Costa Concordia Havarie 13.01.2012

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Michael O.
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Re: Costa Concordia Havarie 13.01.2012

Beitrag von Michael O. »

KaiR hat geschrieben: Weist eigentlich die Position des Lochs im Rumpf ziemlich weit hinten hinter den Stabilisatoren darauf hin, dass das Schiff gerade in einer Drehbewegung nach Steuerbord war, als es den Felsen rammte? Gefahr erkannt und Ruder hart steuerbord, aber nicht mehr genügend Seeraum zur Insel?

Grüße

Kai

Hallo,

ich denke, das kann man so sehen. Ich kann mir gut vorstellen, daß man irgendwann erkannt hat, daß man sich entweder in zu steilem Winkel auf die Küste zubwegt hat oder der Küste zu nahe gekommen ist, und dann durch ein entsprechendes Manöver versucht hat, die Situation zu retten.

Bezeichnend fand ich, daß die ersten Notrufe offenbar von den Passagieren abgegeben worden sind. Sollte das stimmen, waäre das vielleicht auch ein Indiz dafür, daß die Schiffsführung nach der Kollision zunächst versucht hat, das eigene, offensichtliche Fehlverhalten zu vertuschen und Rettungsmaßnahmen erst eingeleitet hat, als eindeutig zu erkennen war, daß das Schiff verloren ist.

Auch die frühe "Flucht" des Kapitäns ist für mich ein Zeichen in diese Richtung. Hätte er es geschafft, unterzutauchen, dann würde man ihn heute zu den Vermißten zählen und vergeblich im Schiffsrumpf suchen... Einem Taxifahrer gegenüber soll er geäußert haben,´er solle ihn möglichst weit wegbringen (was auf der Insel kaum möglich ist). ER habe ihn mit nach Hause genommen und ihm einen Kaffee angeboten. In dieser Zeit muß das ihn nun belastende Gespräch mit der Hafenverwaltung stattgefunden haben, in dem er nachdrücklich aufgefordert wurde, zum Schiff zurückzukehren.
Das ist zugegebenermaßen sehr spekulativ, aber ich versuche mir vorzustellen, mit dieser Mischung aus Schuld, Angst, Panik und Schockzustand umgehen würde, besonders in dem Bewußtsein, daß man die Hauptverantwortung für die Katastrophe trägt.
Den Medien zufolge würde er psychologisch betreut, weil er suizidgefährdet sei.

Viele Grüße

Michael
KaiR
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Re: Costa Concordia Havarie 13.01.2012

Beitrag von KaiR »

dann spekulieren wir mal weiter: hätte man auf das Rudermanöver verzichtet, wäre das Schiff am Felsen vorbeigelaufen (die erste Hälfte war ja schon vorbei). Dann hätte es zwar einen unsanften Aufprall auf die Insel gegeben, aber sicherlich keinen Totalverlust, zumal dann der Bug betroffen gewesen wäre und nicht die weiche Flanke.

Aber hinterher ist man natürlich immer schlauer.

Grüße

Kai
Grüße,

Kai
Seekater
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Re: Costa Concordia Havarie 13.01.2012

Beitrag von Seekater »

KaiR hat geschrieben:dann spekulieren wir mal weiter.....
ja alles Spekulationen.

Hier mal der Versuch, das was unbekannt ist aufzulisten:
  • Wie war der genaue Kurs bis zum Kentern? es scheint ja mehrere widersprüchliche Angaben zu geben
  • War der gefahrene Kurs so geplant, oder führten Defekte an Bord zu Kursabweichungen?
  • Wer hatte die Wache und welche Kursvorgaben ?
  • Welche Vorgesetzten des Wachhabenden waren wann auf der Brücke und haben wann mit welchen Anweisungen eingegriffen ?
  • Wo im Rumpf erfolgte die Kollision ? Backbord oder/und Steuebord ?
  • Wie groß in welchen Rumpfbereichen sind die Schäden ?
  • Erlauben die Schadensstellen am Rumpf Rückschlüsse auf den Unfallverlauf? (Die im Internet kursierenden Photos sind hier widersprüchlich)
  • Wann wurde mit den Rettungsaktivitäten begonnen ?
  • Wann fielen welche Aggregate aus ?
  • Welche Aussagen vor Polizei oder Staatsanwaltschaft liegen vor ?
Aus meiner Sicht ist das alles jedoch noch immer uninteressant. Momentan interessiert:
  • Sind noch Menschen im Wrack ?
  • Wie können die Treibstoffe geborgen werden ?
Erst danach ist eine Beschäftigung mit dem Verlauf des Unglückes angebracht. Doch hier wird schon über das Ergebnis, die Schuldfrage, öffentlich spekuliert. Warum ? Was haben wir davon ?


