Vielen Dank, Fritz, für die Schilderung Deiner Erfahrungen auf der HANSEATIC und natürlich auch für die tollen Bilder, insbesondere der HAMBURG, auf der meine Eltern etwa zu der Zeit des Fotos eine Kreuzfahrt unternommen haben.
Ich plaudere einfach mal im Gegenzug ein wenig aus meiner AIDA-Zeit, so dass man einen Vergleich zwischen damals und "heute" - wobei man das ja 15 Jahre später so auch nicht mehr sagen kann - bekommt. Einiges davon habe ich sicher an anderer Stelle schonmal zum besten gegeben.
Die Privilegien, die man hier als Offizier hatte, waren schon etwas umfangreicher als zu Deiner Zeit. Zunächst hatte man recht großzügige Einzelkammern mit eigenem Bad (siehe unten zur Veranschaulichung meine Kammer auf der AIDAdiva). Die waren ordentlich ausgestattet, aber kein Vergleich zu denen, die ich später mal auf den Disney-Schiffen gesehen hatte (die waren wie die Pax-Kabinen ausgestattet und hatten sogar Badewanne). Die Kabinen wurden täglich gereinigt, Uniform und private Oberbekleidung hängte man morgens an die Tür und hatte sie abends gebügelt wieder zurück. Man konnte sich in allen öffentlichen Bereichen frei bewegen und aufhalten, nur das Casino auf der Sphinx-Klasse (also ab AIDAdiva) war tabu. Die Frischluft-Möglichkeiten waren auch eher beschränkt: Da gab es die Back mit einem kleinen Whirlpool, die der Crew vorbehalten war und achtern einen offenen Bereich mit einer einfachen Bar und Bänken und Tischen. Da ich aber eh nicht so der Sonnenanbeter bin, habe ich da nichts vermisst.
Bis etwa 22.00 war Uniform angesagt (wobei bis 18.00 die Hosen weiß und abends dunkelblau waren), danach konnte man sich auch in Privatkleidung, jedoch mit Namensschild in den öffentlichen Bereichen bewegen. Zwang gab es hierbei überhaupt nicht, wobei es gerne gesehen wurde, wenn man sich auch mit den Paxen unterhalten hat. Grüppchenbildung innerhalb der Crew im öffentlichen Bereich war nicht gerne gesehen, wurde bis zu einem gewissen Punkt aber toleriert. Die nicht-gestreiften Crewmitglieder konnten einen sog. Leasure-Pin bei ihrem Vorgesetzten bekommen, der sie zum Betreten des öffentlichen Bereichs berechtigte. Zudem waren diese meist in Zweier-Kabinen untergebracht, in denen es schon ganz schön eng zuging. "Interessant" waren zu meiner Zeit als Safety Officer die Kabineninspektionen, bei denen man gezwungenermaßen und ungewollt auch Einblicke in die Privatsphäre der Crew bekam. Wenn man so gesehen hat, wie manch einer hauste, der sich nach außen als sonst wie wichtig und bedeutsam dargestellt hat, musste man sich oft sehr wundern. Unangenehm war dabei immer, wenn man höherrangige Crewmitglieder verwarnen musste (wegen Sauberkeit in der Kabine, Brandgefahr etc.) und die sich dann lauthals beim Clubdirektor beschwerten, der dann wiederum beim Kapitän vorsprach, noch bevor die Inspektionsrunde beendet war. Meistens hatte man da aber normalerweise immer die volle Rückendeckung, aber beliebt machte man sich damit natürlich selten. Dafür wurde dann im Gegenzug gerne mal versucht, Fehlverhalten im öffentlichen Bereich nachzuweisen, in meinem Fall jedoch leider immer erfolglos, da hatten andere mehr "Glück".
Zu Beginn meiner Zeit bei AIDA habe ich die Privilegien gerne und oft genutzt, aber mit der Zeit verblasste der Reiz schnell. Irgendwann kannte man alle Shows und alle Mottoparties und auf bestimmten Reisen waren die Paxe auch teils sehr unangenehm. In die Restaurants bin ich irgendwann garnicht mehr gegangen. Natürlich war man immer bereit, auch während des Essens Fragen zu beantworten, aber wenn man quasi noch beim kauen aus dem Stuhl gerissen wird, um für ein Foto zu posieren, ging das doch zu weit. Da hat man doch die Ruhe der Offiziersmesse irgendwann vorgezogen.
Hin und wieder mal ins Steakhouse war jedoch ok, da es da keinen "Durchgangsverkehr" gab und Tischservice bestand, so dass es dort sehr ruhig zuging.
Wie an anderer Stelle sicher schon mal erwähnt, habe ich auf der AIDAaura auch meine Frau kennengelernt. Sie arbeitete dort als Juwelierin im Shop. Interessant zu beobachten war die Veränderung bei der Crew, die eintrat, nach dem bekannt war, dass wir zusammen waren. War sie anfangs noch sehr beliebt, hieß es dann schnell, man müsse vorsichtig sein, was man ihr sage, denn sie trägt ja gleich alles an die "böse" Schiffsführung weiter, was vollkommener Blödsinn war bzw. als ob ich nicht auch so wusste, was an Bord los ist
Als sie dann auch noch hochoffiziell in meine Kammer einzog, war es dann ganz vorbei. Als ich dann auf die AIDAdiva wechseln sollte und ein damals befreundeter Kapitän sich dafür einsetzte, dass wir auch dort zusammen fahren, erhielt sie während unseres Urlaubs einen Anruf aus Rostock, in dem ihr der Abteilungsleiter lautstark vorhielt, wie sie es wagen könne, sogar Kapitäne für ihren Vorteil einzusetzen und und und. Der folgende Einsatz war dann auch unser letzter gemeinsamer. Ich habe danach noch ein paar Kurzeinsätze gefahren und dann ebenfalls gekündigt. Es ist schade, dass die Reederei damals nicht begriffen hat, wie leicht sie Mitarbeiter hier hätte motivieren und an sich binden können. Aber wahrscheinlich haben wir nicht demütig genug "bitte, bitte" gesagt. Den Weggang bereuen wir jedenfalls beide nicht ansatzweise, erinnern uns aber trotzdem gerne an die Zeit zurück.
Wäre ich weiter zur See gefahren, wäre ich in jedem Fall bei der Kreuzfahrt geblieben. Die Möglichkeiten, die man im Vergleich zur Frachtschifffahrt hat, sind doch deutlich umfangreicher, die Aufgaben vielfältiger und die Hafenaufenthalte und Urlaube planbarer. Allerdings glaube ich, dass ich mit meiner Art in der heutigen Zeit und bei den ganzen Vorgaben dort heute auch nicht mehr so ohne weiteres klarkommen würde.