Unglücks-Thread

KaiR
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von KaiR »

Jochen hat geschrieben:Wenn gesicherte Erkenntnisse vorliegen sollten sie nicht verschwiegen werden.
nur wenn man Fehler analysiert kann man sie künftig vermeiden. Unfälle passieren ja meist auf Grund einer Verkettung verschiedener unglücklicher Umstände. Es waren ja wohl auf beiden Schiffen Lotsen und Kanalsteuerer an Bord. Beide Schiffe fuhren trotz Nebel wohl mit der maximalen Geschwindigkeit von 8 Knoten. Da ist schon eine Menge drin, was sich zu analysieren lohnt.

Grüße

Kai
Grüße,

Kai
Tim S.
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Tim S. »

OOCL Finnland wieder unterwegs - Tyumen 2 in Rendsburg - Ruderhaus auf Kanalgrund
http://www.kn-online.de/schleswig_holst ... nfall.html
schwedenelch
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von schwedenelch »

mal ne technisch Frage, weil ich davon keine ahnung habe: ist das Ruderhaus nicht rundrum fest montiert bzw verschweist mit dem restlichen schiff? oder wie komtm es das das ja relativ sauber abgetrennt wurde. das bei der kollision große kräfte herschten ist klar, aber ja nur auf einer schiffsseite. ich als schiffsbautechnischer laie hätte nu an der kollisionsstelle ein loch etc vermutet, aber eben nicht das das ruderhaus komplett wegreisst, noch dazu offenbar in einem stück, und nicht in viele teile zerbröselt.
Peter Hartung
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Peter Hartung »

Kollision "Tyumen-2"/"OOCL Finland"

Moin!

WIE es passieren konnte, kann ich natürlich nicht sagen. Aber an Hand der bisher veröffentlichten Fotos lässt sich eine Bilderstrecke zusammenstellen, die den Unfall veranschaulicht. Zuvor ein paar Anmerkungen:

1. Die "OOCL Finland" ist laut GL eisverstärkt, hat die zweithöchste Eisklasse E3 [(korrespondierende Finnisch-Schwedische Eisklasse IA = Schwierige Eisverhältnisse (Eisdicke bis 0,8 m)], also ein besonders stabiles Vorschiff. Sie wurde als "ANINA" bestellt, später verlängert und ist als "OOCL FINLAND" im Einsatz. Das Open-Top-Conainerschiff gehört sie zu den erfolgreichen Sietas-Typschiffen der Baureihe 168.

2. Die "Tyumen-2" (gebaut 1989 in Komarno (SK) an der Donau) ist ein in vielen Exemplaren gebauter Standard-Schifftyp (Fluss-/Binnen-/Küstenmotorschiff). Auf den Fotos kann man sehen, dass das Brückenhaus der "Tyumen-2" auf einem T-förmigen Sockel aufliegt und offenbar in einem Stück (Sektion) gefertigt wurde, aber nicht integraler Bestandteil der Aufbauten zu sein scheint, sondern offenbar auf den quer liegenden "T-Träger" montiert wurde. Dies bestätigt das Foto von der Bergung des Brückenhauses (letztes Foto der Strecke).

3. Die Verformungen an den Aufbauten der "Tyumen-" korrespondieren insbesondere im Bereich des ersten "Impacts" mit der Form des Vorschiffs der "OOCL Finland" (Baujahr 2006) und den dort sichtbaren Beschädigungen, die relativ gering erscheinen und sehr wahrscheinlich der Formstabilität des eisverstärkten Rumpfes geschuldet sind. Hingegen wurde die "Tyumen-2" vom Vorschiff der "OOCL Finland" äußerst ungünstig getroffen, nicht nur von dem Teil des Vorschiffs, der oberhalb des Schriftzugs des Schiffsnamens der "OOCL Finland" liegt, sondern offensichtlich auch von der "scharfen Kante" des vordersten Querschotts. Unglücklicherweise lag das tief abgeladene russische Schiff auf einem Niveau, dass die schwere Beschädigung erst ermöglichte, insbesondere den Einschlag ins Brückenhaus. Wobei möglicherweise die scharfe Kante des vorderen Querschotts die äußerste Kante des Brückenhauses der "Tymen-2" getroffen haben könnte. Offensichtlich wurde ja nicht nur das Ruderhaus komplett abgerissen, auch das Rettungsboot wurde aus seiner Verankerung gerissen, um 180 Grad gedreht und nach achtern verschoben. Das überkragenden Vorschiff der "OOCL Finland" reichte also weit hinein in das Brückenhaus und die dahinter liegenden Aufbauten der "Tyumen-2".