Ich würde mich freuen, wenn wir etwas mehr bei den Fakten bleiben könnten. Zur Menschenrettung/Bergung informieren uns die Medien. Wie sieht's mit der Treibstoff-Bergung aus ?

Wer, welche Behörde/Organisation ist in Italien für die Unfalluntersuchung zuständig ? Haben die 'ne website? Gibt's von dort schon Ankündigungen, wie untersucht wird ? Gibt's außer den vielen Spekulationen sonst noch irgendwelche gesicherte Erkenntnisse, Fakten ?


Vielen Dank Euch allen

Schöne Grüße
Seekater
Wenn schon Irren, dann lieber durch eine Tat, als durch eine Unterlassung
KaiR
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Re: Costa Concordia Havarie 13.01.2012

Beitrag von KaiR »

nicht alles ist noch Spekulation. Aus den verschiedenen Informationsschnipseln kann man ein ganz gutes Bild zusammensetzen:

[*] Wie war der genaue Kurs bis zum Kentern? es scheint ja mehrere widersprüchliche Angaben zu geben

nicht wirklich. Das Schiff rammte den Felsen eingangs der Insel mit der Backbordseite und bekam dann Schlagseite nach Backbord. Dann wurde eine langsame Kurve nach Backbord gefahren bis das Schiff nahezu auf Gegenkurs mit dem Bug zum Hafen lag. Dabei bekam das Schiff Schlagseite nach Steuerbord und legte sich dann unweit des Hafens ans Ufer. Bei der Tagesschau des Schweizer Fernsehens wurde das bisher am besten beschrieben: http://www.videoportal.sf.tv/video?id=d ... uebersicht. Beginn ist bei 3.59 min.

[*] War der gefahrene Kurs so geplant, oder führten Defekte an Bord zu Kursabweichungen?

Die Annäherung an die Insel war sicher geplant. S. "Verneigung" und den inzwischen gut dokumentierten Dialog mit dem Restaurantleiter, den man extra auf die Brücke holte. Die Vorbeifahrt des Schiffes wurde ja sogar nachweisbar auf facebook angekündigt. Was dann zur Kollision führt und ob dabei ein Defekt eine Rolle spielte wird man untersuchen müssen.

[*] Wer hatte die Wache und welche Kursvorgaben ?
[*] Welche Vorgesetzten des Wachhabenden waren wann auf der Brücke und haben wann mit welchen Anweisungen eingegriffen ?

Der Kapitän war auf der Brücke und führte das Schiff. Kursvorgaben und Manöver muss man noch untersuchen

[*] Wo im Rumpf erfolgte die Kollision ? Backbord oder/und Steuebord ?
[*] Wie groß in welchen Rumpfbereichen sind die Schäden ?

Backbord ist ja offensichtlich. Ich vermute, dass man die Steuerbordseite relativ unbeschädigt finden wird aber noch liegt das Schiff drauf

[*] Erlauben die Schadensstellen am Rumpf Rückschlüsse auf den Unfallverlauf? (Die im Internet kursierenden Photos sind hier widersprüchlich)

natürlich aber das weiß man noch nicht genau

[*] Wann wurde mit den Rettungsaktivitäten begonnen ?

mit der Ausschiffung offensichtlich erst, als das Schiff bereits an der Küste lag. Schlag mich, aber das ergibt sogar Sinn.

Wir sind ein öffentliches Forum. Warum sollte es nicht erlaubt sein, Informationen zusammenzutragen und Hypothesen aufzustellen? Inwieweit sich diese bestätigen wird man sehen.

