Volker Landwehr
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Volker Landwehr »

Irritierend finde ich, dass die Ursache für General Average keine Rolle spielen also auch schuldhaftes Verhalten der Schiffsführung nicht. Das widerspricht meinem Rechtsverständnis.

Die Suez Canal Authority hat schon eine Milliarde US-Dollar als Schaden benannt. Das würde dann schon die neun Schlepper und zwei Dredger sowie die zugehörige Manpower beinhalten, wie auch entgangene Einnahmen und Ansprüchen gegen die SCA. Dazu kämen die Kosten für Smit und Partner.
https://www.maritime-executive.com/arti ... al-average
Gruß, Volker
Zuschauer
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Zuschauer »

Irritierend finde ich, dass die Ursache für General Average keine Rolle spielen also auch schuldhaftes Verhalten der Schiffsführung nicht. Das widerspricht meinem Rechtsverständnis.
Eben. Da muß jemand doch die Anordnung gegeben haben, so vorzugehen, wie man es gemacht hat.
Mein Verständnis ist folgend: Grundsätzlich ist der Kapitän in der Verantwortung. Gibt er das Kommando temporär an den Lotsen ab, ist dieser mit verantwortlich. Ignoriert man nun wissentlich vorherrschende oder zeitnah eintretende Umstände, ist für negative Folgen der Verantwortliche Befehlsgeber in der Pflicht.
Demnach haben der Kapitän und der Lotse Schuld am Unfall.
Daraus schließt sich für mich die Reederei und der Arbeitgeber des Losten sind in Haftung zu nehmen.

Somit ist m.E. klar wer die Kosten zu begleichen hat. Und wer wem am Ende ist Schuld zuschiebt und wer wen in Regress nimmt kann den Geschädigten egal sein. Den Kunden der Ware im Übrigen erst Recht.

Zudem finde ich es lächerlich das Schiff an der Weiterfahrt hindert. Es ist doch alles bekannt. Das Schiff ist technisch i.O.
Und wer Angst hat da könnte sich vllt jemand absetzen wollen, um Konsequenzen zu umgehen, gut, dann tauscht man halt die Crew.

Aber vllt denke ich mal wieder zu logisch und am Ende wird es ein riesen Politikum. :lol:
KaiR
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von KaiR »

Die entgangenen Einnahmen sehe ich nicht. Es ist doch jedes Schiff noch durchgefahren, wenige wurden umgeroutet.
Grüße,

Kai
Burkhard
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Burkhard »

... bleibt mal abzuwarten, in wie weit dieser Vorfall in terroristischen Kreisen Gefallen gefunden hat, diesen Wirtschaftsweg mal eben zu unterbrechen- das politische Potenzial ist da enorm! MÜNSTERLAND & Co lassen da grüßen ...
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