Hier dazu die von mir zusammengestellte Fotostrecke.

Bild
Bild
http://www.ostkreisplattform.de/assets/ ... 858305.jpg
Bild
Diese Aufnahme (oben) von der "OOCL Finland" entstand am 11.4.2011 in Göteborg.
Bild
http://www.ostkreisplattform.de/assets/ ... 937491.jpg
http://www.ostkreisplattform.de/assets/ ... 931863.jpg
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http://www.ostkreisplattform.de/assets/ ... 964606.jpg
Bildnachweise: Ausschnitte und Bearbeitungen von aktuellen Presse-Fotos, Archivbilder und einem Bild von Sven aus Nübbel aus diesem Thread sowie unter Verwendung eines Bildes aus shipspotting von Lennart Rydberg.

mfg Peter Hartung
Zuletzt geändert von Martin Witte am Di 19. Apr 2011, 19:35, insgesamt 10-mal geändert.
Grund: Die Detailaufnahmen habe ich aus der Darstellung entfernt. Als Link habe ich sie aufgrund des Artikelflussels erhalten.
Alle Fotos von Peter Hartung sind (falls nicht anders angegeben) unter einer
Creative Commons-Genehmigung lizenziert. Siehe hier: Foto-Lizenz: CC-BY-NC-ND
Jochen
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Jochen »

Peter, schönen Dank für diese sehr eindrucksvolle Bildstrecke und die verbindenden analytischen Kommentare. Ich hoffe ja nur, Deine Einlassungen - die ja wie alle Theorien auch Vermutungen enthalten - fallen nun nicht dem Verdikt von Martin zum Opfer, alles zu unterlassen was nicht als gesicherte Behördenerkenntnis zu werten ist. Nur zu oft haben nämlich begabte (und interessierte) Amateure den sogenannten Profis schon deutlich gezeigt, was Ursache und Wirkung war und ist, haben gerade mit der Spekulation das Wechselspiel von Veri- und Falsifizieren zu jenem Rang der Erkenntnis gebracht, die allgemein als sogenannte Wahrheit dargestellt wird - natürlich bis zum Beweis des Gegenteils.
Schöne Grüße
Jochen
Carsten H. Petersen
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Carsten H. Petersen »

Moin ,

zum Einen möchte ich mich Martin anschließen . Ich selber wünsche mir lückenlose Aufklärung und ich wünsche mir auch , dass diese Ergebnisse zugänglich gemacht werden , alleine schon aus dem Grunde , dass zukünftig dieselben Fehler -sofern überhaupt welche gemacht worden sind , was im Rahmen der Aufklärung festgestellt werden wird- im Ansatz unterbunden werden können .