Grüße

Kai
Grüße,

Kai
Alexander
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Re: Costa Concordia Havarie 13.01.2012

Beitrag von Alexander »

KaiR hat geschrieben: Wir sind ein öffentliches Forum. Warum sollte es nicht erlaubt sein, Informationen zusammenzutragen und Hypothesen aufzustellen? Inwieweit sich diese bestätigen wird man sehen.
Sehe ich ein wenig anders. Wir sind ein öffentliches, nicht ganz unbekanntes Forum - und gerade das birgt in sich die Gefahr, daß auch Journalisten, etc. bei einem solch aktuellen Thema hier mal lesen (gerade dann, wenn sie keine Ahnung von der Materie haben, aber dennoch was zum Thema schreiben wollen oder müssen). Und ruckzuck wird in der Presse aus einer hier geführten Diskussion bzw. Spekulation eine bestätigte Tatsache (da es manche Journalisten mit der sauberen Trennung davon nicht so genau nehmen und auch manche Spekulation hier nicht explizit als solche erkennbar ist).

Gerade auf die Problematik der Trennung von Fakten und Meinungen bzw. Spekulationen hab ich ja gerade neulich hingewiesen. Daß das Thema jetzt so aktuell würde, hab ich damals nicht geahnt.

Alexander

P.S. Auch die vermeintlichen Fakten, die die Presse so bringt, sind für mich nicht immer als solche akzeptabel, da sie sich doch teilweise sehr wiedersprechen. Insofern sollten wir uns hüten, hier voreilige Schlüsse zu ziehen.
Meine Schiffsfotos bei Fotocommunity: http://home.fotocommunity.de/squarerigg ... 4&g=240434
KaiR
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Re: Costa Concordia Havarie 13.01.2012

Beitrag von KaiR »

@Hamburg2011: vielen Dank für die tollen Informationen zur geplanten Bergung. Wenn das so klappt sollte es tatsächlich gelingen, dass Schiff zu heben und in ein Dock zu schleppen.

Grüße

Kai
Grüße,

Kai
windrose
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Re: Costa Concordia Havarie 13.01.2012

Beitrag von windrose »

Wie bekommt man denn diese Luftkissen in den Rumpf hinein?

Müssen in jeden Hohlraum, jede Kabine, jeden Lagerraum und was es da sonst noch in Hülle und Fülle gibt, jeweils einzelne Kissen platziert und aufgeblasen werden? Das gäbe ja einen langwierigen sehr arbeitsintensiven Einsatz, und das alles noch unter Wasser.
Für große Kissen ist doch da gar kein Platz, der Rumpf ist doch sicher voll mit Räumen, Geräten, Maschinen aller Art.
Irgendwo stand, das Innere sei voll mit allerlei Trümmern, Metallteilen usw, sodaß die Taucher extrem aufpassen müssen, damit sie sich nicht darin verfangen oder ihre Tauchausrüstung beschädigen. Wie geht das, in so einem "Umfeld" Luftkissen aufzublasen?
Peter Hartung
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Re: Costa Concordia Havarie 13.01.2012

Beitrag von Peter Hartung »

Moin!

@ windrose + kaiR + hamburg2011: Nette Szenarien, aber völlig ausserhalb von konkreten Planungen. Also bitte: Ball flach halten.

Wie Smit verfahren will ist bisher nicht bekannt. Zu orientieren ist sich an Stellungnahmen des italienische Havariekommando und von Smit. Davon ist mir bisher nur bekannt, dass man jetzt Ölbekämpfungsmaßnahmen vorbereitet und mit dem Abpumpen des Schweröls und des Diesels beginnen will. Dazu wird man mindestens einen Küstentanker benötigen, der das Zeugs aufnehmen kann. Und das wird dauern. Ich verweise auf die lang andauernden Pumparbeiten an der RENA. Irgendein Küstentanker bisher vor Ort? Nein.

Darf ich daran erinnern, dass wir uns noch in der ersten Phase der RETTUNGS-Arbeiten befinden. Es wird noch nach möglichen Überlebenden gesucht. Smit ist gerade mal dabei eine Ölsperre zu legen. Ist Smit damit schon fertig? Nein.

Ausserdem gibt es ziemliche Unklarheiten über die Zahl der Vermissten. Bitte bedenkt, dass die Küchen- und Wäscherei-Crew ganz unten im Schiff arbeiten musste. Ob die alle es geschaft haben, noch oben zu kommen, möchte ich bezweifeln. Ich sage mal, dass man vor Ort noch lange nicht einen Überblick darüber hat, welche Personen definitiv vermisst werden.

Vgl. dazu: http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,809585,00.html

Die Abpumparbeiten werden Wochen dauern, immer vorausgesetzt, das Wetter bleibt einigermaßen.

Das Schiff ist ein Totalschaden, weil wir es hier nicht mit einem Frachter zu tun haben, bei dem man nach der Hebung nur noch den Laderaum trocken pumpen muss, sondern ein mit Mobilar vollgestopftes Kreuzfahrtschiff. "Luftballons" in diesen zugemüllten Räumen unterzubringen, erscheint mir unmöglich, es sei denn, man würde vorher das Schiff (unter Wasser) völlig entkernen. Mir ist kein Fall bekannt, dass man jemals einen solch ramponierten Passagierschiff-Körper von dieser Größe wieder in Fahrt gebracht hätte. Und was zu bedenken ist: Der Kasten hat auf der aufliegenden Steuerbord-Seite ähnlich schwere Beschädigungen mit Wassereinbruch am Rumpf. Die Fotos dazu habe ich hier verlinkt.

Und da das Schiff mit mehr als 400 Millionen Euro versichert ist (der Neubau kostete 450 Millionen) und Carnival mit solchen Schiffen Geld verdienen will, wird man sich die Versicherungssumme auszahlen lassen und ein neues Schiff bauen oder kaufen, damit der Rubel wieder schnell weiter rollen kann. Allein schon der gewaltige Zeitaufwand für eine Rekonstruktion des Schiffes erscheint mir völlig unökonomisch.

Ich sach Euch: Das Ding kommt in den Hochofen und aus.

Ansonsten: Füsse ruhig halten, abwarten.

mfg Peter Hartung
Alle Fotos von Peter Hartung sind (falls nicht anders angegeben) unter einer
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Michael O.
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Re: Costa Concordia Havarie 13.01.2012

Beitrag von Michael O. »

windrose hat geschrieben:Wie bekommt man denn diese Luftkissen in den Rumpf hinein?

Müssen in jeden Hohlraum, jede Kabine, jeden Lagerraum und was es da sonst noch in Hülle und Fülle gibt, jeweils einzelne Kissen platziert und aufgeblasen werden? Das gäbe ja einen langwierigen sehr arbeitsintensiven Einsatz, und das alles noch unter Wasser.
Für große Kissen ist doch da gar kein Platz, der Rumpf ist doch sicher voll mit Räumen, Geräten, Maschinen aller Art.
Irgendwo stand, das Innere sei voll mit allerlei Trümmern, Metallteilen usw, sodaß die Taucher extrem aufpassen müssen, damit sie sich nicht darin verfangen oder ihre Tauchausrüstung beschädigen. Wie geht das, in so einem "Umfeld" Luftkissen aufzublasen?

Hallo,

das ist nur schwer vorstellbar, aber es kann eigentlich nur so gehen, daß man in einem Großteil der Räume unter der Wasserlinie jeweils ein Kissen aufbläst.
Von den Schwimmkränen darf man sich nicht allzu viel erhoffen, die Tragkraft des SMIT Asian Hercules II beträgt 3300 Tonnen. Das ist viel, aber für ein Schiff dieser Größe viel zu wenig. Um die Costa Condordia frei anzuheben, wären nicht weniger als 30 Stück davon nötig. Diese Zahl wird man natürlich nicht brauchen, um sie kontrolliert durch Luftpolster wieder anzuheben und aufzurichten. Aber spannend bleibt die Angelegenheit auf jeden Fall.

Viele Grüße

Michael
KaiR
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Re: Costa Concordia Havarie 13.01.2012

Beitrag von KaiR »

Peter Hartung hat geschrieben:Ich sach Euch: Das Ding kommt in den Hochofen und aus.
wenn man es bergen kann, kann man es auch reparieren. Gerade Schiffe werden umgebaut, verlängert, verkürzt - da ist auch entkernen und neu ausstatten sicher kein Hexenwerk, so lange Rumpf mit Maschinen im Dock liegen. Es sind schon Kreuzfahrtschiffe aus Bulkern entstanden. Ein Neubau dauert 2-3 Jahre, eine Reparatur vielleicht nur ein Jahr. Das allein dürfte der wichtigste Faktor sein.

Aber erst mal ins Dock bekommen.

Grüße

Kai
Grüße,

Kai
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