Was jetzt Beiträge a la "gefährliche Raserei bei Nebel" anbelangt , sei Folgendes erwähnt . Basis für die Verkehrslenkung sind 2 Standardgeschwindigkeiten : 15 km/h für die Normalläufer , 12 km/h für die Langsamläufer . ( VG 6 , wobei u.U. auch Ausnehmegenehmigungen für 15 km/h erteilt werden können bzw. Fahrzeuge mit Tg>8,50m ) . Anhand dieser Rahmenbedingungen wird der Verkehr gelenkt , diese Geschwindigkeiten müssen für den Lenker eine verlässliche Größe sein , anhand welcher Daten sollte er sonst lenken ? Würde jeder mit einer ihm genehmen Geschwindigkeit ( der Eine fährt 4 Knoten , der Andere 12 , der Dritte 8,7 , der Vierte 10 etc. ) fahren , bräche das System zusammen und der Lenker würde nach einigen Wochen in der Zentrale reif für die Psychatrie . Voraussetzung für das Funktionieren des Prinzips ist also das Einhalten der Geschwindigkeit , unabhängig von der vorherrschenden Witterung . Selbstverständlich ist man gehalten , bei zu erwartender Annäherung an die Böschung ( beispielsweise bei Begegnungen ) eine entsprechende sichere Geschwindigkeit zu wählen , um das "Absetzen" von der Böschung zu vermeiden . Allerdings definiert jederKollege zugegebenermassen eine solche Geschwindigkeit nach eigenem Gusto . Es bestünde auch theoretisch die Möglichkeit , auf Wunsch der Schiffsführung nach Rücksprache mit dem Lotsen ( der Lotse ordnet ja nichts an , sondern empfielt nur ) in Abstimmung mit der Verkehrslenkung für einen temporären Zeitraum das Schiff verkehrsgruppentechnisch höherstufen zu lassen , um erlaubte , aber als riskant empfundene Begegnungen zu vermeiden . Oder man sagt dem Lenker , man bliebe im Zweifelsfalle in der Weiche liegen und wartet prophylaktisch den Gegenverkehr ab und fährt dann -mit der vorgeschriebenen Kanalfahrt- weiter . Beides mache ich persönlich im engen Profil gerne mal . Im breiten Profil hingegen eigentlich nicht ( und der Unfall passierte im breiten Profil ) . Und ob ich einen Amur-Typ oder OOCL Finnland als unangenehme Nebelschiffe empfunden hätte....Eigentlich nicht.

Wenn also -wie ich mal unterstelle- sowohl Tyumen 2 als auch OOCL Finland mit 15 km/h unterwegs waren , so ist das keine "Raserei" , wie einige hier suggerieren , sondern regelkonform und ist auch erforderlich , um Verkehre überhaupt "lenken" zu können . Alles Andere bleibt abzuwarten .

Carsten
Garsvik
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Garsvik »

Ist evtl. das Steuerhaus (zumindest ursprünglich) als höhenverstellbare Einheit gebaut worden?
Aktuell wars nicht höhenverstellbar, der Treppe nach zu urteilen.
Jedenfalls wäre es dann ein in sich stabiler Kasten und evtl. nur mit ein paar Schweißpunkten verbunden mit der (eigentlich wenig) verbeulten Bodenplatte, wobei der Kasten komplett über Bord gegangen ist.

Garsvik
Tim S.
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Tim S. »

hareid
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von hareid »

Moin,

das Schwesterschiff "Tyumen 3" ist nun auch auf dem Weg zum Nok.
Hoffentlich diesmal eine glatte Passage und ohne Nebel.

MfG
Hareid
Jochen
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Re: Unglücks-Thread

Beitrag von Jochen »

Carsten H. Petersen hat geschrieben:Moin ,

zum Einen möchte ich mich Martin anschließen . Ich selber wünsche mir lückenlose Aufklärung und ich wünsche mir auch , dass diese Ergebnisse zugänglich gemacht werden , alleine schon aus dem Grunde , dass zukünftig dieselben Fehler -sofern überhaupt welche gemacht worden sind , was im Rahmen der Aufklärung festgestellt werden wird- im Ansatz unterbunden werden können .


Carsten
Interessante Theorie: wenn keine Fehler gemacht worden wären, wodurch und von wem auch immer, wäre der Zusammenstoß ja der Normalzustand. Das eröffnet nun wirklich den Raum für viele Spekulationen.
Jochen
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